"Gespräch mit Conner Rousseau bringt nichts – De Wever zum König nach letztem Versuch, die Arizona zu retten", titelt Gazet van Antwerpen. "De Wever mit leeren Händen zum König – nach 127 Tagen steht die Regierungsbildung wieder am Anfang", schreibt das GrenzEcho. "Bart De Wever: Stopp oder noch weiter?", fragen fast gleichlautend La Dernière Heure und La Libre Belgique. "Rousseau lässt Regierungsbildner De Wever keine andere Option als den Rücktritt", so De Standaard.
Kann oder will Vooruit wirklich nicht in See stechen mit den anderen Arizona-Parteien in spe?, fragt Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Oder ist das Ganze eine Strategie der flämischen Sozialisten, um mehr herauszuschlagen? Falls Ersteres der Fall sein sollte, dann wäre das ein ausgesprochen übles und unverantwortliches Verhalten von Vooruit. Aber vielleicht ist es ja doch ein "Chicken Game", ein Kräftemessen, wer zuerst blinzelt und nachgibt. Conner Rousseau hat laut verkündet, dass es ja auch noch andere mögliche Koalitionen gebe. Freilich ohne zu sagen, welche er bevorzugen würde. Wenn die anderen vier Parteien herausfinden wollen, ob Rousseau pokert oder nicht, sollten sie seinem Rat folgen und sich mit Koalitionen ohne ihn befassen. Dieses Land braucht eine Regierung, unterstreicht Het Laatste Nieuws.
Die Woche der Entscheidung I
Rechte Meinungsmacher haben den Schuldigen bereits ausgemacht, scheint De Morgen einzuhaken: Conner Rousseau kenne seinen Platz nicht und könne sein Ego nicht in Zaum halten. Das ist eine – im besten Fall – sehr einseitige Art, die Dinge zu sehen. In rechten Kreisen wird auch behauptet, dass, falls Rousseau nicht mitspielen sollte, der Internationale Währungsfonds Belgien einen harten Sparkurs auferlegen werde. Naja, spielen wir dieses Szenario spaßeshalber doch mal durch: Das Erste, was die Experten des IWF an der Super-Note De Wevers rot anstreichen würden, wäre die geplante Senkung der Steuern um drei Milliarden Euro. Dass ein Land, dass 16 Milliarden einsparen muss, sein Defizit sogar vergrößern will durch eine Steuersenkung, von der vor allem die Allerreichsten profitieren würden, das könnte selbst der IWF ein bisschen zu krass finden. Ein weiterer großer Kritikpunkt wären dann sicher auch die äußerst großzügigen Schätzungen, wieviel Geld durch die geplanten Einsparungen hereinkommen würde. Es gibt sicher Gründe, den Kurs von Conner Rousseau kritisch zu betrachten. Aber es ist auch nachvollziehbar, wenn eine linke Partei bei so einem Plan nicht einfach mitmachen will, meint De Morgen.
Fast fünf Monate nach den Wahlen scheint nichts mehr zu gehen zwischen Conner Rousseau und Bart De Wever, hält La Dernière Heure fest. Das ist eine Situation, mit der die N-VA nicht zwangsläufig unglücklich sein muss. Denn die flämischen Nationalisten haben ja immer argumentiert, dass Belgien unregierbar sei. Ein Scheitern der föderalen Regierungsverhandlungen wäre der ultimative Beweis für diese These. Wenn man sich in das Land der Verschwörungstheoretiker begeben wollte, könnte man sogar denken, dass die N-VA die Super-Note absichtlich so geschrieben hat, dass die Sozialisten sie auf gar keinen Fall akzeptieren können. Aber um ganz deutlich zu sein: Diese Vorstellung ist nichts anderes als politische Fiktion. Oder?, stichelt La Dernière Heure.
Auch Le Soir folgt der gemeinschaftspolitischen Spur: Wer würde von einer solchen Krise profitieren? Vor allem die flämischen Nationalisten, die all ihre Thesen bestätigt sehen würden. Dass die flämischen und wallonischen Regionalregierungen arbeiten, während föderal und auch in Brüssel nichts geht, stützt nur die Forderung der N-VA nach einem konföderalen Belgien. Und sowohl föderal als auch in Brüssel sind es vor allem die flämischen Parteien und ihre Chefs, die alles blockieren, die frankophonen haben daran – bisher zumindest – noch keinen größeren Anteil, wettert Le Soir.
Die Woche der Entscheidung II
Die meisten anderen Zeitungen blicken auf die Vereinigten Staaten: Heute beginnt nicht nur eine historische Woche für die Welt, sondern vor allem auch eine sehr unheilvolle, schreibt De Standaard. Falls Trump gewinnen sollte, wird das große Gefahren mit sich bringen: Unter Trump würde Netanjahu noch freiere Hand bekommen im Nahen Osten und unbegrenzte Waffenlieferungen. Gleichzeitig würden die Ukrainer zu Friedensgesprächen mit Moskau gezwungen werden und würde die NATO ernste Risse bekommen. In den USA selbst wäre möglicherweise mit großen Racheaktionen gegen Demokraten und alle angeblichen Abweichler zu rechnen und mit Säuberungen vieler Institutionen von Nicht-Trump-Anhängern. Schon jetzt hängt der Schatten der Gewalt über den Wahlen. Und Trump tut nicht das Geringste, um die Lage zu entspannen, im Gegenteil, betont De Standaard.
Bereit für ein zweites Mal Trump?
Falls Trump die Wahl verlieren sollte, ist ein erneuter Sturm auf das Kapitol nicht auszuschließen, warnt L'Avenir. Denn er hätte nichts mehr zu verlieren. Politisch wäre er nämlich tot. Durch die weiter über ihm schwebenden Gerichtsprozesse könnte er sogar noch hinter Gittern landen. Falls Trump gewinnen sollte, dann werden die Demokraten das akzeptieren. Aber was ist mit der amerikanischen Bevölkerung? Ist auch sie bereit, noch ein zweites Mandat eines autokratischen Präsidenten zu durchleben, der das Land per Smartphone regiert? Und was ist mit uns Europäern? Sind wir bereit für vier weitere Jahre Trumpismus voller Provokationen, Erpressungen und Verachtung? Kamala Harris könnte sich im schlimmsten Fall als ineffizient entpuppen. Aber Donald Trump könnte im schlimmsten Fall die empfindlichen politischen, wirtschaftlichen, diplomatischen und ökologischen Gleichgewichte unseres Planeten zerstören, so die düstere Prognose von L'Avenir.