"Europas Ehrenbürger Jacques Delors ist tot", schreibt das GrenzEcho auf Seite eins. "Mit Jacques Delors verliert Europa einen seiner größten Propheten", titelt La Libre Belgique. L'Echo nennt ihn die "Vaterfigur des europäischen Integrationsprozesses".
Jacques Delors, einer der Architekten der heutigen Europäischen Union, ist gestern im Alter von 98 Jahren gestorben. Die meisten Zeitungen widmen ihm heute ihre Titelseiten. Delors war von 1985 bis 1995 Präsident der EU-Kommission. In diese Zeit fällt insbesondere die Schaffung der Währungsunion, also die Einführung des Euro. Jacques Delors hat diese Phase maßgeblich geprägt, er gilt sogar als der "Vater des Euro".
"Jacques Delors war ein Visionär Europas", so denn auch die Schlagzeile von Le Soir. "Er hat bis zuletzt an 'unserem Europa' gearbeitet", notiert L'Avenir. De Standaard bringt es auf seiner Titelseite auf den Punkt und nennt Delors "den Mann, der seine europäischen Nachfolger verblassen ließ".
Die EU hat (immerhin) ihren Vater Jacques Delors überlebt
L'Avenir ist die einzige Zeitung, die es noch geschafft hat, Jacques Delors auch in ihrem Leitartikel zu würdigen. Die EU ist seit gestern so ein bisschen verwaist, meint das Blatt. Jacques Delors war schon sehr früh ein überzeugter Europäer. Er wollte das Europa der Nationen hinter sich lassen. Auf eine große politische Karriere in seinem Heimatland Frankreich hat er verzichtet und hat stattdessen seine ganze Energie in den europäischen Integrationsprozess gesteckt. Sein Ziel war es immer, wirkliche Lösungen zu finden, die im Interesse der Bürger Europas waren, Lösungen auf Probleme, wie die Globalisierung, die Massenarbeitslosigkeit oder die soziale Gerechtigkeit. Nicht umsonst trug die von ihm gegründete Organisation den Namen: "Unser Europa". Wer nun behauptet, dass die heutige EU diese Ziele schon erreicht hätte, der tut der Wahrheit freilich Gewalt an. Europa steckt in einer Krise, schafft es nicht, die zahlreichen Probleme unter Kontrolle zu bekommen. Und der Kontinent ist zudem mit einem Vormarsch von Extremisten aller Couleur konfrontiert. Die Anziehungskraft der EU beschränkt sich im Moment eigentlich nur noch auf den Binnenmarkt und die Währungsunion. Größtes Problem: Der EU fehlt eine Verteidigungspolitik, die diesen Namen auch verdient, sie ist abhängig vom guten Willen der USA. Aber immerhin hat die EU ihren Vater überlebt.
Superwahljahr 2024
Dazu passt der Leitartikel von De Standaard. Das Blatt blickt mit Sorge auf das kommende Jahr. 2024 wird nämlich zu einem beispiellosen Test für die demokratischen Freiheiten. In mehr als 70 Ländern, die zusammen 40 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen, wird im kommenden Jahr nämlich gewählt. Gut, in Staaten wie Russland, dem Iran oder Venezuela wird das nicht viel ändern. In Europa sieht das allerdings anders aus. Bei den anstehenden Wahlen zum EU-Parlament werden wohl Populisten und Extremisten den Wind in den Segeln haben. Und dann reden wir noch nicht von den USA: Sollte Donald Trump wieder ins Weiße Haus einziehen, dann würde das der Demokratie weltweit einen herben Schlag versetzen. Das kommende Jahr ist tatsächlich Synonym für die "Mutter aller Wahlen".
La Dernière Heure blickt ihrerseits auf die heimische Politik und zieht eine nachdenkliche Bilanz der fortschreitenden Regionalisierung. Nehmen wir als Beispiel die Straßenverkehrsordnung. Der Föderalstaat öffnet jetzt die Tür für eine weitere Autonomie der Regionen in diesem Bereich. Dabei ist die Situation jetzt schon mitunter surrealistisch: In der Wallonie etwa ist die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf Landstraßen nach wie vor 90 km/h, in Flandern darf man demgegenüber nur 70 fahren. In einem kleinen und kompakten Land wie Belgien ist das regelrecht absurd. Hier wird manchmal regionalisiert, um zu regionalisieren. Statt das System zu verbessern, wird es nur noch unlesbarer.
Apropos Straßenverkehr: Het Laatste Nieuws befasst sich mit den neuen Abstandsregeln, die ab 2025 gelten sollen. Demnach muss der Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug mindestens zwei Sekunden betragen. Klar, eine solche Regel kann Leben retten, meint das Blatt. Bei solchen Maßnahmen stellt sich aber immer eine Frage: Wie will man so etwas kontrollieren? "Mithilfe von intelligenten Kameras", hört man dann. Na, das kann ja heiter werden; in vielen Abschnittskontrollen sind die Systeme ja schon jetzt überfordert.
Ob Gen Z oder älter: Arbeitsleben muss neu erfunden werden
Le Soir beschäftigt sich seinerseits mit der so genannten Generation Z. Gemeint sind also Menschen, die zwischen 1994 und 2004 geboren sind. Diese unter-30-Jährigen machen gerade ihre ersten Schritte im Arbeitsleben. Und immer wieder hört man, dass diese Generation so anders sei als ihre Altvorderen. Und tatsächlich: Studien belegen, dass die Arbeit und die berufliche Karriere nicht mehr auf Platz eins in der Prioritätenliste dieser Generation stehen. Mindestens genauso wichtig sind Freizeit und Momente mit Freunden oder Familie. Aber gilt das wirklich nur für die unter-30-Jährigen? Es gibt inzwischen auch unzählige Beispiele von 40- bis 50-Jährigen, die ihren gut bezahlten Job hinschmeißen, um sich einer Tätigkeit zu widmen, die sie wirklich passioniert. Man sollte sich also hüten, Generationen mit Etiketten zu versehen. Aber eins ist sicher: Die Arbeitswelt ist im Umbruch, im Übrigen auch vor dem Hintergrund neuer, revolutionärer Technologien wie der Künstlichen Intelligenz. Eine der großen Herausforderungen wird es sein, unser Arbeitsleben neu zu erfinden.