"Von der Karte gefegt", titelt De Standaard zu einem ganzseitigen Vorher-Nachher-Satellitenbild aus dem von Israel bombardierten Gazastreifen. "'50 Geiseln bei israelischem Raketenangriff getötet'", bringt Het Nieuwsblad eine Behauptung der Hamas in Zitatform. "Die EU verlangt humanitäre Korridore" berichtet Le Soir vom gerade stattfindenden EU-Gipfel in Brüssel. "Die 27 Mitgliedsstaaten fordern 'humanitäre Korridore und Pausen' in Gaza", greift das auch L'Echo auf. "Premier: 'Israel muss humanitäre Hilfe zulassen'", meldet das GrenzEcho zur belgischen Position.
Es steht außer Frage, dass die israelische Bodenoffensive in den Gazastreifen kommen wird, hält Gazet van Antwerpen in ihrem Leitartikel fest. Je blutiger sie wird, desto heftiger werden die Reaktionen aus der arabischen Welt ausfallen. Und desto größer wird die Gefahr neuer Anschläge von Extremisten in Westeuropa werden. Die Gräueltaten der Hamas haben eine Spirale der Gewalt in Gang gesetzt und es wird immer schwieriger, noch vernünftig über den Konflikt zu sprechen, der Schock und die Trauer über die bestialischen Taten der Hamas sitzen tief. Aber wie lang und wie hart wird Israel noch Vergeltung üben können? Wie viel Leid kann es der palästinensischen Bevölkerung noch antun, um die Hamas auszurotten? Und wie weit wird die Welt diesen Konflikt ausufern lassen? In der Vergangenheit ist es Außenstehenden gelungen, die Lunte am Pulverfass zumindest zeitweise wieder zu löschen, aber heute ist die Situation polarisierter denn je. Die entscheidende Frage ist jetzt, wer nicht vom Hass verblendet ist und den Mut hat, über Frieden zu sprechen. Das wäre eine mögliche Rolle für die Europäische Union, aber die hat bisher alles andere als Eindruck gemacht, kritisiert Gazet van Antwerpen.
Nicht aufgeben
Nahostkonflikt, die politische Lage in den Vereinigten Staaten, all die Toten und Konflikte, die Putin auf dem Gewissen hat, überall Hass, Gewalt und Erniedrigungen, stöhnt Le Soir in seinem Kommentar. Da kann man sich schon die Frage stellen, ob der Mensch einfach grundsätzlich schlecht ist und das Böse immer wiederkehrt, um alles Erreichte zu zerstören, ob die Menschheit einfach unfähig ist, aus der Vergangenheit zu lernen. Aber dennoch gibt es Frauen und Männer, die weiter handeln, die unbeirrt ihre Hände ausstrecken und Verbindungen statt Gräben schaffen wollen. Nicht aufgeben, Schritt für Schritt vorangehen, das muss das Motto bleiben, wie ein glücklicher Sisyphos, philosophiert Le Soir.
La Dernière Heure blickt derweil auf das innenpolitische Geschehen der letzten Wochen: Nach dem jüngsten Anschlag hat die Vivaldi-Regierung gewankt, aus der Opposition ist sogar der Rücktritt der kompletten Exekutive von Premierminister Alexander De Croo gefordert worden. Nach dem Rücktritt von Justizminister Van Quickenborne wurde auch der Druck auf Innenministerin Verlinden immer größer. Aber ihre Partei, die CD&V, war nicht bereit, das Innenministerium aufzugeben. Wenn Verlinden gehen müsse, dann werde die ganze Regierung fallen, so die Botschaft der CD&V an die Koalitionspartner. Dazu ist es glücklicherweise nicht gekommen, auch, weil ja noch über den Haushalt für das nächste Jahr abgestimmt werden muss, wie uns ein Abgeordneter anvertraut hat, so La Dernière Heure.
Flüge und Züge
La Libre Belgique befasst sich mit den Flugreisen von Ministern: Das ist ein sensibles und kontroverses Thema, nicht zuletzt, weil ja bald Wahlen anstehen. Wir wollen auch nicht demagogisch werden, natürlich sind manche Flüge sinnvoll oder notwendig. Aber dennoch muss man festhalten, dass das ökologische Gewissen bei einer Mehrheit unserer Minister nicht sehr ausgeprägt scheint. Und noch etwas: In puncto administrativer Transparenz ist noch viel Luft nach oben. Da diese Flüge von Steuergeldern bezahlt werden, müssen sie auch gerechtfertigt werden können – was nicht immer der Fall ist, beklagt La Libre Belgique.
De Tijd beschäftigt sich mit der Streikankündigung der Bahngewerkschaften: Auslöser sind technische Neuerungen, die den Zugbegleitern Vorbereitungszeit ersparen, weswegen die SNCB besagte Vorbereitungszeit verkürzen will. Die Gewerkschaften betrachten das aber als Vorwand, um eine Produktivitätserhöhung zu erzwingen, und wollen erst Beweise, dass die Neuerungen zu einer effektiven Zeitersparnis führen. Dabei ist technologischer Fortschritt doch der einfachste und plausibelste Weg, um tatsächlich produktiver zu werden in Belgien und so den Wohlstand zu sichern. Aber dazu muss eben auch die Bereitschaft vorhanden sein, Neuerungen zu akzeptieren und auf sie zu setzen. Entsprechend groß ist unser Unverständnis über diesen Streik, unterstreicht die Wirtschaftszeitung.
Möglicher Schlüsselmoment
Nach den Herbstferien wird der Untersuchungsausschuss des föderalen Parlaments seine Arbeit zum sexuellen Missbrauch in der Kirche aufnehmen, erinnert Het Laatste Nieuws. Das könnte ein echter Schlüsselmoment werden für den Kampf gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern. Seit der Ausstrahlung der VRT-Dokumentationsreihe "Godvergeten" bekommen die Mauern des Schweigens gerade in Flandern immer mehr Risse, selbst bekannte Persönlichkeiten wie Ex-Justizminister Van Quickenborne oder Moderatoren sind nun bereit darüber zu sprechen, was sie zum Beispiel in der Schule erlebt haben. Dafür bekommen sie in den Sozialen Medien viel Unterstützung, werden aber auch angegriffen. Das beweist, dass es noch immer Tabus gibt im Zusammenhang mit bestimmten Formen des Missbrauchs, dass manche Menschen Opfer noch immer diffamieren als Memmen oder Wichtigtuer. Dabei kann jede Aussage von Zeitzeugen wertvoll sein, selbst von Promis und wenn es nicht um schwersten Missbrauch geht. Denn das illustriert, wie weitverbreitet Missbrauch ist in unserer Gesellschaft, wie vielfältige Formen er annehmen kann und dass es alle treffen kann. Auch deswegen wird die Arbeit des Untersuchungsausschusses für sehr viele Menschen wichtig sein, ist Het Laatste Nieuws überzeugt.
Boris Schmidt