"Ermittlungen wegen Kinderpornografie: Moderator Sven Pichal unter Beschuss", titelt das GrenzEcho. "Pichal auch verdächtigt, Missbrauchsbilder verbreitet zu haben", so unter anderem Het Nieuwsblad und Gazet van Antwerpen. "Außer Pichal gibt es noch mindestens fünf weitere Verdächtige", meldet Het Laatste Nieuws.
Dass Sven Pichal festgenommen worden ist, weil er verdächtigt wird, kinderpornografische Bilder besessen und verbreitet zu haben, ist wie ein Schlag in den Magen, schreibt Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Nicht nur für seine Kollegen, sondern für viele Flamen. Auch wegen seiner Verbraucherschutzprogramme hat der populäre Moderator als Person gegolten, der man vertrauen kann. Als Pflegevater hat er Zwillingen ein neues Zuhause gegeben, er ist eine Galionsfigur der LGBTQIA+-Gemeinschaft gewesen, er ist gegen Mobbing aktiv gewesen. All diese Gruppen und Anliegen fühlen nun diesen Schlag in den Magen.
Noch sind die Details unklar, aber die Justiz steckt Menschen nicht ins Gefängnis, wenn nicht bestimmte Kriterien erfüllt sind. Es wäre aber viel zu einfach, Pädophilie jetzt als Problem linker Homosexueller zu brandmarken – Kinderschänder gibt es genauso unter Konservativen und Heteros. Wer etwas anderes behauptet, der hat sicher nicht das Wohl der Kinder im Sinn, warnt Het Laatste Nieuws.
Die Justiz muss jetzt ihre Arbeit tun
Man braucht keine Kristallkugel, um zu wissen, dass die Festnahme von Sven Pichal missbraucht werden wird, um die gesamte LGBTQIA+-Gemeinschaft in ein schlechtes Licht zu stellen, kommentiert Het Nieuwsblad. Dass Pichal in so vielerlei Hinsicht ein Vorbild und Aktivist gewesen ist, macht den Fall zu einer Steilvorlage für alle radikal-reaktionären Kräfte und Verschwörungstheoretiker.
Panik wäre jetzt trotzdem fehl am Platze, es besteht nicht die geringste Chance, dass Belgien die Rechte von LGBTQ-Menschen beschneidet und zu einem neuen Polen oder Ungarn wird. Jetzt muss die Justiz ihre Arbeit tun, so wie es sich in einer Demokratie gehört – es spielt keine Rolle, ob der oder die Beschuldigte berühmt ist oder nicht, ob er oder sie ein Vorbild gewesen ist oder nicht. Alles andere ist abscheuliche politische Einvernahme, kritisiert Het Nieuwsblad.
Die Person Pichal von den Anliegen trennen
Die Nachricht, dass Sven Pichal direkt oder indirekt unschuldigen Kindern unaussprechliches Leid angetan haben könnte, hat wie eine Bombe eingeschlagen, hält auch Gazet van Antwerpen fest. Der Fall ist ein Drama für die Angehörigen Pichals, für seine Kollegen und für viele andere Menschen. Seine möglichen Vergehen werden nun auch ihr Leben und ihre Gemeinschaften überschatten. Wie viele Bekloppte werden in den nächsten Tagen Pädophile, Verbreiter von Kinderpornografie und LGBTQ-Menschen über einen Kamm scheren? Wie viele Bekloppte werden gestärkt durch den Fall Pichal wieder gegen Homosexuellen-Paare schießen, die Kinder adoptieren?
Es wird Zeit brauchen, diese Wunden zu heilen. Danach werden wir die Person Pichal von den Anliegen trennen müssen, für die er stand. Die LGTBQIA+-Rechte, das Adoptionsrecht für Homosexuelle, die Verbraucherrechte – sie werden auch ohne Pichal weiter verteidigt werden müssen, unterstreicht Gazet van Antwerpen.
Laut internationalen Untersuchungen ist ungefähr ein Prozent aller Männer über 16 Jahren pädophil, kommentiert Het Belang van Limburg. Auf Belgien bezogen wären das also etwa 46.500 Männer. Darüber hinaus soll jeder fünfte Mann schon mal erotische Fantasien über Kinder gehabt haben, ohne selbst pädophil zu sein. Das bedeutet, dass fast jeder jemanden kennt, der schon mal entsprechende Gedanken gehabt hat. Aber man muss auch festhalten, dass die allermeisten dieser Menschen nie sexuellen Missbrauch verüben. Deswegen sollte man das auch nicht alles in den gleichen Topf werfen.
Wir müssen – so schwierig es auch ist – offen über diese Themen sprechen, in Schulen, mit Kindern und Jugendlichen und mit den Menschen, die solche Gefühle haben. Es gibt zwar schon Hilfsangebote für potenzielle Pädophile, aber es ist noch mehr nötig. Denn Dämonisierung, Stigmatisierung und Isolierung lassen diesen Menschen oft nur die Wahl zwischen zwei Schicksalen: Selbstmord oder zu sexuellem Missbrauch überzugehen, warnt Het Belang van Limburg.
Beschwichtigung statt Konfrontation
Themenwechsel: Pünktlich zum Schulanfang in der Französischen Gemeinschaft haben verschiedene Lehrergewerkschaften eine neue Streikankündigung hinterlegt. Offenbar haben die Ferien nicht gereicht, um die Wut bestimmter Lehrervertreter abkühlen zu lassen, schreibt L'Echo. Auf die Palme gebracht hat sie vor allem, dass die Parlamentarier während der Sommerferien für den Text gestimmt haben, der unter anderem die Beurteilung von Lehrkräften erlauben soll. Mal abgesehen davon, dass der Text noch diverse andere Unterpunkte beinhaltet, die die berufliche Weiterentwicklung gerade junger Lehrer fördern sollen: Die Beurteilung soll einhergehen mit einer maßgeschneiderten Begleitung. Bei schweren Versäumnissen und wenn keine Besserung eintritt, kann in der Tat ihre Entlassung eingeleitet werden – gegen die Einspruch möglich ist. Das wollen die Gewerkschaften nicht hinnehmen.
Ohne Beurteilungsprozesse und Sanktionsmöglichkeiten ist es aber unmöglich, unser Bildungswesen zu verbessern. Man muss die Politik also loben, dass sie dem Druck standgehalten hat. Und wenn die Gewerkschaften ihren Forderungen zum Beispiel nach kleineren Klassen Nachdruck verleihen wollen, sollten sie lieber auf Beschwichtigung setzen als auf Konfrontation. Denn bei einem Konflikt können weder Politik noch Gewerkschaften gewinnen. Schlimmer noch: Die Leidtragenden wären wohl die Schüler, die ja gar nichts verlangt haben, befürchtet L'Echo.
Boris Schmidt
„Aber man muss auch festhalten, dass die allermeisten dieser [pädophilen] Menschen nie sexuellen Missbrauch verüben. Deswegen sollte man das auch nicht alles in den gleichen Topf werfen.“
Das ist richtig. Ich frage mich aber, was vor dem Hintergrund dieser Aussage dann so ein Satz in dem Artikel verloren hat?
„Es wäre aber viel zu einfach, Pädophilie jetzt als Problem linker Homosexueller zu brandmarken – Kinderschänder gibt es genauso unter Konservativen und Heteros.“