"Gazastreifen ohne Strom und Wasser", meldet Het Laatste Nieuws. "Gaza bereitet sich auf Bodenoffensive vor", so der Aufmacher von De Morgen. "Notstandsregierung in Israel – Bodenoffensive im Gazastreifen immer wahrscheinlicher", liest man auf Seite eins des GrenzEchos.
Es scheint immer mehr nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis israelische Bodentruppen in den Gazastreifen einrücken werden, um dort einen blutigen Straßenkampf zu führen, schreibt Gazet van Antwerpen. Wenn die israelische Armee die Terrorgruppe Hamas militärisch neutralisieren will, hat sie aber keine andere Wahl, denn die meisten Hamas-Kämpfer verstecken sich mit ihren Waffen und Raketenfabriken in unterirdischen Gängen im Gazastreifen. Aber dennoch wird Israel aufpassen müssen, sich nicht in den eigenen Fuß zu schießen. Es sollte sich zum Beispiel überlegen, was es eigentlich will: einen zeitlich begrenzten Einmarsch oder eine tatsächliche Übernahme des Gazastreifens? Und was soll danach passieren? So ein dicht besiedeltes, unruhiges Gebiet mit zwei Millionen Menschen unter Kontrolle zu behalten, ist alles andere als einfach. Die internationale Gemeinschaft muss wieder lernen, was sie verlernt hat: Statt mit Waffen muss wieder mit Worten gesprochen werden, fordert Gazet van Antwerpen.
Das Geisel-Dilemma der israelischen Regierung
Le Soir scheint in die gleiche Kerbe zu schlagen: Wer wird es auf sich nehmen, zu versuchen, ein kleines Licht am Ende des Tunnels zu entzünden? Wer wird die Verantwortung für diese gewaltige Mission akzeptieren, um den Frieden zurückzubringen und zu sichern – nicht nur in Nahost, sondern auch in der Ukraine? Wer wird gegen diesen Hass kämpfen, der alles überrannt hat?, fragt sich Le Soir.
Im politischen Westen stellt man sich "unverrückbar" an die Seite Israels, hält das GrenzEcho fest. Das mag Staatsräson sein, fraglich ist aber, ob Staatsräson rechtfertigen kann, dass man vor dem längst angelaufenen Pogrom an den fast zwei Millionen Menschen im Gazastreifen, den manche eh als das größte Gefängnis unter dem Himmel bezeichnen, die Augen verschließen darf. Statt Netanjahus Rachefeldzug mit allen erdenklichen Mitteln zu stoppen und an Oslo anzuknüpfen, appelliert das GrenzEcho.
De Standaard befasst sich mit dem Schicksal der über hundert israelischen Geiseln, die die Hamas bei ihren Angriffen verschleppt hat: In der jüngeren Geschichte ist das Vorgehen der Hamas vom Maßstab her nur mit dem der Terrorgruppe IS vergleichbar. Die israelische Regierung steht damit vor einem unmöglichen Dilemma: Es wird keinem Kommando gelingen, die Geiseln ohne hohe Opferzahlen zu befreien, denn zweifelsohne hat die Hamas sie überall im Gazastreifen versteckt. Bleibt also eigentlich nur Verhandeln. 2011 hat Netanjahu für einen israelischen Soldaten über tausend Palästinenser freigelassen. Darunter auch viele Kämpfer und den Anführer der Hamas, die den Kampf gegen Israel unmittelbar wiederaufgenommen haben. So einen Preis wird die israelische Regierung wohl nicht wieder bezahlen wollen. Und wie viel Verhandlungsspielraum gibt es überhaupt mit einer Organisation, die keine Zivilisten verschont und selbst die eigene Bevölkerung als Schutzschild missbraucht?, erinnert De Standaard.
Vage Versprechen
Das zweite große Thema in den Leitartikeln ist der Besuch des ukrainischen Präsidenten in Brüssel beziehungsweise die Frage der Lieferung belgischer F-16-Kampfflugzeuge an die Ukraine: Ohne echten Konsens innerhalb seiner Regierung hat Premierminister Alexander De Croo der Ukraine zwei bis vier F-16-Maschinen zugesagt, die das Land so dringend braucht, um seine Gegenoffensive gegen die russischen Invasoren zu unterstützen, resümiert La Dernière Heure. Allerdings sollen diese Kampfflugzeuge erst 2025 geliefert werden. Außerdem hat sich De Croo im Namen einer kommenden Regierung engagiert, die er wahrscheinlich nicht mehr leiten wird. Das Ganze auch nur unter der Bedingung, dass Belgien bis dahin seine F-16 durch die modernen F-35 ersetzt hat. Das ist ein ganzer Haufen Vorbedingungen, man muss quasi von Unterstützung auf Kredit sprechen. Vor allem, wenn man sich die chronischen Probleme vor Augen hält, die Belgien mit dem Einhalten von Fristen hat, giftet La Dernière Heure.
Wenn die Ukrainer nach den nächsten Wahlen 500 Tage warten müssen, bis es eine neue belgische Regierung gibt, dann werden die F-16 länger am belgischen Boden bleiben als nur bis Mitte 2025, warnt L'Avenir. Die F-16 mögen zwar in der Lage sein, schneller als Mach 2 zu fliegen, aber bis sie in Kiew landen werden, wird es in jedem Fall noch dauern.
Die Zusagen von De Croo sind vor allem für den innenpolitischen Gebrauch gedacht, kommentiert Het Nieuwsblad. Ob den Ukrainern damit effektiv viel geholfen ist, ist eine ganz andere Frage. Selenskyj fordert vom Westen vor allem Luftabwehrsysteme, um sein Land gegen die russischen Angriffe zu schützen. Das belgische Militär ist allerdings so gnadenlos unterfinanziert, dass in dieser Hinsicht kurzfristig nichts zu holen ist – was wir hatten, haben wir schon lange gegeben.
Europa schützen heißt der Ukraine helfen
Die Zeit spielt gegen die Ukraine, unterstreicht Het Laatste Nieuws: In der westlichen Einigkeit gegen Putin zeigen sich Risse – Polen will keine Waffen mehr liefern, in der Slowakei regiert jetzt ein pro-russischer Premier, über Ungarn und Orbáns Verhalten müssen wir gar nicht mehr reden, in den Vereinigten Staaten wird erbittert über die Unterstützung der Ukraine gestritten. Und jetzt zieht auch noch Israel die Aufmerksamkeit auf sich, vor allem die der USA.
Die Unterstützung für die Ukraine darf nicht nachlassen, betont L'Echo. Denn die Folge wäre ein dramatisches Erstarken Russlands auf dem europäischen Kontinent. Das höchst aggressive Putin-Regime bedroht unsere Freiheiten, unsere Werte und unsere Wirtschaften. Deswegen bleibt die fortdauernde Unterstützung der Ukraine von fundamentaler Bedeutung, an der auch die Rückkehr des Kriegs in den Nahen Osten nichts ändern darf, so L'Echo.
Boris Schmidt