"Wird’s in Paris einen Medaillenrekord für Belgien geben? ", fragt sich L’Avenir auf Seite eins. La Dernière Heure ist zuversichtlich: "Zehn Medaillen für Team Belgium sind realistisch", so die Schlagzeile. Auf einigen Titelseiten sieht man auch potenzielle Medaillenkandidaten, allen voran die Straßenradfahrer Wout van Aert und Remco Evenepoel. "Noch mal eben entspannen und dann alles geben für Gold", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad. "Paris, das wird lustig!", schreibt lapidar Het Laatste Nieuws. Auf der Titelseite von Le Soir prangt derweil ein Foto von Lotte Kopecky. Sie gehört zu den Favoriten beim Straßenrennen der Damen und beim Zeitfahren. Die Zeitung bescheinigt ihr eine "eisenharte Motivation".
Auf einigen Titelseiten sieht man auch König Philippe, wie er Regierungsbildner Bart De Wever empfängt. Der N-VA-Chef hatte das Staatsoberhaupt am Abend über den Verlauf der Koalitionsverhandlungen informiert. "Der König gibt dem Regierungsbildner weitere 25 Tage", hält De Tijd auf ihrer Titelseite fest. "De Wever wird nun am 19. August wieder im Palast erwartet", präzisiert L’Echo. Le Soir bringt es auf den Punkt: "Bart De Wever bleibt Regierungsbildner, aber das wird ein langer Sommer".
Unzureichende ethische Aufarbeitung
"Bischof Bonny stoppt mit seiner Rolle als Ansprechpartner für Opfer sexuellen Missbrauchs", so derweil die Aufmachergeschichte von Het Nieuwsblad. Der Antwerpener Bischof fühlt sich nach eigenen Worten im Stich gelassen. Er hatte den Papst um einen Hilfsbischof gebeten, weil ihm seine Aufgabe über den Kopf wuchs. Der Vatikan kam der Bitte aber nicht nach. Und auch die anderen belgischen Bischöfe hätten nicht auf seine Hilferufe reagiert.
"Das alles ist schlicht und einfach unbegreiflich", ärgert sich Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Die Kirche hat ihre Lektion offensichtlich immer noch nicht gelernt. Und das nach alledem, was passiert ist! Immer noch schafft sie es nicht, die schrecklichen Missbrauchsfälle auf eine menschliche und ethische Art und Weise aufzuarbeiten. Dass Johan Bonny jetzt seine Rolle als offizieller Ansprechpartner aufgibt, das ist nur der traurige Höhepunkt.
Offensichtlich hat man insbesondere im Vatikan immer noch nicht verstanden, wie leidvoll dieses Kapitel wirklich war. Ende September wird Papst Franziskus Belgien besuchen. Dabei soll er "in aller Diskretion" eine Delegation von Opfern empfangen. Die Initiative wird in Rom verkauft als "großzügige Geste allerhöchsten Ranges". Dabei ist es nicht mehr als ein Feigenblatt. Das Einzige, was wirklich angemessen wäre, das wäre ein Kniefall des Pontifex gleich nach seiner Ankunft am Flughafen.
Hochamt des Wegschauens
De Morgen geht noch einen Schritt weiter: Es ist noch nicht zu spät, den Papstbesuch vollends abzublasen, meint das Blatt. Zumindest sollten die Behörden strikte Auflagen an die Visite knüpfen. Die wichtigste wäre wohl ein echtes Treffen mit Opfern des sexuellen Missbrauchs in der Kirche. Denn: Nach den derzeitigen Plänen soll das Kirchenoberhaupt nur eine Gruppe von handverlesenen Opfern empfangen, jedenfalls niemanden, der bei dem Priester und Aktivisten Rik Devillé Unterstützung gesucht hatte. Devillé ist dem Vatikan offensichtlich ein Dorn im Auge. Wenn sich nichts ändert, dann wird der Papstbesuch in Belgien am Ende jedenfalls nichts anderes sein als ein Hochamt des Wegschauens.
Bessere Chancen für hochqualifizierte Migranten
Ganz andere Geschichte auf Seite eins der beiden Wirtschaftszeitungen L’Echo und De Tijd: "Ein hochqualifizierter Einwanderer findet in Belgien schwieriger einen geeigneten Job". Aus Zahlen der EU-Statistikbehörde Eurostat geht hervor, dass in Belgien überdurchschnittlich viele Einwanderer aus Drittstaaten am Ende eine Stelle annehmen müssen, für die sie überqualifiziert sind.
Hier wird Talent regelrecht vergeudet, beklagt De Tijd in ihrem Leitartikel. Hochqualifizierte Migranten haben in Belgien deutlich schlechtere Jobaussichten als in unseren wichtigsten Nachbarländern. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Aber einer der wichtigsten ist leider immer noch Diskriminierung. Auch im Jahr 2024 muss man feststellen, dass ein hochqualifizierter Mohammed und ein hochqualifizierter Jan allzu oft noch mit ungleichen Waffen kämpfen. In Zeiten, in denen ein weltweiter Krieg um die besten Talente ausgefochten und in denen der Vergreisungs-Schneeball mit jedem Tag sichtbar größer wird, ist das eigentlich ein Unding. Die Ursachen sind manchmal Unwissenheit, manchmal auch Angst, aber manchmal eben auch reiner Rassismus. Das eigentlich Schlimme ist, dass diese Probleme schon lange bekannt sind, aber niemand es wagt, sie offen anzusprechen.
Le Soir schließlich bricht noch einmal eine Lanze für eine Reichensteuer. Man muss sich da mal einige Zahlen vor Augen führen: 3.000 Milliardäre stehen für 13 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsproduktes. In den 1980er Jahren waren es noch vier Prozent. 3.000 Menschen, das entspricht weniger als einem Millionstel der Weltbevölkerung. Diese Leute üben über ihr Geld eine enorme Macht aus, kontrollieren Medien oder soziale Netze, finanzieren Wahlkampagnen, insbesondere in den USA. Und diese Superreichen zahlen weniger Steuern als Normalsterbliche, wesentlich weniger, sehr viel weniger. Wo ist denn da noch der Gleichheitsgrundsatz? Der angebliche Trickle-Down-Effekt, der besagt, dass das Geld gewissermaßen nach unten durchsickert, der ist längst widerlegt. Man muss dafür kein militantes Mitglied einer Linkspartei sein: Es gibt wirklich keinen Grund, warum Superreiche nicht Steuern zahlen wie der Rest der Welt.
Roger Pint