"Große Chance auf Hitzewelle", titelt Het Laatste Nieuws. "Die wärmsten drei Monate in der 120.000-jährigen Menschheitsgeschichte, schreibt sogar Gazet van Antwerpen.
Gestern war der wärmste 6. September seit Beginn der Aufzeichnungen. Laut Meteorologen ist es sehr wahrscheinlich, dass das nur der Auftakt einer Hitzewelle war, die bis zum kommenden Montag andauern könnte. Eine Hitzewelle im September ist sehr ungewöhnlich. Das passt aber gewissermaßen ins Bild: Die Monate Juni bis August waren qua Durchschnittstemperatur die wärmsten, die je gemessen wurden. Das geht aus Analysen des EU-Klimawandeldienstes Copernicus hervor. 2023 könnte demnach das wärmste Jahr in der Geschichte der Menschheit werden.
Ein deutliches Mandat für eine wirkliche, strategische Vision
Auf vielen Titelseiten sieht man heute auch Fotos von Chris Peeters. Gemeint ist nicht der frühere CD&V-Vize-Premier, sondern der derzeitige Geschäftsführer des Hochspannungsnetzbetreibers Elia. "Chris Peeters verlässt Elia und übernimmt das Ruder bei Bpost", so die Schlagzeile von L'Echo. "Chris Peeters: Neuer Chef von Bpost", schreibt auch De Tijd und fügt hinzu: "Erste Aufgabe – Schutt wegräumen". Bpost war ja in den letzten Monaten wegen diverser Skandale ins Zwielicht geraten.
"Was für eine bemerkenswerte Entscheidung von Chris Peeters!", wundert sich fast schon De Tijd in ihrem Leitartikel. Nach acht Jahren an der Spitze des Hochspannungsnetzbetreibers Elia hat sich der 56-Jährige jetzt dazu entschieden, zu einem Unternehmen zu wechseln, das buchstäblich unter Hochspannung steht. Bpost schleppt sich seit Ende vergangenen Jahres von einer Krise zur nächsten. Die halbe Chefetage wurde schon vor die Tür gesetzt. Es ging ja unter anderem um mutmaßliche Kartellabsprachen im Zusammenhang mit der Verteilung von Zeitungen.
Aber auch abgesehen von diesen internen Problemen gibt es für Bpost schon Herausforderungen zuhauf: Die klassische Briefzustellung verschwindet zusehends, im enorm umkämpften Paketmarkt hinkt der Staatsbetrieb hinterher, und die Postaktie fristet an der Börse ein Mauerblümchendasein. Wird Chris Peeters all das richten können? Nun, der Mann hat immerhin schonmal beeindruckende Referenzen. Seine Leistungen an der Spitze von Elia sind unbestritten. Entscheidend wird sein, wie viel Spielraum die Politik dem neuen Postchef geben wird. Peeters braucht ein deutliches, unzweifelhaftes Mandat, um eine wirkliche, strategische Vision für die Post entwickeln zu können.
Affäre um Conner Rousseau – Medienkritik nicht immer begründet
Einige Leitartikler kommen auch zurück auf die Affäre um den Vooruit-Vorsitzenden Conner Rousseau. Vor einigen Monaten war bekannt geworden, dass die Justiz gegen den flämischen Sozialistenchef ermittelte, und zwar wegen mutmaßlicher sexueller Übergriffe. Diese Ermittlungen wurden inzwischen eingestellt, weil sie sich offensichtlich als gegenstandslos erwiesen haben.
Diese Affäre sollte die Medienwelt in ihrer Gesamtheit mal zum Nachdenken bewegen, glaubt Gazet van Antwerpen. Beispiel: Die Meldung, wonach der Fall Rousseau zu den Akten gelegt wird, stand lediglich auf den Titelseiten zweier Zeitungen. Im Juni war das ganz anders: Da stand die vermeintliche Affäre Rousseau in buchstäblich allen Blättern, die das Ganze manchmal sogar auf mehreren Seiten ausbreiteten. Aus heutiger Sicht muss man sich fragen, ob das so vertretbar war. Zu schweigen, das war damals keine Option. Denn die Tatsache, dass die Justiz tatsächlich Vorwürfe gegen Rousseau untersuchte, die war schon durchgesickert, in sozialen Netzwerken brodelte die Gerüchteküche. Nichtsdestotrotz: Den Medien muss klar sein, wie sehr ihre Berichterstattung Menschen im Misskredit bringen kann.
De Morgen findet die Berichterstattung über die vermeintliche Affäre Rousseau auch aus heutiger Sicht gerechtfertigt. Was hätten die Medien denn machen sollen? Die sozialen Netzwerke schienen seinerzeit geradezu überzukochen. Es ist nun mal so, dass die traditionellen Medien ihr Nachrichtenmonopol verloren haben. Es gibt heute eben auch andere Kanäle, in denen Leute Nachrichten verbreiten können, die vielleicht nicht immer den gebotenen Standards genügen. Fakt ist jedenfalls: Wenn die klassischen Medien darüber nicht berichten, dann setzen sie sich den Verdacht der Desinformation aus, dann werden sie quasi sofort beschuldigt, die Sache unter den Teppich kehren zu wollen. In einer solchen Situation ist es immer besser, die Geschichte aufzugreifen, um zu versuchen, die überprüfbaren Fakten von der reinen Spekulation zu trennen. Medienkritik kann heilsam sein, sie ist aber nicht immer begründet.
Ein klassischer Fall von politischer Über-Empörung
Einige Leitartikler beschäftigen sich auch nochmal mit der so genannten "Pinkel-Affäre" um den föderalen Justizminister Vincent Van Quickenborne. Belgien war ja schon als das Mutterland des Surrealismus bekannt, aber hier stellen wir sogar René Magritte in den Schatten, frotzelt Het Belang van Limburg in seinem Kommentar. Jetzt muss sich also der zuständige Kammerausschuss mit dem Verhalten einiger Partygäste beschäftigen, die zusammen mit dem Open-VLD-Politiker dessen Geburtstag gefeiert hatten. Zugegeben: An ein Polizeifahrzeug zu pinkeln, das ist respektlos. Zumal, wenn der Gastgeber durch eben diese Polizei geschützt wird. Aber muss man deswegen gleich ein solches Fass aufmachen? Es sind vor allem die Polizeigewerkschaften, die den Skalp des Justizministers wollen. Aber glauben die ernsthaft, dass eine Pinkelaffäre letztlich die Reform der für die Ordnungsdienste geltenden Pensionsregelungen verhindern wird?
Wir sehen hier einen klassischen Fall von politischer Über-Empörung, glaubt auch L'Echo. Die Geschichte um den Pinkelvorfall bei der Geburtstagsparty des Justizministers hatte für gewisse Leute etwas von Popcornkino. Die Opposition witterte schon ihre Chance. Natürlich ist die ganze Sache bedauerlich, aber eine Staatsaffäre ist sie ganz bestimmt nicht. Statt der leider viel zu üblichen politischen Spielchen erwarten wir von der Politik jetzt vielmehr klare Richtungsentscheidungen. Der Staatshaushalt, die Asylkrise, die nötigen Arbeitsmarktreformen: All das darf nicht durch das pubertäre Verhalten Einzelner in den Schatten gestellt werden.
Roger Pint