"Terrorismus: Todesschütze von Polizei liquidiert – Einzeltäter für Mordanschlag verantwortlich", schreibt das GrenzEcho. "Der Täter ist ausgeschaltet, aber die Fragen bleiben", titelt De Morgen. "Attentat von Brüssel: Der Mörder ist durch alle Maschen geschlüpft", schreibt Le Soir. "Drei Mal hätte er aufgehalten werden können", so die Überschrift von Het Nieuwsblad. "Kampf gegen den Terrorismus – ein neues Versagen", urteilt La Libre Belgique auf Seite eins. "Die Vivaldi sieht den Anschlag als Schwungrad für eine strengere Rückkehrpolitik", ergänzt De Standaard.
Es scheint sich nach bisherigen Erkenntnissen um einen Einzeltäter gehandelt zu haben, fasst De Morgen in seinem Leitartikel zusammen, es scheint also kein neues Terrornetzwerk zu geben. Das ist aber nur zum Teil eine ermutigende Nachricht, denn das illustriert auch, dass der "Do-it-yourself"-Terrorismus ein Problem bleibt, das den Sicherheitsbehörden zu Recht Sorgen bereitet. Es ist natürlich sehr schwierig, eine freie, offene Gesellschaft gegen Terror zu schützen. Aber die schmerzhafte Wahrheit ist auch, dass bei unseren Behörden noch viel Luft nach oben ist. Dass der Mann trotz seines Profils nicht auf dem Radar des Antiterrorstabs aufgetaucht ist, die ganze Asyl- und Rückkehrpolitik, die Frage, wo sich der Täter eine Kriegswaffe besorgen konnte – all das sind strukturelle Probleme, betont De Morgen.
Einsame Wölfe oder Wolfsmeute?
Wie lange soll die Gefahr noch heruntergespielt werden, die der radikale Islamismus für uns westliche Länder darstellt?, fragt La Libre Belgique. Die zahlreichen Anschläge, gerade in Belgien, beweisen, dass das Problem real ist, dass diese mörderische Ideologie den gesellschaftlichen Zusammenhalt wirklich bedroht. Wieder und wieder werden wir mit Geschichten über "Lone Wolves", also allein agierende Einzeltäter, eingelullt. Aber versteckt sich hinter all diesen "einsamen Wölfen" nicht vielleicht doch eine ganze Wolfsmeute? Indem man nicht zugeben will, wie viele Radikalisierte es eigentlich gibt, untergräbt man den Kampf gegen sie und gibt dem Extremismus noch Nahrung. Wer nicht gegen Fundamentalismus vorgeht, überlässt den Terroristen freiwillig das Feld, wettert La Libre Belgique.
Zwei Tage nach dem islamistischen Attentat am Sainctelette-Platz in Brüssel werden die Bürger von einem wahren Tornado an Fragen weggefegt, kommentiert La Dernière Heure. Diese Fragen werden auch beantwortet werden müssen. Aber die Belgier erwarten mehr als nur wieder Kerzen, solidarische Gefühle und Blumen. Sie erwarten Taten. Angesichts dieser Soldaten einer mörderischen Doktrin muss hart durchgegriffen werden, fordert La Dernière Heure.
Platter Opportunismus
In unserer schnelllebigen Gesellschaft müssen Ermittlungen und gut recherchierte Antworten oft das Feld räumen für Voreingenommenheit und unnuancierte Aussagen, beklagt Het Belang van Limburg. Auf dem Kurznachrichtendienst "X" stolpern N-VA und Vlaams Belang geradezu übereinander bei ihren Versuchen, die zu lasche Rückkehrpolitik der Föderalregierung niederzumachen. "Untergehen oder zurückschlagen", poltert Tom Van Grieken. "Alle Radikalisierten zusammentreiben, Staatsangehörigkeit entziehen, rausschmeißen oder wegsperren", will Alex Ronse von der N-VA das noch toppen. Ob Ronse dabei wohl vergessen hat, dass sein Parteikollege und flämischer Ministerpräsident Jan Jambon 2016 während den Anschlägen föderaler Innenminister war?
In einem Land, in dem laut Schätzungen 150.000 Menschen illegal leben und pro Jahr 25.000 Personen ausgewiesen werden, beweist derartig billige Rhetorik eher platten Opportunismus als Realitätssinn. Es ist ekelerregend, wenn Politiker unmittelbar versuchen, aus Terroranschlägen Kapital zu schlagen, giftet Het Belang van Limburg.
Die Ermittlungen haben kaum begonnen, da wird schon Rechenschaft verlangt, schreibt L'Avenir. Manche Politiker werden das Versagen der Schutzmechanismen anprangern, andere werden wieder das Banner der Sicherheit schwingen und eine widerliche Minderheit wird versuchen, die Angst und den Hass in der Bevölkerung anzufachen. Sie werden Profit daraus schlagen, Gemeinschaften gegeneinander aufzuhetzen. Dabei ist Zusammenleben doch das unverzichtbare Fundament unserer Gesellschaft. Ja, es müssen Fragen gestellt werden; ja, es müssen Lehren gezogen und Schwachstellen beseitigt werden. Aber ein Null-Risiko wird es trotzdem nie geben. Und jeder von uns sollte auch bei sich selbst die Wachsamkeit erhöhen, damit wir nicht in den dunklen Abgrund menschlichen Verhaltens stolpern, der Gräben aushebt, anstatt Brücken zu bauen. Auch die politisch Verantwortlichen müssen ihren Teil dazu beitragen – egal ob nun Wahlkampf ist oder nicht, appelliert L'Avenir.
Angst, Bedrohungen und Terrorismus sind furchtbare Zutaten für die Politik, meint Le Soir. Denn für die Machthabenden sind es Zutaten, die nur sehr schwer, um nicht zu sagen gar nicht zu meistern sind. Nationalisten und Extremisten haben hingegen nicht die geringste Scham, Terror zu instrumentalisieren, indem sie die Ängste der Wähler befeuern, warnt Le Soir.
Intoleranz gegen Intoleranz
Wir müssen drei Lehren aus diesem Drama ziehen, so L'Echo: Erstens muss umfassend geklärt werden, wie es zu dem Anschlag kommen konnte und wer welche Verantwortung dafür trägt. Zweitens muss ganz deutlich festgehalten und ausgesprochen werden, dass wir einfach in einer gefährlichen Welt leben, in der Terrorismus noch lange eine Gefahr darstellen wird. Das beinhaltet auch, entschlossen gegen diese Gefahr und die dahinter stehenden Ideologien vorzugehen und auch die dafür notwendigen Mittel bereitzustellen – ohne dabei zu Opfern von Psychosen zu werden. Drittens müssen wir auch resolut unsere Werte verteidigen, unsere Demokratie und unsere Meinungsfreiheit. Dazu ist Grundlagenarbeit vor Ort notwendig, auch und gerade in den Schulen.
Wir dürfen Hass nicht mit Hass beantworten, denn genau darauf setzen die Extremisten. Ja, Gefühle haben ist legitim, aber wir dürfen nicht alles in einen Topf werfen. Wir dürfen nicht den Islam oder die Einwanderung mit Terrorismus gleichsetzen, wir dürfen die widerlichen Äußerungen in den Sozialen Netzwerken nicht füttern, wir dürfen die Gesellschaft nicht noch stärker polarisieren. Kurz gesagt: Wir müssen intolerant sein gegenüber der Intoleranz, wünscht sich L'Echo.
Boris Schmidt