"Nochmal eben Hochsommer", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins und präzisiert: "32 Grad, jeweils heute, morgen und am Sonntag".
"Hitzewelle in Belgien – nach einem Sommer voller Wetterextreme", titelt De Morgen. Eine Hitzewelle im September ist höchst ungewöhnlich. Mit den "Wetterextremen", ist aber vor allem Südeuropa gemeint. Besonders sichtbar ist das in Griechenland: erst extreme Temperaturen und beispiellose Waldbrände, und jetzt Regenfälle und Überschwemmungen, wie man sie noch nie gesehen hat.
Der Klimakollaps
Begriffe wie "extrem", "beispiellos" oder "Rekord" klingen inzwischen doch ziemlich hohl, meint De Morgen in seinem Leitartikel. UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat seinerseits auch nochmal seine verbalen Boxhandschuhe angezogen, als er eindringlich warnte: "Der Klimakollaps hat begonnen." Fakt ist: Die vergangenen drei Monate waren weltweit die wärmsten, die jemals gemessen wurden. Und die Folgen waren dramatisch: katastrophale Waldbrände in Kanada, auf den Kanaren, in Hawaii und auch in Griechenland.
Die kanadischen Zahlen sprechen Bände: Dort sind 15 Millionen Hektar Wald in Rauch aufgegangen. Das entspricht beinahe fünf Mal der Fläche von Belgien. 290 Millionen Tonnen CO2 sind dabei freigekommen, mehr als die Hälfte der jährlichen kanadischen Emissionen.
Zugegeben: Die Energiewende geht schneller voran, als so mancher es vielleicht erwartet hätte. Doch ist da ein Elefant im Raum: Auch die fossile Energieindustrie verdient sich gerade wieder eine goldene Nase. Schlimmer noch: Laut IWF flossen im vergangenen Jahr 13 Billionen Dollar an Subventionen in fossile Energieträger. Das sind 13 Millionen Dollar pro Minute. Man stelle sich vor, dieses Geld würde in den Klimaschutz fließen...
Nur eine von sieben Bel20-Topmanagern ist eine Frau!
"Eine Frauenquote für die Direktionsräte von börsennotierten Unternehmen liegt auf dem Tisch", so derweil die Aufmachergeschichte der beiden Wirtschaftszeiten L'Echo und De Tijd. Geht es nach der föderalen Staatssekretärin für Chancen- und Geschlechtergleichheit Marie-Colline Leroy, dann müssen die Bel20-Direktionsräte künftig zu einem Drittel aus Frauen bestehen.
Über diesen Vorschlag lässt sich reden, findet De Tijd. Die zugrundeliegende Feststellung ist nämlich die: Im Augenblick ist nur eine von sieben Topmanagern im börsennotierten Belgien eine Frau. Eine von sieben! Diese Zahl ist unverständlich niedrig. Dazu nur so viel: Die Unternehmen schneiden sich da ins eigene Fleisch, weil sie ein enormes Potenzial schlicht und einfach offensichtlich liegenlassen.
Die Einführung einer Frauenquote ist im vorliegenden Fall aber nicht so einfach. Im Gegensatz zu Aufsichtsratsposten sind die Profile in Direktionsräten wesentlich spezifischer. Hierauf Einfluss nehmen zu wollen, verstößt fast schon gegen die unternehmerische Freiheit. Aber man darf doch hoffentlich davon ausgehen, dass gerade in großen Bel20-Unternehmen ausreichend Talent vorhanden ist und eben auch ausreichend weibliches Talent.
Viele Zeitungen beschäftigen sich aber auch mit der "peinlichsten Ausschusssitzung aller Zeiten", wie es Het Laatste Nieuws auf seiner Titelseite formuliert. "Der Pinkelvorfall: Eine groteske Affäre, die Van Quickenborne dazu zwingt, sich in der Kammer zu entschuldigen", so auch die giftige Schlagzeile von La Libre Belgique. Justizminister Vincent Van Quickenborne musste gestern im Justizausschuss der Kammer zu dem sogenannten Pinkelvorfall Stellung nehmen, der sich auf einer Geburtstagsparty in der Privatvilla von Van Quickenborne ereignet hatte. Drei seiner Gäste hatten an ein geparktes Polizeifahrzeug gepinkelt.
Van Quickenbornes Entschuldigung reicht nicht
"Wie konnte es so weit kommen?", fragt sich Gazet van Antwerpen fast schon resigniert in ihrem Leitartikel. Wie sind wir in einer Situation gelandet, in der ein Minister in einem Kammerausschuss auf die Frage antworten muss, ob er nun eine Pinkelgeste gemacht oder nur Luftgitarre gespielt hat. Gut: Die Frage stand im Raum, ob der Minister gelogen hat, und in einem solchen Fall muss er vor dem Parlament Rechenschaft ablegen. Aber, ums mal so auszudrücken: Ein Hochamt der Demokratie war das gestern beileibe nicht. Der Justizminister mag sich brav entschuldigt haben für das Verhalten seiner Gäste; er mag auch alle offenen Fragen ausgeräumt haben; Schaden hat er trotzdem angerichtet. Dies vor allem mit Blick auf den Respekt der Bürger vor ihren Politikern.
Der Justizminister mag seine Haut gerettet haben. Wobei es interessant wäre, zu wissen, wie wohl Sarah Schlitz, Hadja Lahbib oder Petra De Sutter über die Vorfälle denken, meint nachdenklich das GrenzEcho. Nicht etwa, weil ihnen vorgeworfen würde, ihr Geschäft unkontrolliert in der Öffentlichkeit verrichtet zu haben. Vielmehr sind die drei Frauen Paradebeispiele dafür, wie Spitzenpolitiker aufgrund von unpräzisen oder unwahren Aussagen in Bedrängnis geraten können. Wie dem auch sei: Gesellschaftliche Relevanz erhält die "Pinkelaffäre" vor dem Hintergrund, dass das Verhältnis zwischen den Polizeibehörden und dem Justizminister seit einiger Zeit belastet ist. Diese Geschichte hat das Ganze nur verschlimmert. Da kann man nur hoffen, dass bald endlich wieder die dringenden Probleme in den Vordergrund rücken.
La Libre Belgique sieht das genauso: So pathetisch diese Geschichte auch sein mag, so wirft sie doch ein Schlaglicht auf das enorm gestörte Verhältnis zwischen der Justiz und der Polizei. Dabei ist es doch von tragender Bedeutung, dass alle Akteure hier wirklich eng zusammenarbeiten, man denke nur an den Kampf gegen die Drogenkriminalität. Van Quickenborne sollte das am besten wissen, wird er doch eben von dieser Drogenmafia physisch bedroht. Das Kommunikationsdefizit zwischen Polizei und Justiz ist eines der großen Probleme im belgischen Sicherheitsapparat. Vincent Van Quickenborne hat leider nichts zur Lösung dieses Problems beigetragen. Dass er sich gestern ausgiebig und fast schon demütig bei der Polizei entschuldigt hat, das reicht nicht.
Roger Pint