"Die Inflation jagt die Mietpreise nach oben", titelt Het Belang van Limburg. "Der Höhenflug der Kreditzinsen sorgt für einen Sturmlauf auf den Mietmarkt", schreibt L'Echo auf Seite eins. Und das wiederum habe steigende Mietpreise zur Folge. Le Soir liefert im Innenteil nähere Einzelheiten. In Brüssel beläuft sich demnach die Durchschnittsmiete inzwischen auf knapp 1.200 Euro. Das entspricht einem Anstieg um 3,3 Prozent.
Viele Leitartikler beschäftigen sich derweil mit den jüngsten Wetterkapriolen. Belgien erlebt aktuell eine Hitzewelle, was im September noch nie dagewesen ist. Weltweit häufen sich die Wetterextreme. Besonders schlimm trifft es gerade wieder Griechenland: Nach einem viel zu heißen Sommer mit verheerenden Waldbränden wird das Land jetzt von katastrophalen Überschwemmungen heimgesucht.
Klima: Dringender Handlungsbedarf
"Die schnelle Klimaveränderung ist irgendwie nicht fair", meint De Standaard in seinem Leitartikel. Die Monate Juni, Juli, August waren die wärmsten aller Zeiten. Und der September beginnt jetzt mit einer Hitzewelle. In diesem Sommer hat das Klima einen Riesensprung gemacht. Überall sind Rekorde gepurzelt, wurden gar mitunter pulverisiert. Und das fühlt sich tatsächlich irgendwie ungerecht an. Denn parallel dazu scheint die Welt doch gerade aufgewacht zu sein, werden die Energiewende und die Senkung von CO2-Emissionen unter Hochdruck vorangetrieben. Politisch betrachtet dürften jetzt heikle Zeiten anbrechen: Denn je näher der Kampf gegen fossile Energieträger an den Alltag der Bürger heranrückt, desto mehr Protest regt sich. Die Polemik in Deutschland um den angeblichen Heizhammer ist da ein beängstigendes Beispiel. Zu viele Klimaschutzregeln machen dem Populismus das Bettchen, warnte schon die Präsidentin des EU-Parlaments. Angesichts der jüngsten Wetterereignisse dürfte aber klar sein, dass wir keine Zeit mehr zu verlieren haben.
Es gibt dringenden Handlungsbedarf, doch kommt die Welt nach wie vor nicht in die Gänge, beklagt Le Soir. Denn man muss der Realität ins Auge sehen: Unsere Regierungen, unsere Unternehmen und auch die Bürger tun zu wenig, um die CO2-Emissionen zu senken. Das wird jedenfalls nicht reichen, um die fatalen Auswirkungen der globalen Klimaerwärmung einzudämmen. Viele Augen richten sich jetzt auf den G20-Gipfel, der an diesem Wochenende in Neu-Dehli stattfindet. Man hat aber nicht wirklich den Eindruck, dass ein Ruck durch die Weltgemeinschaft geht.
Der 30-Milliarden-Euro-Hammer
De Tijd beschäftigt sich in ihrem Kommentar mit der Haushaltslage in Belgien. Das Planbüro hat am vergangenen Donnerstag doch alarmierende Prognosen veröffentlicht: Demnach steigt das Haushaltsdefizit im kommenden Jahr auf fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes, das entspricht einem Fehlbetrag von stolzen 30 Milliarden Euro. Schuld ist nicht nur die föderale Ebene, auch die Teilstaaten leiden unter der spürbaren Abkühlung der Wirtschaft. Und es kann nur schlimmer kommen. Denn Deutschland steckt in einer Rezession. Und wenn es in Berlin regnet, dann tröpfelt es in Brüssel. Auch andere Warnleuchten beginnen zu blinken. Dank der automatischen Indexanpassung sind die Löhne in Belgien rasant gestiegen. Zählt man alle Lohnerhöhungen zusammen, dann kommt man auf ein Plus von 26 Prozent innerhalb der letzten vier Jahre. Gut für die Kaufkraft, problematisch für die Wettbewerbsfähigkeit. Bei alledem würde man doch erwarten, dass die Regierung entschlossen reagiert und Dringlichkeitsmaßnahmen ergreift. Aber was sehen wir? Eine Ausschusssitzung, in der es um Pinkelgesten und Luftgitarren geht.
Sammy im orangen Latex-Body
Auf vielen flämischen Titelseiten sieht man heute aber auch ein erstaunliches Foto: ein Bild des CD&V-Vorsitzenden Sammy Mahdi als knallorange Dragqueen. Das volle Programm: Latex-Body, Netzstrümpfe und Plateauschuhe. In diesem Outfit ist der Chef der flämischen Christdemokraten in einer Spielshow unter dem Künstlernamen Cindy Envy im Privatsender VTM aufgetreten. "So haben Sie Sammy Mahdi noch nie gesehen", schreibt denn auch Het Nieuwsblad auf Seite eins.
"Das schadet nicht meiner Glaubwürdigkeit", sagt der CD&V-Präsident aber auf Seite eins von Het Laatste Nieuws. Die Zeitungen sind davon nicht ganz überzeugt. Sammy Mahdi reiht sich in eine lange Liste von Politikern ein, die schon in Unterhaltungsshows aufgetreten sind, manchmal in den tollsten Verkleidungen, meint Het Nieuwsblad: Bart De Wever in einer bekannten Quizsendung, Connor Rousseau in einem Häschenkostüm in The Masked Singer, Georges-Louis Bouchez in dem Programm Special Forces, in dem er in einem Bootcamp sein Macho-Image pflegen konnte. Und jetzt also Sammy Mahdi als Travestie-Künstler. Im Grunde torpediert er damit die Arbeit seiner Parteikollegen. Denn allen voran der CD&V-Finanzminister Vincent Van Peteghem hatte sich doch gerade erst durch Geradlinigkeit ausgezeichnet, in dem er sich zum Schutzpatron der kleinen Sparer gemacht hatte. Diese gerade Linie zieht der Parteivorsitzende jetzt wieder krumm.
Jetzt ist also Sammy Mahdi als perfekte Dragqueen, inklusive Glitter und High Heels, durch ein Fernsehstudio gelaufen, meint auch nachdenklich Het Belang van Limburg. Wenn sich die Show auch als eine Befreiung für Dragqueens und die gesamte LGBTQ-Gemeinschaft versteht, so wird dieser Auftritt doch in erster Linie in die Geschichtsbücher eingehen als nächste Stufe in der Trivialisierung der Politik. Natürlich ist Sammy Mahdi nicht der erste Politiker, der in einer Fernsehshow sein Image aufpolieren will. Dennoch muss man feststellen, dass Inhalte definitiv in den Hintergrund rücken. Statt Ideologie sehen wir jetzt Politik-Influencer. Prinzipiell ist es kein Problem, wenn sich ein Politiker inszeniert als Kollege, Nachbar, Elternteil oder selbst als Kaninchen oder Dragqueen. Mensch zu sein, das ist erlaubt. Problematisch wird es, wenn das am Ende die einzige Art und Weise ist, um noch das Interesse der Wähler zu wecken. Wenn Sammy Mahdi schon als Dragqueen auftritt, dann muss sich das auch in seinem politischen Handeln widerspiegeln. Ansonsten ist das nur ein PR-Coup und damit eine Ode an sich selbst.
Roger Pint