"Der Staatsbon überschreitet die Schwelle von 20 Milliarden Euro", schreibt Het Laatste Nieuws in riesigen Buchstaben auf Seite eins. "Es ist das erste Mal, dass so viel Geld in einem Mal von den Sparbüchern verschwindet", titelt De Tijd. "Ein Meisterstück", lobt Le Soir, wobei das ein Zitat des früheren Premierministers Yves Leterme ist.
Allerdings bewerten nicht alle Zeitungen die Operation rundweg positiv: "20 Milliarden für den Staatsbon, und doch ist das nur ein halber Sieg", so die Schlagzeile von De Morgen. L'Echo wird konkreter: "Der Staatsbon hat es nicht geschafft, die Konkurrenz unter den Banken wieder zu befeuern", schreibt die Wirtschaftszeitung. Genau das war aber das ausdrückliche Ziel der Regierung. Man wollte die Banken dazu bringen, ihre Sparzinsen zu erhöhen.
Durchwachsenes Ergebnis der Staatsbons
Man muss denn auch mindestens eine gemischte Bilanz ziehen, meint De Tijd in ihrem Leitartikel. Der Enthusiasmus rund um den Staatsbon ist doch etwas übertrieben. Zunächst einmal kann man nur feststellen, dass die Regierung ihr eigentliches Ziel verfehlt: Die Banken scheinen sich nach wie vor nicht zu bewegen. Hinzu kommt, dass sich die Operation als ein Bumerang erweisen könnte, und zwar gleichermaßen für die Kunden und für den Staat.
Die Kunden müssen damit rechnen, dass die Banken gewisse Kosten anheben werden, um das Abfließen der Spareinlagen zu kompensieren. Und der Staat darf nicht vergessen, dass er besagte 20 Milliarden schon in einem Jahr zurückzahlen, und sich dabei wohl zu teureren Konditionen refinanzieren muss. Die hier anfallenden Mehrkosten werden dann einfach geräuschlos auf alle Steuerzahler verteilt. Fazit also: Unterm Strich ist es ein durchwachsenes Ergebnis. Eine gute Prise Frust wurde aus dem Volksventil abgelassen, aber netto bringt uns das wenig.
Asylpolitik – Scheinbare Lösungen und neue Probleme
Einige Zeitungen beschäftigen sich weiter mit der Asylpolitik. Die zuständige föderale Staatssekretärin Nicole de Moor hatte ja vor einigen Tagen angekündigt, dass alleinstehenden, männlichen Asylbewerbern keine Flüchtlingsunterkunft mehr zugewiesen werde. "De Moor macht die Probleme in der Brüsseler Innenstadt nur noch schlimmer", beklagt der Brüsseler Ministerpräsident Rudi Vervoort unter anderem in den Zeitungen De Standaard und La Dernière Heure.
Einige Leitartikler geben Vervoort aber Recht. In den letzten Tagen und Wochen sorgte die prekäre Situation insbesondere in und um den Brüsseler Südbahnhof immer wieder für Schlagzeilen. Reagiert hat man darauf zuletzt mit zwei großangelegten Polizeiaktionen. "Hoffentlich war das mehr als nur ein für die Medien inszeniertes Spektakel", meint La Dernière Heure. Wobei: Quasi zeitgleich hat Asylstaatssekretärin Nicole de Moor angekündigt, dass männliche Asylbewerber ab jetzt de facto auf der Straße landen werden. Und was werden die wohl machen? Sie werden sich unter anderem in und um die Bahnhöfe konzentrieren. Auf der einen Seite werden also scheinbar Probleme gelöst, um auf der anderen Seite gleich wieder neue zu schaffen.
Kalkuliertes Chaos?
Aber vielleicht ist das sogar im Sinne der Erfinderin, mutmaßt De Standaard in seinem Kommentar. Die katastrophalen Verhältnisse in und um die Brüsseler Bahnhöfe sorgen nämlich inzwischen auch in der internationalen Presse für dicke Schlagzeilen. Quintessenz: In der belgischen Asylpolitik geht es drunter und drüber. Für das Land ist das zwar wenig schmeichelhaft, aber solche Presseberichte spielen zweifelsohne der Staatssekretärin in die Karten.
Nicole de Moor weiß sehr wohl, dass ihre Amtszeit nicht an der Frage gemessen werden dürfte, ob sie wirklich allen Asylbewerbern eine Unterkunft organisieren konnte; viele Wähler erwarten eigentlich nur von ihr, dass sie den Zustrom eindämmt. Horrorgeschichten über katastrophale Zustände in Brüssel passen der Staatssekretärin da womöglich gut in den Kram.
Schulbeginn – "Neuer Start, alte Qualen"
Die flämischen Zeitungen haben heute aber eigentlich nur Augen für den Schulanfang, der in Flandern, genau wie in Ostbelgien immer noch auf den 1. September fällt. "1,2 Millionen Kinder und Jugendliche müssen wieder zur Schule", titelt denn auch Gazet van Antwerpen. Thema Nummer eins ist aber schon seit Tagen der auch in Flandern akute Lehrermangel.
"Neuer Start, alte Qualen", meint denn auch nachdenklich Het Nieuwsblad. Im Grunde fängt das neue Schuljahr an wie das vergangene. Die Probleme sind im Großen und Ganzen dieselben. Schlimmer noch: Sie werden mit jedem Jahr akuter. Wenn am Ende schon das Reinigungspersonal einspringen muss, damit die Lage nicht vollkommen entgleist, dann sind wir weit gekommen.
Nicht in Weltuntergangsstimmung verfallen!
Die akuten Probleme, mit denen das flämische Unterrichtswesen aktuell zu kämpfen hat, machen aus diesem 1. September ein noch größeres Abenteuer als in den letzten Jahren, konstatiert auch Gazet van Antwerpen. Direktoren und Lehrer stehen vor Herausforderungen, die viele von uns wohl gar nicht erst angehen würden. Wobei: Diese Kritik erfolgt manchmal auch irgendwie fast schon reflexartig. Positive Entwicklungen finden nur selten einen Platz in den Medien.
De Morgen sieht das genauso. Allzu häufig haben wir nur Augen für die Dinge, die nicht funktionieren. Man wagt es ja kaum, das zu schreiben, aber im flämischen Unterrichtswesen laufen immer noch sehr viele Dinge wirklich gut. Man kann jedenfalls nicht behaupten, dass das ganze System kurz vor dem Abgrund steht. Natürlich ist der Weg noch lang, der Pfad noch steil, man sollte aber auch nicht gleich in Weltuntergangsstimmung verfallen.
Het Laatste Nieuws stimmt seinerseits sogar eine Ode an die Lehrkräfte an. Jeder von uns wird sich an eine Lehrerin oder einen Lehrer erinnern, die einen maßgeblich geprägt haben. Eine Lehrperson, die ein Interesse geweckt, die ein Talent gefördert, die einen Berufswunsch hat aufkeimen lassen. Deswegen, liebe Lehrkräfte: Wir brauchen euch! Jetzt und auch in den kommenden Jahren. Um unseren Kindern und Jugendlichen auf ihrem Lebensweg zur Seite zu stehen. Viel Glück und viel Energie dafür!
Roger Pint