"Die Tränen von Marokko", titelt Le Soir. "Marokko trauert", so die Schlagzeile von De Standaard und Gazet van Antwerpen. "Die Erde bebt, Marokko trauert", schreibt auch Het Belang van Limburg. "Komplette Verwüstung", beklagt Het Nieuwsblad auf Seite eins.
Marokko wurde am späten Freitagabend von einem Erdbeben der Stärke 6,8 erschüttert, das schlimmste seit Jahrzehnten. Die Rede ist von mehr als 2.100 Toten, aber das ist wohl nur eine provisorische Zahl, denn die Helfer haben viele betroffene Ortschaften noch gar nicht erreichen können. "Warten auf Hilfe", titelt denn auch Het Laatste Nieuws. "Und jetzt ist es ein Wettlauf gegen die Zeit", schreibt La Libre Belgique auf Seite eins. "Nach der Verwüstung, jetzt die Solidarität", so aber die Schlagzeile von L'Avenir. Denn viele marokkanisch-stämmige Menschen in Belgien haben keinen Moment gezögert, um eine große Hilfsaktion in Gang zu setzen. "Belgier und Marokkaner sind vereint in der Tragödie", schreibt denn auch La Dernière Heure.
Große Beteiligung an der Hilfe für Marokko
"Helfen, helfen und nochmals helfen", fordert Gazet van Antwerpen in ihrem Leitartikel. In Marokko wurden innerhalb von nur wenigen Sekunden hunderttausende Menschen ins Elend gestürzt. Das Einzige, was die internationale Gemeinschaft jetzt tun kann: Sie muss die Betroffenen mit allen Mitteln unterstützen. Natürlich sorgt die Katastrophe auch in Belgien für große Betroffenheit, Angst und Solidarität, besonders innerhalb der marokkanischen Diaspora. Da ist eine enorme Mobilisierung zu beobachten. Insbesondere in Brüssel beteiligen sich auch die Behörden an dieser Solidarität. Und das ist gut so.
La Dernière Heure sieht das genauso. Die belgo-marokkanische Gemeinschaft in Belgien hat keine Sekunde gezögert. Geld- und Sachspenden werden eingesammelt, und das, insbesondere in Brüssel, mit Unterstützung der Kommunalbehörden. Parallel dazu hat Belgien die Entsendung seiner Katastrophen-Einsatzgruppe B-Fast angeboten. Spontane Solidarität, also, ohne großes Palaver. Und das zeigt, dass Belgien nicht nur ein Gastgeber ist für Menschen aus Marokko, sondern vor allem ein Bruderland.
Spontane Hilfe, fast schon mit sinnstiftendem Charakter
Die Hilfe, die jetzt für das marokkanische Erdbebengebiet in Gang kommt, die ist dafür aber auch nicht außergewöhnlich oder einmalig, präzisiert Le Soir. Auch andere Katastrophen wie das verheerende Erdbeben in der Türkei oder die Überschwemmungen in Italien haben hierzulande für eine große Welle der Solidarität gesorgt. Marokko kommt also nicht in den Genuss einer Sonderbehandlung, wobei natürlich auch klar ist, dass in einem Land mit einer so großen marokkanisch-stämmigen Gemeinschaft die Betroffenheit noch einmal besonders groß ist. Die spontane Hilfe, die jetzt von der marokkanischen Diaspora, zusammen und mit Unterstützung der Behörden organisiert wird, lässt alle noch einmal näher zusammenrücken. Und das hat für die marokkanische Gemeinschaft fast schon sinnstiftenden Charakter.
Auf vielen Titelseiten sieht man heute aber auch Fotos von der EU-Abgeordneten Marie Arena. Der Name der PS-Politikerin wird ja immer wieder in der Katargate-Affäre genannt. "Jetzt bricht Arena ihr Schweigen", notieren Le Soir und La Dernière Heure auf Seite eins. "Ich habe nichts, rein gar nichts mit der EU-Korruptionsaffäre zu tun", sagt Arena auf Seite eins von La Libre Belgique. Allerdings: Die Ermittler hatten beim Sohn von Marie Arena große Mengen an Bargeld sichergestellt. Dementi von Arena auf Seite eins von L'Avenir: Mit dem Geld, das bei ihrem Sohn gefunden wurde, habe sie nichts zu tun.
Parteichefs bei Spielshow: rein wahlstrategisches Kalkül
In Flandern sorgt auch der Auftritt des CD&V-Vorsitzenden Sammy Mahdi im Privatsender VTM weiter für Diskussionsstoff. Mahdi präsentierte sich nämlich in der Spielshow als lupenreine Dragqueen, inklusive Latexbody, Netzstrümpfe und Plateauschuhe.
Dieser Auftritt wäre uns besser erspart geblieben, meint De Morgen in seinem Leitartikel. Politiker haben in solchen Unterhaltungsprogramme nichts verloren. Die Argumentation, wonach sich Politiker "doch auch mal amüsieren dürfen", die ist glatter Unsinn. Denn dahinter verbirgt sich immer wahlstrategisches Kalkül. Die Rue de la Loi ist keine Kirmes und auch kein Lunapark. Wenn Politiker auf Fernsehbühnen singen oder tanzen, dann tun sie damit der Ernsthaftigkeit, die mit ihrem Amt verbunden sein sollte, regelrecht Gewalt an. Und wer behauptet, dass sie keine andere Wahl mehr haben, dass sie mitmachen müssen in diesem von Dummheit und Selbsterniedrigung geprägten Kasperletheater, der irrt sich gewaltig. Es steht viel auf dem Spiel, insbesondere angesichts des Vormarsches der Rechtsextremisten. Deswegen: Ernsthaft bleiben bitte. Tanzende Parteivorsitzende sind nur für Fernsehmacher ein Segen, nicht für die Demokratie.
Het Laatste Nieuws stellt sich die Frage, wie wohl Jean-Luc Dehaene auf die Geschichte reagiert hätte. Sammy Mahdi ist ja der Vorsitzende der Partei, von der Dehaene jahrzehntelang das Aushängeschild war. Nehmen wir also mal an, Jean-Luc Dehaene wäre auf wundersamerweise wieder unter uns. "Premier, wir haben ein Haushaltsdefizit von 30 Milliarden Euro", würde man ihm beim ersten Briefing sagen. Sofort würde der Altmeister damit beginnen, einen großen Sanierungsplan auszuarbeiten. "Premier, das muss warten – wir müssen jetzt erstmal schauen, welches Kostüm sie bei der Fernsehshow tragen werden. Conner Rousseau ist als Kaninchen gegangen, Bart De Wever als Pandabär". Dehaene würde da wohl ungehalten: "Haben wir echt keine anderen Sorgen?". "Doch doch! Frage ist, ob Sie als blonde Dragqueen auftreten oder als rothaarige?". Dehaene selbst hatte ja zu Lebzeiten auch schon festgestellt, dass er offensichtlich ein Politiker des vorigen Jahrhunderts sei.
Roger Pint