"Exit Conner", titelt Gazet van Antwerpen. "Der Fall eines politischen Stars", notiert De Standaard auf Seite eins. "Das gab es noch nie in Belgien: Ein Rücktritt wegen Rassismus", so die Schlagzeile von La Dernière Heure.
Conner Rousseau, der Vorsitzende der flämischen Sozialisten von Vooruit, ist zurückgetreten. Er war wegen rassistischer Äußerungen über Roma stark in die Kritik geraten. Nach einer Krisensitzung der Parteispitze verkündete Rousseau gestern Abend seinen sofortigen Rücktritt als Parteivorsitzender von Vooruit.
Het Laaste Nieuws kommentiert: Die belgische Politik verliert ein großes Talent. Darin sind sich Freund und Feind einig. Rousseau ist einer der wenigen Menschen, der mit strategischer Weitsicht eine Partei wieder auf Kurs bringen kann, der charismatisch ist und die Botschaft auch noch gut verkauft. Fast im Alleingang hat er Vooruit wieder zu einer Partei gemacht, die Zukunft hat. In den vier Jahren, in denen er Parteivorsitzender war, gab es keinen politischen Gegner, dem er nicht gewachsen war. Bis er in den vergangenen Wochen seinem eigenen Spiegelbild begegnet ist. Dem war er nicht gewachsen. Seine rassistischen Äußerungen haben Vooruit vor eine Zerreißprobe gestellt. Zum Rücktritt von Rousseau gab es letztlich keine Alternative, behauptet Het Laatste Nieuws.
Ende der Satire
De Tijd bemerkt: Gestern Abend hatte sich endlich auch bei Vooruit die Erkenntnis breit gemacht, dass es so nicht mehr weiter gehen kann. Nach den rassistischen Äußerungen von Rousseau wäre jede Debatte mit dem Vlaams Belang im anstehenden Wahlkampf zur Farce geworden. Es war ja schon jetzt politische Satire, dass Tom Van Grieken als Vorsitzender des Vlaams Belang mit todernster Miene sagen konnte, dass er so einen Rassismus, wie von Rousseau geäußert, völlig unhaltbar findet, notiert De Tijd.
De Standaard hält fest: Jetzt ist der Zauber brutal vorbei, und Vooruit reibt sich die Augen. Alles haben sie ihm zu verdanken, die flämischen Sozialisten. Daran werden sie noch oft denken. Jetzt stehen sie allein da. Und so, wie es gestern Abend gelaufen ist, bleibt die Läuterung aus. Überzeugungen bleiben wankend, der Mut gering, und der Glanz ist weg. Alles ist noch möglich für die Partei, aber ein erfolgreicher Beginn des Wahlkampfs mit einer erfrischenden Debatte zwischen Links und Rechts ist jetzt nicht mehr zu erwarten, konstatiert De Standaard.
Ikarus mit Potenzial
Het Belang Van Limburg meint: Vier Jahre nach seinem Eintritt in die Politik wird der 31-jährige Parteivorsitzende zum neuen Ikarus der Brüsseler Politik. Sein politisches Ende bedeutet das aber nicht. Er selbst hofft auf eine zweite Chance. Und die könnte bald schon kommen. Wenn er als Nummer eins der Sozialisten in Ostflandern ein gutes Ergebnis einfährt, steht einem Comeback nach den nächsten Wahlen nichts mehr im Wege. Dass so etwas durchaus geht, dafür ist Rousseaus Parteigenosse Frank Vandenbroucke das beste Beispiel. 1995 wurde er als frisch-gebackener Minister geteert und gefedert im Zuge der Augusta-Affäre. Aktuell gilt Vandenbroucke als Superminister, der das Land auf Kurs hält, gibt Het Belang Van Limburg zu bedenken.
Aus frankophoner Sicht beobachtet La Libre Belgique: Rousseau war für Vooruit äußerst wichtig. Er war sowohl das Markenzeichen, der Treibstoff und der Schlüssel der Wiederauferstehung der flämischen Sozialisten. Mit seinem Stil, seinem Mut und seinem Charisma hat Rousseau das Image der verstaubten, vor sich hin vegetierenden Partei weggefegt. Für die frankophonen Sozialisten kam Rousseau nach seinen rassistischen Äußerungen als Partner allerdings nicht mehr in Frage. Sollte Vooruit jetzt geschwächt werden, wäre das aber auch schlecht für die PS. Denn dadurch würde die Chance sinken, dass die Sozialisten nach den Wahlen die stärkste politische Familie im Land stellen. Und damit auch den Anspruch erheben könnten, den nächsten Premierminister zu stellen, überlegt La Libre Belgique.
Was wirklich wichtig ist
Ähnliche Gedanken hat Le Soir: Rousseau Premierminister? Diese Möglichkeit wurde jetzt durch die Realität torpediert, durch einen "Rousseau, der Rassist". Seinen Fall hat der ultra-begabte junge Mann selbst verschuldet. Die Ein-Mann-Show, die seine Partei durch ihn geworden war, ist jetzt vorbei. Das sorgt zunächst für ein politisches Beben. Mag aber ganz heilsam sein. Es ist gut zu sehen, dass Werte letztlich für Rousseau und auch seine Partei wichtiger sind als politisches Kalkül, findet Le Soir.
Im Zusammenhang mit dem Skandal um verseuchtes Trinkwasser im Hennegau schreibt L’Echo zur Zukunft der PFAS-Chemikalien, die für die Verseuchung verantwortlich sind: Anders, als oft behauptet wird, gibt es durchaus Fortschritte bei den Bemühungen, PFAS zu verbieten. Diese Ewigkeitschemikalien, die wegen ihrer Schädlichkeit für den Menschen eigentlich nie die Fabrikhallen hätten verlassen dürfen. Aber um das Verbot sinnvoll umzusetzen, müssen Politik und Industrie Hand in Hand arbeiten. PFAS befindet sich nämlich mittlerweile in sehr vielen Gegenständen unseres täglichen Lebens. Der Abschied von PFAS muss geordnet verlaufen. Und das geht eben nur im guten und ehrlichen Zusammenspiel zwischen Politik und Industrie, unterstreicht L’Echo.
Kay Wagner