"Aufgebrachte Bauern übernehmen wieder die Kontrolle in Brüssel", titelt De Morgen. "Die Hauptstadt wird heute wieder lahmgelegt", so die Schlagzeile von La Dernière Heure. "Die Landwirte erhöhen wieder ihren Druck", schreibt Le Soir auf Seite eins.
Die Bauern wollen sich heute eindrucksvoll zurückmelden. Am Rande eines Treffens der EU-Landwirtschaftsminister in Brüssel wollen sie noch einmal lautstark ihre Sorgen beziehungsweise Forderungen zum Ausdruck bringen. Es muss mit erheblichen Verkehrsbehinderungen gerechnet werden. Pendlern wird empfohlen, auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen.
Das zweite große Thema auf den Titelseiten ist heute der schreckliche Verkehrsunfall, der sich gestern auf dem Gebiet des Genter Hafens ereignet hat. "Ein betrunkener Mann mit Fahrverbot fährt zwei Radtouristen tot", so bringen Het Nieuwsblad und Gazet van Antwerpen die Fakten auf den Punkt. Ein 45-jähriger Mann hatte gestern die Kontrolle über sein Auto verloren und war frontal in eine Radfahrergruppe gefahren. Zwei von ihnen wurden getötet, drei weitere wurden zum Teil schwer verletzt. "Der Fahrer fuhr zu schnell, war betrunken und hatte ein Fahrverbot auferlegt bekommen", titelt anklagend Het Laatste Nieuws. Der Mann wurde festgenommen und soll heute einem Untersuchungsrichter vorgeführt werden.
Ukrainekrieg – Militärhilfen hochschrauben oder verhandeln?!
Im Mittelpunkt der Leitartikel steht zunächst wieder der Krieg in der Ukraine. Der Beginn des russischen Angriffs hatte sich ja am Samstag zum zweiten Mal gejährt.
"Und die dunkelsten Prognosen haben sich leider bewahrheitet", kann De Standaard nur verbittert feststellen. Vor einem Jahr, beim ersten Jahrestag der Invasion, hatten Beobachter schon befürchtet, dass sich der Krieg festfahren könnte, was für die Ukraine und auch für Europa eine denkbar schlechte Aussicht wäre. Genau das ist aber passiert. Grund sind vor allem die nach wie vor unzureichenden Waffenlieferungen, die in den letzten Monaten sogar zunehmend ins Stocken geraten sind.
Dabei sollten wir doch längst wissen, dass mit dieser Strategie kurzfristig kein Frieden zu erreichen ist. Um das Patt zu durchbrechen, gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder der Westen schraubt seine militärische Unterstützung spürbar hoch, oder man setzt auf Verhandlungen. Natürlich wäre das äußerst schwierig, da weder Russland noch die Ukraine von ihrer Position abrücken dürften. Aber alles ist doch besser, als in einem Jahr dieselben Feststellungen zu machen und weiter die Toten zu zählen.
Eigentlich ist es ein kleines Wunder, dass die Ukraine seit zwei Jahren der russischen Invasion immer noch standhält, findet Het Belang van Limburg. Und in Europa ist man inzwischen auch zu der Einsicht gelangt, dass es in Putins Krieg um mehr geht als nur die Ukraine. Der russische Präsident will schlichtweg das Rad der Geschichte zurückdrehen. Und mit diesem Mann kann man nicht verhandeln, da hat Premierminister Alexander De Croo vollkommen recht. Im Umkehrschluss bedeutet das aber, dass wir die Ukraine wirklich mit aller Macht unterstützen müssen. An symbolischen Gesten insbesondere von Seiten der Europäer mangelt es nicht. Das zeigt allein der Besuch von De Croo und der EU-Kommissionsvorsitzenden Ursula von der Leyen am Wochenende in Kiew. Doch müssen jetzt endlich entsprechende Taten folgen. Das gilt insbesondere für Belgien, denn bald stehen wir innerhalb der Nato auf dem letzten Platz in puncto Rüstungsausgaben.
Aufrüstung: "Woher nehmen, wenn nicht stehlen?"
Gerade hierzulande hat man die Friedensdividende bis aufs Äußerste ausgereizt, konstatiert Het Laatste Nieuws. Die Lager sind leer. Und, wie sagte so treffend ein General im Ruhestand: "Wenn wir der Ukraine noch weiteres Material schicken, dann müssen wir mit Steinen werfen." Fakt ist jedenfalls, dass wir, genauer gesagt die Ukraine, zu viel Zeit verloren haben, weil die europäischen Regierungen immer noch zögern, ihre Militärmaschinerie endlich hochzufahren. Resultat: Im Moment scheint Russland den längeren Atem zu haben.
In Belgien stellt sich dabei eine entscheidende Frage, meint Het Nieuwsblad: "Woher nehmen, wenn nicht stehlen?". Schon jetzt stehen wir vor einem abgrundtiefen Haushaltsloch. Die Open VLD und auch die N-VA plädieren insbesondere für eine Beschneidung der Sozialausgaben beziehungsweise eine Deckelung der Migration. Klassisch liberale Rezepte also. Auf der linken Seite ist man auch nicht viel origineller: Die Sozialisten etwa singen mal wieder das Lied einer Reichensteuer. Bei alledem darf man nicht vergessen, dass neben den Rüstungsausgaben ja auch noch die Vergreisung und die Klimawende auf Lösungen warten. Es steht zu befürchten, dass all das auf Kosten der sozialen Sicherheit gehen wird.
Wahllisten – Taktische Spielchen und verbrannte Erde
Die frankophonen Zeitungen beschäftigen sich ihrerseits mit den Irrungen und Wirrungen der Parteien bei der Zusammenstellung ihrer Wahllisten. Was man da beobachten kann, das ist eigentlich nichts Anderes als organisierter Wählerbetrug, analysiert sinngemäß Le Soir. Beispiel: Bei der MR wird die frühere Premierministerin Sophie Wilmès die Europaliste anführen, ohne dass sie garantieren kann, dass sie auch wirklich im Europaparlament tagen wird. Bei Ecolo wird Zakia Khattabi Spitzenkandidatin für die Region Brüssel, wobei sie selber einräumt, dass die Regionalpolitik nicht ihr Ding ist. Ein trauriges Schauspiel! Hier geht es nicht um die Wähler, sondern einzig um taktische Positionierungen. Alle Parteien widmen ein Kapitel in ihren Wahlprogrammen dem Thema "Gute Amtsführung". Sie sollten vielleicht mal bei sich selbst anfangen.
La Libre Belgique sieht das ähnlich. Oft geht es hier um das Kräftemessen zwischen übergroßen Egos, oder den Krieg zwischen Clans oder Parteiflügeln. Und einige der Damen und Herren verlieren da den Sinn für das große Ganze, zögern sogar nicht, verbrannte Erde zu hinterlassen. Bei alledem stellt sich eine ebenso einfache wie wesentliche Frage: Wie will man mit einem solchen Schmierentheater die Bürger wieder für die Demokratie und für politische Debatten begeistern?
Roger Pint