"Der Raketeneinschlag, der die arabische Welt in Brand steckt", titelt L'Avenir. "Explosion bei Klinik in Gaza sorgt für Wut", schreibt das GrenzEcho auf Seite eins. "Wer verursachte die Tragödie im Krankenhaus von Gaza?", fragt sich De Standaard.
Bei einem Raketeneinschlag auf dem Gelände einer Klinik im Gazastreifen sind möglicherweise Hunderte Menschen ums Leben gekommen. Überall in der arabischen Welt sind Menschen auf die Straße gegangen, um ihre Wut über die Tragödie zum Ausdruck zu bringen. Auch in westlichen Großstädten gab es Protestkundgebungen. Israel und die Palästinenser machen sich gegenseitig für den Raketeneinschlag verantwortlich. La Libre Belgique spricht aber auf Seite eins schon von einem möglichen "Wendepunkt des Krieges".
"Israel darf sich nicht alles erlauben"
"Ändert diese Tragödie wirklich alles?", fragt sich auch sinngemäß L'Avenir in seinem Leitartikel. Nach dem Raketeneinschlag wurde jedenfalls ein neuer Krieg entfacht, diesmal ist es ein Krieg um die Wahrheit. Und der ist von entscheidender Bedeutung. Hier geht es nämlich um die Wahrnehmung des Konflikts auf der Weltbühne. Denn während die USA sich hinter den israelischen Standpunkt stellen und den Islamischen Dschihad für den Raketeneinschlag verantwortlich macht, reagieren die EU und China wesentlich zurückhaltender. Doch selbst wenn am Ende der Beweis für die Verantwortung des Islamischen Dschihads erbracht würde, ist fraglich, ob das die öffentliche Meinung in der arabischen Welt wirklich überzeugen kann.
Die israelische Strategie ist ohnehin zum Scheitern verurteilt, glaubt ihrerseits Gazet van Antwerpen. Die israelische Armee will in den Gazastreifen einfallen und die Hamas liquidieren. Das kann nicht funktionieren. Im Gegenteil: Eine Bodenoffensive wird nur noch mehr Tote, mehr Hass und einen noch fruchtbareren Nährboden für Terrorismus zur Folge haben. Immerhin mehren sich insbesondere im Westen die Stimmen, die Israel zur Zurückhaltung mahnen. Denn das Recht auf Selbstverteidigung bedeutet immer noch nicht, dass man sich alles erlauben darf.
"Israel in der Falle?"
Denn selbst im Krieg gibt es Regeln, betont auch Le Soir. Und auch Israel hat sich an dieses Kriegsvölkerrecht zu halten. Die Belagerung des Gazastreifens, die die Bevölkerung von der Stromversorgung und von Nahrungsmittellieferungen abschneidet, ist ein Verstoß gegen internationales Recht. Darauf hinzuweisen bedeutet nicht, dass man für eine Seite Partei ergreift. Hier geht es nur darum, noch Schlimmeres zu verhindern – im Namen des Rechts.
La Libre Belgique sieht Israel denn auch in der Falle. Und es ist ein perfider Hinterhalt. Die Hamas will Israel zu einer Überreaktion provozieren. Und das hätte Auswirkungen nicht nur auf den Nahen Osten, sondern auf die ganze Welt. Und insbesondere im Westen fürchtet man eben ein solches Szenario. Die aktuelle Belagerung des Gazastreifens ist nicht zu rechtfertigen und moralisch gesehen inakzeptabel.
Brüsseler Anschlag: Abschiebepolitik im Fokus
Zweites großes Thema sind aber auch heute die Nachwehen des Brüsseler Anschlags von Montagabend. Auf vielen Titelseiten sieht man heute Fotos der beiden schwedischen Fußballfans, die bei dem Attentat ums Leben kamen: der 60-Jährige Patrick und der 70-jährige Kent. "Die Opfer bekommen ein Gesicht", schreibt denn auch Gazet van Antwerpen auf Seite eins.
Bei der politischen Aufarbeitung ist derweil die Asyl- und Migrationspolitik in den Fokus gerückt. In Belgien leben 112.000 Menschen ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung, stellt etwa Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel fest. Das ist eine gigantisch große Gruppe. Und das ist zumindest ein Teil der Erklärung, warum ein radikalisierter Terrorist jahrelang unter dem Radar bleiben konnte. Das Problem ist seit Langem bekannt, aber in der Regel schauen alle weg. Nur sporadisch poppt das Thema auf, etwa wenn am Brüsseler Südbahnhof die Missstände allzu sichtbar werden.
Als Lösung wird dann gerne eine verschärfte Abschiebepolitik ins Feld geführt, bemerkt Het Laatste Nieuws. Das ist aber leichter gesagt als getan. Oftmals scheitert nämlich eine Ausweisung an der Weigerung vieler Länder, ihre Staatsbürger wieder aufzunehmen. Selbst Theo Francken, einer der lautesten Kritiker der Regierung, ist in seiner Zeit als Asylstaatssekretär an eben diese Grenzen gestoßen.
"Patentlösungen gibt es nicht"
Wer sich jetzt angesichts von hunderttausend Illegalen in Belgien überrascht gibt, der kennt seine Dossiers nicht, ist De Morgen überzeugt. Das Problem gibt es schon seit Jahrzehnten. Und das bedeutet quasi im Umkehrschluss, dass es hier keine einfachen Lösungen gibt. Und es ist politisch äußerst riskant, das Gegenteil zu behaupten. Denn auch morgen werden Abschiebungen nach Afghanistan unmöglich sein. Auch morgen noch werden Länder wie Tunesien sich querlegen. Und auch morgen noch ist es eine Illusion zu glauben, dass man alle abgewiesene Asylbewerber einfach einsperren kann. Wer die Sicherheit der Bürger wirklich verbessern will, ,sollte sich denn auch mit anderen Problemen beschäftigen, insbesondere der Frage, warum der Staat den Handel mit schweren Waffen nach wie vor nicht unter Kontrolle bekommt.
Und doch dürfte die Migrationspolitik, und in ihrem Fahrwasser die Sicherheit der Bürger, am Ende zum zentralen Wahlkampfthema werden, glaubt Het Belang van Limburg. Und das spielt natürlich in erster Linie dem rechtsextremen Vlaams Belang in die Karten. Jeder weiß, dass es da keine Patentlösung gibt. Das wird den Vlaams Belang aber nicht davon abhalten, genau das zu behaupten. Die Föderalregierung sollte denn auch die belgische EU-Ratspräsidentschaft dazu nutzen, einen EU-Migrationspakt zu forcieren, der diesen Namen auch verdient.
Roger Pint