"Großeinsatz am Südbahnhof", titelt das GrenzEcho. "Gare du Midi: ein Polizeieinsatz mit einem Anstrich Großreinemachen", schreibt Le Soir auf Seite eins. "Großeinsatz oder PR-Aktion?", fragt La Dernière Heure. "Brüssel-Süd, einen Tag nach der Räumung: Das erste Obdachlosenzelt steht schon wieder", hält De Morgen fest.
Der Brüsseler Südbahnhof ist äußerst medienwirksam aufgeräumt worden, kommentiert Het Nieuwsblad: Nach dem Einsatz der kleinen Armee von 200 Polizeibeamten hat sich ein großes Team Reinigungskräfte mit Hochdruckreinigern an die Arbeit gemacht, damit alles blitz und blank war bis zum Eintreffen von Innenministerin Annelies Verlinden. Nach wochenlanger negativer Berichterstattung war es auch das Mindeste, dass der Gare du Midi endlich die notwendige Aufmerksamkeit bekommen hat, schließlich handelt es sich um den wichtigsten Bahnhof des Landes.
Dass er seit Jahrzehnten ein absoluter nationaler Schandfleck ist, hat mit den zersplitterten Zuständigkeiten zu tun: Die lokalen Behörden schaffen es nicht, der Lage Herr zu werden und die föderale Ebene greift erst ein, wenn es gar nicht mehr anders geht. So einen Verfall löst man auch nicht mit einer medienwirksamen Polizeiaktion, hier bräuchte es politische Weichenstellungen: Natürlich müssten einerseits die kriminellen Banden dingfest gemacht werden, aber es müssten auch Unterkünfte für Obdachlose kommen, die Drogensüchtigen müssten von der Straße geholt werden, es müsste eine funktionierende Asylpolitik geben, Mittel und Pläne, um dem Viertel neues Leben einzuhauchen. All das könnte zu dauerhaften Ergebnissen führen, aber leider liefert das auch weniger tolle Bilder für die Sozialen Medien, giftet Het Nieuwsblad.
Echte und strukturelle Unterstützung sind nötig
Zweifel an der langfristigen Wirkung der Aufräumaktion vom Wochenende sind angebracht, schreibt La Libre Belgique. War das einfach nur eine große PR-Aktion einige Monate vor den nächsten Wahlen? Die Zukunft wird es zeigen… Es braucht jedenfalls mehr als ein ehrgeiziges und vages Pressekommuniqué und einen Polizeieinsatz, um den Südbahnhof wieder zu einem sicheren Ort zu machen und zu einem, an dem sich die Menschen auch wieder sicher fühlen. Der Föderalstaat scheint das Heft in die Hand nehmen zu wollen, indem er einen Koordinator ernennt. Der soll allerdings nur dabei helfen, die Aufgaben zu verteilen. Die lokalen Akteure bräuchten stattdessen wirkliche und strukturelle Unterstützung, fordert La Libre Belgique.
De Standaard beschäftigt sich in seinem Leitartikel mit den historischen Gründen für den Niedergang des Südbahnhofs: Schuld sind eine jahrzehntelange miserable Politik der Bahn und der Region Brüssel-Hauptstadt. Als der Bahnhof und seine Umgebung von einer Tochterfirma der SNCB entwickelt wurden, ging es nicht um ein städtebauliches Projekt, das das Beste für Brüssel im Sinn hatte. Das Ganze war rein auf maximalen Gewinn ausgelegt, deswegen mussten so viele Quadratmeter wie möglich geschaffen werden an Büros, Hotelzimmern und Geschäften.
Aber schnell stellte sich Ernüchterung ein über die Banalität der Bauten und den schlechten Anschluss an den Rest der Stadt, gerade im Vergleich zu Antwerpen und Löwen, wo die städtebaulichen Ansprüche deutlich höher waren. Die Region Brüssel wiederum hat es versäumt, den Bahnhof als Hebel zu nutzen für die Entwicklung der Viertel in seiner Umgebung. Die Folge: Sie sind immer weiter verwahrlost, klagt De Standaard an.
Opfer der belgischen und europäischen Asylpolitik
Gazet van Antwerpen beleuchtet nicht nur im Zusammenhang mit der Razzia am Brüsseler Südbahnhof das Problem von Menschen, die sich ohne Papiere, also illegal in Belgien aufhalten: Diese Menschen, die durch die großen Städte ziehen und unter unmenschlichen Bedingungen auf offener Straße hausen, werden zu einem immer größeren Problem. Nicht nur, weil es ständig mehr werden, sondern auch, weil sie zu leichten Opfern der Drogendealer werden. Außerdem wird ihr Verhalten gegenüber Hilfsorganisationen und im öffentlichen Raum immer problematischer, die Atmosphäre wird immer aggressiver, das bestätigen auch etwa Obdachlosenorganisationen.
Aber wir dürfen diese Personen dennoch nicht entmenschlichen, sie sind Opfer unserer eigenen Asylpolitik und der Uneinigkeit Europas im Umgang mit Flüchtlingen. Und es gibt auch keine andere Lösung, als sie irgendwo unterzubringen, ist Gazet van Antwerpen überzeugt.
Ein ausgestreckter Mittelfinger in Richtung der Banken
Het Belang van Limburg greift den großen Erfolg des neuen belgischen Staatsbons auf: Man sollte den Begriff "historisch" nicht leichtfertig in den Mund nehmen, aber hier ist er wirklich angebracht. Schon am Freitagabend stand der Zähler auf sieben Milliarden Euro, es ist also durchaus vorstellbar, dass es bis Ende der Woche zehn Milliarden werden könnten – also deutlich mehr als die 5,7 Milliarden Euro für die Leterme-Staatsbons von 2011.
Für viele Sparer ist die Rendite nicht der einzige Grund, den neuen Bon zu zeichnen. Der überwältigende Erfolg zeigt, dass es auch ein ausgestreckter Mittelfinger ist in Richtung der Banken, es ist ein Zeichen, dass die Sparer nicht länger machtlos sind. Und das haben sich die Banken mit ihrer kontroversen Zinspolitik zum Großteil auch selber eingebrockt. Es bleibt abzuwarten, welche Schlüsse die Banken daraus ziehen werden, Finanzminister Vincent Van Peteghem hat eine Wiederholung der Aktion ja nicht ausgeschlossen, falls sich die Banken nicht bewegen sollten.
In letzter Zeit ist ja auch viel darüber gesprochen worden, dass die Bürger immer mehr das Vertrauen verlieren in unsere Institutionen. Wenn man sich anschaut, wie bereitwillig die Sparer ihr Geld gerade dem Staat anvertrauen, dann ist von diesem Misstrauen aber wenig zu merken, meint Het Belang van Limburg.
Boris Schmidt