"Air Belgium stellt seine Passagierflüge ein und beantragt Gläubigerschutz", titelt L'Echo. "Und das alles, um seine Flotte zu retten", fügt Le Soir hinzu. "Air Belgium, der Thronfolger der Sabena wankt", so die Schlagzeile von De Tijd.
Air Belgium wurde erst 2016 gegründet, 2018 wurde der erste kommerzielle Flug durchgeführt. Die Passagiersparte war aber nie wirklich in Gang gekommen. Jetzt hat man sich also entschlossen, nur noch auf die zwei Bereiche zu setzen, die wirklich rentabel sind, nämlich die Cargo-Sparte und den Bereich Flugzeugleasing. "Aber 20.000 Kunden, die schon Flugtickets gekauft hatten, stehen erst mal im Regen", beklagt sinngemäß La Libre Belgique auf Seite eins.
Staatsgelder für Risikounternehmungen?
"Air Belgium verschafft der öffentlichen Hand einen vorhersehbaren Kater", kritisiert De Tijd in einem bissigen Kommentar. Niky Terzakis, der Gründer von Air Belgium, wusste sehr genau, wie er sich die Unterstützung von Regierungen sichern konnte: Man muss nur eine Fluggesellschaft gründen, bei der das Wort "Belgique/België/Belgium" im Firmennamen auftaucht. Damit suggeriert man dann gleich, dass da eine neue belgische Airline aus der Taufe gehoben werden soll. Und in einem Land, in dem das Sabena-Trauma nach wie vor tief sitzt, funktioniert das offensichtlich. Der Föderalstaat und auch die Wallonische Region beteiligten sich jedenfalls am Kapital der neuen Gesellschaft. Dabei war von Anfang an klar, dass es die neue Airline sehr schwer haben würde. Und tatsächlich: Die Passagiersparte hat niemals wirklich abgehoben. Resultat: Gestern musste Air Belgium Gläubigerschutz beantragen. Erst die Sabena, dann Brussels Airlines und jetzt also Air Belgium. Die öffentliche Hand ist inzwischen drei Mal über denselben Stein gestolpert. So dumm kann man doch eigentlich nicht sein.
"Ist es die Rolle des Staates, sich an Risikounternehmungen wie Air Belgium zu beteiligen?", fragt sich auch L'Echo. Zumal es sich hier noch nicht mal um irgendeine revolutionäre Zukunftstechnologie handelte, sondern um eine Fluggesellschaft, die noch dazu in einem äußerst komplexen Marktumfeld agieren musste. In einem Land, in dem der Name "Sabena" immer noch weh tut, dürften wohl auch Emotionen eine Rolle gespielt haben. Sollte das Experiment Air Belgium am Ende gänzlich scheitern, dann wäre das Geld der Steuerzahler jedenfalls schlecht angelegt.
Gazet van Antwerpen macht ihrerseits mit einer – auf den ersten Blick – guten Neuigkeit auf: "Das Ende des Sozialkonflikts bei Delhaize ist in Sicht". De Standaard ist präziser: "Nach monatelangem Streit versucht Delhaize, sich den sozialen Frieden zu erkaufen", notiert das Blatt auf Seite eins. "Und dafür legt Delhaize 40 Millionen Euro auf den Tisch", fügt Het Laatste Nieuws sinngemäß hinzu. Diese 40 Millionen sollen an das Personal verteilt werden: Knapp 3.800 Euro für jeden, der freiwillig zu einem selbstständigen Franchisenehmer wechselt. Frage ist jetzt, ob sich die Gewerkschaften beziehungsweise die Beschäftigten auf diese Deal einlassen werden. Das Fazit jedenfalls von Het Nieuwsblad: "Delhaize versucht, mit Prämien den Durchbruch zu forcieren".
Hilfsangebote statt Kampagnen
Viele Zeitungen beschäftigen sich auch mit den neuesten Zahlen des föderalen Gesundheitsministeriums zum Gebrauch von Psychopharmaka: "Jeder vierte Belgier wirft Beruhigungs- oder Schlafmittel ein", bringt L’Avenir die Quintessenz auf den Punkt. Der föderale Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke lanciert jetzt eine Kampagne, mit der Gesundheitsprofis dazu ermuntert werden sollen, bei der Verschreibung solcher Präparate umsichtiger vorzugehen.
Im Grunde wird das Problem hier von der falschen Seite angepackt, glaubt Het Nieuwsblad. Denn man darf doch annehmen, dass niemand seinem Patienten gerne Psychopharmaka verschreibt. Dass das dennoch zugegebenermaßen zu oft passiert, das hat damit zu tun, dass es keine wirklichen Alternativen gibt. Die Wartelisten für psychologische Betreuung sind zu lang, die Behandlung zu teuer. Die verschriebenen Pillchen sind da oft nur ein letzter Rettungsanker. Statt Geld in Sensibilisierungskampagnen zu stecken, sollte man vielmehr alles daran setzen, dass Menschen mit psychischen Problemen schneller professionelle Hilfe bekommen.
Illusorischer Pragmatismus
Einige Blätter blicken schließlich besorgt nach Lampedusa. Auf der italienischen Mittelmeerinsel kommen aktuell wieder außergewöhnlich viele Flüchtlinge an und droht die Situation wieder außer Kontrolle zu geraten. Abgesehen von der Betroffenheit über die menschlichen Dramen, die sich dort abspielen, überwiegt bei vielen Beobachtern derzeit ein Gefühl von "Déjà-vu", meint nachdenklich Le Soir. Man fühlt sich an 2015 erinnert, als sich auf Lampedusa beinahe exakt die gleichen Szenen abspielten. Und damals wie heute scheint das Ganze alle Welt auf dem falschen Fuß zu erwischen. Dabei war das alles vorhersehbar. Es ist wie bei der Kassandra aus der griechischen Mythologie: Sie hatte die Gabe der Weissagung, wurde aber vom Gott Apollo verflucht, so dass ihr niemand glaubte. Konkret: Jeder weiß um die Folgen des Klimawandels oder die Verschärfung der Migrationskrise, aber man verschließt wissentlich die Augen.
Die EU belügt sich selbst, meint auch La Libre Belgique. Auf dem alten Kontinent glaubt man immer noch an die Mär der "Festung Europa", also dass man nur genügend Grenzschützer einsetzen muss, um Flüchtlinge fernzuhalten. Oder man schließt Abkommen mit zweifelhaften Regimen, die dann ihrerseits die Rolle des Gendarmen übernehmen. Nicht nur, dass Europa damit seine Werte über Bord schmeißt, man macht sich zudem erpressbar. Und doch hält die EU an diesem illusorischen Pragmatismus fest. Das wohl nur um zu vergessen, dass man in erster Linie eine gemeinsame Asylpolitik braucht, die es erlauben würde, die Flüchtlingsproblematik sozusagen intern zu lösen. Ein nach wie vor dramatischer Mangel an Vision - und der Preis dafür ist zu hoch.
Roger Pint