"Windböen mit Geschwindigkeiten von bis zu 110 Kilometern pro Stunde", titelt Het Nieuwsblad. "Sturm Ciarán – Überall sind Schäden zu befürchten", so die Schlagzeile von La Dernière Heure. "Banges Warten auf Sturm Ciarán", schreibt auch Het Laatste Nieuws auf Seite eins. Das Fazit des GrenzEcho: "Herbststurm Ciarán hat Belgien im Griff".
Seit den frühen Morgenstunden wird der Wind immer stärker. Nachdem Sturm Ciarán schon in Westfrankreich vielerorts Schäden angerichtet hat, fegt er jetzt auch über Belgien. In vielen Städten und Gemeinden wurden Parks oder Friedhöfe geschlossen. Auch die SNCB hat Vorsichtsmaßnahmen ergriffen. Insbesondere in der Provinz Westflandern wurden zahlreiche Züge gestrichen.
"Gaza – eine erste, aber begrenzte Öffnung", so derweil die Schlagzeile auf Seite eins von Le Soir. Über den Grenzübergang Rafah konnten gestern einige Hundert Zivilisten den belagerten Gazastreifen verlassen. Allerdings: "Nur Verletzte und Ausländer konnten dem Bombenregen entkommen", präzisiert De Standaard.
Soldaten in den Straßen… aber nicht in Belgien
Der Konflikt hat natürlich auch Auswirkungen weit über den Nahen Osten. "Die Antwerpener Juden sind das Opfer von Einschüchterungen und auch körperlicher Gewalt", notiert De Tijd auf Seite eins. "Der Antisemitismus nimmt zu, sowohl physisch als auch verbal", titelt auch De Morgen. Het Laatste Nieuws setzt eine Zahl drauf: "Fünfmal mehr Meldungen von antisemitischen Übergriffen", so die Schlagzeile.
Vor diesem Hintergrund fordert der Antwerpener Bürgermeister Bart De Wever den Einsatz von Soldaten in den Straßen der Scheldestadt zum Schutz der jüdischen Gemeinschaft. Gazet van Antwerpen gibt De Wever in ihrem Leitartikel Recht und schließt sich dem Appell an. Mit jedem Tag, den der Nahost-Konflikt länger dauert, nimmt die Zahl der antisemitischen Übergriffe zu. Und doch bekommt Antwerpen keinerlei föderale Unterstützung, um die jüdische Gemeinschaft besser zu schützen. Dabei zählt die rund 20.000 Menschen und ist im Stadtbild auch durchaus sichtbar.
In anderen Ländern mit ähnlich großen jüdischen Gemeinschaften werden die Sicherheitsvorkehrungen verschärft. In Frankreich etwa werden wieder Soldaten in den Straßen eingesetzt. Warum also nicht auch bei uns? Soldaten würden der jüdischen Gemeinschaft ein Gefühl der Sicherheit geben in diesen unsicheren Zeiten.
Nicht vergessen: Furchtbare Bilder gibt es auf beiden Seiten
Die Angst vor Gewalt, gar vor einer neuen Terrorwelle im Westen, ist gerechtfertigt, glaubt auch De Morgen. Der Krieg schürt Rachegefühle. Und insbesondere jüdische Mitbürger müssen jetzt um jeden Preis geschützt werden. Schuld daran ist aber auch die israelische Regierung. Die sollte doch eigentlich wissen, dass man eine Terrororganisation nicht auslöschen kann, indem man einfache Bürger mit dafür büßen lässt. Mit jedem unschuldigen Opfer werden die Terroristen nur stärker. Blinde Rache wirkt kontraproduktiv. Und auch die westlichen Demokratien, die ja zum größten Teil Israel unterstützen, müssen einsehen, dass die indirekte Billigung dieser Gewalt auch ihre eigenen Bürger in Gefahr bringt.
Dieser Krieg produziert täglich furchtbare Bilder, beklagt auch Het Laatste Nieuws. Und das auf beiden Seiten. Der Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober war ein unfassbar barbarischer Akt. Doch auch im Gaza-Streifen sehen wir täglich schreckliches menschliches Leid. Beide Seiten haben sich in ihren jeweiligen Positionen eingemauert. Bei so vielen unschuldigen Toten dürfen wir nicht in Zynismus oder gar Defaitismus verfallen.
Desinformation, Manipulation und Propaganda bekämpfen
In diesem Krieg gibt es aber auch noch ein weiteres Opfer zu beklagen, denn hier wird auch die Informationsfreiheit ermordet, kritisiert La Libre Belgique. Nach Angaben der Organisation Reporter ohne Grenzen sind schon 34 Journalisten in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit getötet worden. Insgesamt ist es für Medienschaffende schwierig bis unmöglich, über den Krieg zu berichten. Es gibt auch Meldungen, wonach das Material von 50 Medienanstalten, die in der Region aktiv sind, gezielt und systematisch zerstört wurden. Die Welt ist also jetzt quasi ausschließlich der einseitigen Berichterstattung beziehungsweise den Propaganda-Videos der beiden Kriegsparteien ausgeliefert. Der Desinformation und der Manipulation werden damit Tür und Tor geöffnet.
L'Avenir sieht das genauso. Nicht umsonst hat Reporter ohne Grenzen Klage eingereicht vor dem Internationalen Strafgerichtshof wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen. Die Organisation wirft beiden Seiten Verstöße gegen die Informationsfreiheit vor. Dabei zeigen doch Vorfälle wie die verheerende Explosion auf dem Gelände eines Krankenhauses im Gaza-Streifen, wie wichtig unabhängige Berichterstattung ist. Mehr denn je müssen wir Desinformation und Propaganda bekämpfen.
Ein Konflikt jagt den nächsten
Bei alledem vergisst man fast schon den Krieg in der Ukraine, bemerkt De Standaard. So zynisch es klingt: Seit dem 7. Oktober ist die Ukraine auf der internationalen Prioritätenliste nicht mehr auf Platz eins. Durch den Konflikt im Nahen Osten geht damit auch der Krieg in der Ukraine in eine neue Phase. Wladimir Putin wird's wohl nicht bedauern. Frage ist jetzt, ob es dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gelingen wird, das Feuer am Brennen zu halten. Es besteht die Gefahr, dass er mit seinem permanenten Plädoyer für zusätzliche Waffenlieferungen seinen westlichen Unterstützern am Ende auf die Nerven geht.
"Wie soll man bei alledem noch optimistisch bleiben?", fragt sich nachdenklich La Dernière Heure. Krieg in der Ukraine, Krieg im Nahen Osten, Terroranschläge in Brüssel und im französischen Arras, nach wie vor steigende Lebensmittelpreise, die Liste ist lang. Viel zu lang. Bei alledem soll man am Ende den Kopf nicht in den Sand stecken…? Was wir versuchen können, das ist in unserer eigenen kleinen Welt ein bisschen zum Frieden beizusteuern. Indem wir etwa unseren Kindern gegenüber immer wieder betonen, dass Gewalt keine Lösung ist; indem wir etwas Freude in unseren Alltag bringen, durch kleine positive Farbtupfer wie zum Beispiel Lichterketten. So etwas wie ein verfrühtes Weihnachten, um den alltäglichen Horror ein wenig zu vergessen.
Roger Pint