"Zehn Jahre Regentschaft ohne Fauxpas", titeln La Libre Belgique und L'Avenir. "Thronjubiläum im Zeichen einer gelungenen Regentschaft", schreibt das GrenzEcho auf Seite eins.
König Philippe feiert am morgigen Nationalfeiertag sein zehnjähriges Thronjubiläum. Und Beobachter sind sich einig: Das Staatsoberhaupt hat bislang einen fehlerlosen Parcours hingelegt. Das hatte man Philippe seinerzeit kaum zugetraut. De Tijd bringt es auf ihrer Titelseite auf den Punkt: "Der früher unbeholfene Kronprinz laviert sich als König gekonnt und pflichtbewusst durch das belgische Minenfeld", schreibt das Blatt. Und Philippe ist "der König, der den Thron entstaubte", notiert De Standaard.
Die Belgier geben König Philippe eine 5,9 auf 10, so derweil die Aufmachergeschichte von Het Laatste Nieuws. Die Zeitung veröffentlicht heute die Ergebnisse einer Umfrage, die man zusammen mit Le Soir sowie mit den Fernsehsendern VTM und RTL-TVI in Auftrag gegeben hatte. Le Soir hebt eine andere Erkenntnis hervor: "55 Prozent der Belgier sind mit König Philippe zufrieden", so die Schlagzeile auf Seite eins.
Ein Loblied auf König Philippe
Die ersten zehn Jahre von Philippe als König der Belgier waren ein Erfolg, urteilt auch L'Avenir in seinem Leitartikel. Das war nicht unbedingt ein Selbstläufer. Viele hatten vor zehn Jahren befürchtet, dass die Fußstapfen von König Albert II. für dessen Sohn zu groß sein könnten. Philippe hat uns längst vom Gegenteil überzeugt. Er hat die Monarchie entschlossen, aber zugleich mit Fingerspitzengefühl, modernisiert. Und politisch spielt er durchaus eine Rolle, wobei er peinlichst genau die Grenzen respektiert, innerhalb derer sich das Staatsoberhaupt bewegen darf. Zehn Jahre nach seiner Amtsübernahme ist es Philippe jedenfalls gelungen, sogar gewisse Skeptiker zu überzeugen und zugleich die flämisch-nationalistischen Miesepeter zum Schweigen zu bringen, die Philippe allzu ausgeprägte Sympathien für die Frankophonen unterstellten. Was den König vor allem auszeichnet, sind seine Zurückhaltung und seine Empathie. Und das sind eigentlich typisch belgische Qualitäten.
Auch La Libre Belgique singt ein Loblied auf König Philippe. Er ist gewissermaßen ein Philosoph auf dem Thron. Viele seiner Gesprächspartner bescheinigen dem Staatsoberhaupt wirklichen geistigen und kulturellen Tiefgang. Daneben ist der König ein vollendeter Perfektionist, der nichts dem Zufall überlässt – eine Eigenschaft, die er mit seiner Ehefrau, Königin Mathilde, teilt. Zusammen bilden sie ein eingeschworenes und sich ergänzendes Team. All das hat dazu geführt, dass der König in diesem politisch unruhigen und gespaltenen Land wie ein veritabler Eckstein erscheint. In seinem Fall kann man sagen, dass der Mensch an seiner Aufgabe gewachsen ist.
Viele Zeitungen beschäftigen sich aber auch mit dem Scheitern der Verhandlungen über die geplante Steuerreform. Und das Urteil vieler Leitartikler fällt regelrecht vernichtend aus.
Nicht mal ein Reförmchen
Die Steuerreform hat sich für Vivaldi als ein lupenreiner Rohrkrepierer entpuppt, meinte etwa Le Soir. Und es wäre allzu einfach, der MR jetzt die ganze Schuld in die Schuhe zu schieben. Schließlich haben die linken Parteien, allen voran die Sozialisten, sich mit Händen und Füßen geweigert, über eine Reform des Arbeitsmarktes auch nur zu diskutieren. Was bleibt, ist jedenfalls ein desaströses Bild. Monatelang hat die Regierung den Bürgern Steuererleichterungen von mindestens 800 Euro pro Jahr versprochen. Davon bleiben jetzt exakt Nullkommanull. Seit 1962 warten wir schon auf eine wirkliche Steuerreform. Und am Ende reicht es nicht mal für ein Reförmchen. Das ist ein roter Teppich für die Antipolitik.
Het Laatste Nieuws sieht das ähnlich. Zwar hat die MR am lautesten krakelt, doch ist das Scheitern wahrscheinlich kollektiv. Denn auch von der linken Seite kamen im Laufe der Verhandlungen immer wieder klare Vetos. Dass die Reform am Ende gescheitert ist, ist nicht nur schade für die Bürger. Zwischen den Zeilen steht hier zudem eine traurige Botschaft: Noch nie war man sich so einig, dass Arbeit unbedingt lohnenswerter werden, dass sie schlichtweg belohnt werden muss. Und genau das passiert jetzt wieder nicht. An diesem 21. Juli gibt es wenig Grund zum Feiern.
"Was für eine Verschwendung!", beklagt auch L'Echo. Zumindest in diesem ersten Halbjahr steht die Vivaldi-Koalition mit ziemlich leeren Händen da. Die Regierung scheint definitiv Sand im Getriebe zu haben. Vielleicht ist das noch nicht das Ende, aber die Equipe hat nur noch wenig Zeit, um zu beweisen, dass sie doch noch beschlussfähig ist.
Die Antipolitik lacht sich ins Fäustchen
Und jetzt droht ein langer Reformstau, orakelt De Tijd. Die Wahlen von 2024 werfen schon ihre Schatten voraus. Und erfahrungsgemäß dauert es in diesem Land lange, manchmal sehr lange, bis eine neue Regierung steht. Diese Steuerreform war vielleicht die letzte Chance für unabsehbare Zeit, um noch die Beschäftigungsrate zu erhöhen.
Das Ganze verstärkt jedenfalls nur den ohnehin schon sehr negativen Eindruck, den viele Menschen vom Politikbetrieb haben, glaubt Gazet van Antwerpen. Die föderale Vivaldi-Koalition scheitert an ihren eigenen Ansprüchen. Und auch innerhalb der flämischen Regierung herrscht heilloses Durcheinander. Die Bürger haben längst den Überblick verloren, wer da mit wem worüber streitet. Sie sehen nur, dass bei alledem nichts für sie rumkommt. Es ist nicht nachvollziehbar, dass offensichtlich niemandem klar ist, wie sehr man damit die Politikverdrossenheit schürt.
Unvermögen regiert, meint auch Het Belang van Limburg. Die föderale und auch die flämische Regierung brauchen offensichtlich dringend etwas Ruhe. Um sich dann im September wieder gegenseitig die Haare auszureißen. Die politischen Extreme und auch die Antipolitik lachen sich schon jetzt ins Fäustchen.
Roger Pint