"Der Staatsbon ist schon jetzt ein überwältigender Erfolg", titelt De Tijd. Het Nieuwsblad und Gazet van Antwerpen sind präziser: "Der Staatsbon bringt nach einem Tag schon einen Ertrag von mehr als 1,15 Milliarden Euro", schreiben beide Blätter. "Und die durchschnittliche Einlage beläuft sich auf 35.000 Euro", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws.
Die neue Staatsanleihe hat also einen Traumstart hingelegt. Seit gestern können ja die Staatsbons gezeichnet werden und das noch bis Ende nächster Woche. Die Regierung hatte dafür gesorgt, dass die Konditionen sehr attraktiv sind. Dies auch, um den Druck auf die Banken zu erhöhen, damit diese ihre Sparzinsen anheben.
Das ist ein tolles Experiment, freut sich Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Der Staatsbon ist das ideale Produkt für all die Menschen, die sich bislang nicht getraut haben, ihr Geld in etwas anderes zu investieren als ein klassisches Sparkonto. Und diese Staatsanleihe kann auch eben diese Sparer dazu bringen, ihre bedingungslose Nibelungentreue zu den Banken zumindest mal zu überdenken. Insgesamt ist dieser Staatsbon jedenfalls eine einmalige Gelegenheit, um einmal gemeinsam eine Faust zu ballen, um den Banken klarzumachen, dass man sich nicht alles gefallen lässt.
Sparkonten sind nicht mehr heilig
Das Ganze ist ein erster Schritt, meint auch De Tijd. Endlich werden die Sparer dazu ermuntert, über ihr Geld, genauer gesagt über andere Investitionsmöglichkeiten zumindest einmal nachzudenken. Denn, nicht vergessen, in Belgien schlummern stolze 300 Milliarden Euro auf Sparkonten. Seit Jahren schon wird hin- und herüberlegt, wie man diese Gelder mobilisieren könnte. Vielleicht wurde jetzt mit diesem Staatsbon der Anfang gemacht.
Für die Banken ist der Erfolg der neuen Staatsanleihe jedenfalls ein mittleres Erdbeben, glaubt De Standaard. Bislang konnten die alteingesessenen Geldhäuser auf beiden Ohren schlafen; sie konnten quasi darauf wetten, dass die Belgier ihre "heiligen" Sparkonten niemals anrühren würden. Jetzt werden sie eines Besseren belehrt. Und daran sind sie selbst schuld. Zu offensichtlich war es, dass sie sich auf dem Rücken der Sparer bereichern wollten, in dem sie an ihren mickrigen Zinssätzen festhielten.
Der Markt ist jedenfalls wachgerüttelt, die Machtlosigkeit der gemeinen Sparer wurde durchbrochen. Und die Regierung, besser gesagt, der Staat kann sich auch noch zum Beschützer des "kleinen Mannes" aufschwingen. Finanzminister Van Peteghem könnte den Banken fast schon Blumen schicken.
L'Echo ist da nicht ganz so euphorisch. Den sich abzeichnenden Erfolg dieser Staatsanleihe muss man relativieren. Selbst wenn sich der Ertrag am Ende auf 20 Milliarden Euro beläuft...: Was ist das schon im Vergleich zu den 300 Milliarden, die auf Sparbüchern vor sich hinvegetieren. Für die Banken geht es ja letztlich immer noch um Kleckerbeträge.
Der Erfolg ist relativ
Het Nieuwsblad sieht das ähnlich. Klar: Man kann das Ganze als einen Warnschuss verstehen. Der Ansturm auf den neuen Staatsbon mag ein Indiz dafür sein, wie wackelig das Vertrauen in die Banken ist. Unterm Strich bewegt sich das Ganze aber immer noch in überschaubaren Dimensionen. Die Großbanken sehen jedenfalls offensichtlich immer noch keinen Grund, ihre Sparzinsen zu erhöhen. Und selbst wenn sie das täten, würden sie diese Maßnahme nach dem Ende der Zeichnungsfrist der Staatsbons gleich wieder rückgängig machen.
Diese Staatsanleihe kann man erst dann als Erfolg bezeichnen, wenn sie einen bleibenden Einfluss auf die Sparzinsen hat. Gelingt das nicht, dann wird die Regierung die Banken am Ende doch noch zwingen müssen.
Viele Zeitungen beschäftigen sich auch mit den Ereignissen in Russland. Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin soll ja bei einem Flugzeugsturz ums Leben gekommen sein.
Viele Fragen sind ja nach wie vor offen, meint Het Belang van Limburg: War Prigoschin wirklich an Bord der Maschine? Hat er vielleicht seinen eigenen Tod nur in Szene gesetzt? Sagen wir mal so: Wenn der Wagner-Chef tatsächlich tot ist, dann wäre das mit Sicherheit keine Überraschung. Jeder wusste, dass Prigoschin seit der Meuterei seiner Kämpfer vor zwei Monaten buchstäblich auf der Abschlussliste stand.
"Rache ist ein Gericht, das man kalt serviert", bemerkt La Dernière Heure. Der Tod von Prigoschin war regelrecht vorprogrammiert. Und die Botschaft ist klar: Niemand legt sich ungestraft mit Putin an.
Wie Al Capone mit Baseballschläger
L'Avenir sieht das genauso. Der Flugzeugcrash von vorgestern ist eine klare Botschaft an alle internen Kreml-Kritiker. Ob nun Armeeangehörige, Oligarchen oder Leute aus dem engsten Zirkel: Jeder Verrat wird unbarmherzig bestraft.
"Putin regelt seine Probleme wie ein klassischer Mafiaboss", konstatiert Le Soir. Prigoschin wurde regelrecht exekutiert. Wichtig ist hier allein die Botschaft, der Rest ist Mittel zum Zweck. Wladimir Putin hat seine ohnehin schon beinahe absolute Macht jetzt nur noch ein bisschen mehr gefestigt.
Auch La Libre Belgique fühlt sich an die Mafia erinnert und hat da sogar ein konkretes Bild vor Augen. Man denkt an den Film "Die Unbestechlichen", bei dem Al Capone, gespielt von Robert De Niro, einen seiner treuen Handlanger vor den Augen anderer Führungsmitglieder mit einem Baseball-Schläger regelrecht massakriert. Und die Botschaft ist nicht nur nach innen gerichtet. Auch der internationalen Gemeinschaft gegenüber will der Kreml-Herrscher klar machen, dass er notfalls bis zum Äußersten geht und das tut, was er sagt. Insofern sollte man auch seine nuklearen Drohungen ernstnehmen.
Russland bleibt gewissermaßen seiner Geschichte treu, meint Gazet van Antwerpen. Schon im 19. Jahrhundert schrieb der Dichter Fjodor Tjuttschew: "Verstehen kann man Russland nicht, und auch nicht messen mit Verstand." Das gilt bis heute. Russland tut, was es schon immer getan hat: lügen und betrügen; und Kritiker zum Schweigen bringen. Das stimmt nachdenklich. Russland will sich einfach nicht weiterentwickeln, beruft sich weiter auf Leute wie Iwan den Schrecklichen oder Stalin. Wie sollen wir in den nächsten Jahren mit einem solchen Land zusammenarbeiten und zusammenleben?
Roger Pint