"Frankreichs Straßen versinken im Chaos", titelt das GrenzEcho. "Unruhen beschädigen Bild von Frankreich", wertet Le Soir auf Seite eins. "Aufruhr entartet zu Mordversuch", so die Schlagzeile bei Het Laatste Nieuws.
Viele Zeitungen beschäftigen sich weiter bereits auf den Titelseiten mit den anhaltenden Unruhen in Frankreich nach dem Tod eines Jugendlichen. Der 17-Jährige war von einem Polizisten erschossen worden. Auch in ihren Leitartikeln gehen einige Zeitungen auf dieses Thema ein.
La Dernière Heure analysiert: Die aktuellen Unruhen unterscheiden sich von der Welle der Gewalt 2005, als schon einmal die Vororte französischer Städte wegen des Todes von zwei jungen Menschen brannten. Erstens: Diesmal sind die Krawallmacher deutlich jünger. Oft sind es Minderjährige. Zweitens: Die Ausschreitungen beschränken sich nicht mehr allein auf die Vorstädte. Drittens: Die Krawallen brachen fast gleichzeitig im Land aus – 2005 verlief der Prozess viel langsamer. Viertens: Diesmal werden sogar politische Amtsträger direkt angegriffen. Beispiel die Familie des Bürgermeisters von L'Haÿ-les-Roses im Großraum Paris, vor dessen Haus ein brennendes Auto gestoßen wurde. Die Frau und die Kinder des Bürgermeisters schliefen in dem Haus, berichtet La Dernière Heure.
Le Pen muss nichts tun
Le Soir weiß: Die gewaltsamen Ausschreitungen sprechen eine klare Sprache. Die jungen Menschen, die Nacht für Nacht randalieren und Polizisten angreifen, haben das Gefühl, nicht dazuzugehören. Das Land, in dem sie leben ist nicht ihr Land. Es gibt niemanden, der sie vertritt, zum Beispiel in der Politik. An dieser Realität, dem Gefühl der Ausgeschlossenheit etwas zu ändern, ist die größte Herausforderung an die demokratischen Kräfte. Wenn das nicht gelingt, droht die Situation langfristig nur noch schlimmer zu werden, ist Le Soir überzeugt.
La Libre Belgique warnt: Die jungen Menschen, die gerade mit viel Wut den französischen Staat herausfordern, müssen Acht geben, dass sie nicht das Gegenteil erreichen von dem, was sie wollen. Die Sozialen Medien, die sie bei ihren Aktionen häufig nutzen, sollen die Erfolge der Randalierer beweisen. Videos der stolzen Täter vor zerstörten Bushaltestellen und brennenden Autos sind aber auch Öl auf das Feuer, das bei rechtsextremen Kräften lodert. Die Videos stärken das Gefühl der Unsicherheit bei vielen Franzosen. Der Ruf nach einer harten Hand wird zunehmen. Marine Le Pen muss gerade gar nichts tun, um die Sympathien vieler Franzosen zu gewinnen, glaubt La Libre Belgique.
Nur Hunde werden gefügig
Het Laatste Nieuws meint: Man kann die jungen Randalierer in ihrer Wut verstehen. Man kann aber auch den Frust der Polizisten verstehen, die unter sehr schweren Bedingungen Tag für Tag für Ordnung in den Vorstädten sorgen sollen. Dort gelten sie als Sinnbild der Ablehnung, die die jungen Menschen in den Vorstädten empfinden. Das Klima der Gewaltbereitschaft lässt sich also erklären. Aber nur Hunde werden gefügig, wenn man sie schlägt. Gewalt ist also keine Lösung. Wer das anders sieht, trägt nichts dazu bei, die Konflikte zu entschärfen, betont Het Laatste Nieuws.
Het Belang van Limburg stellt fest: Ab heute gehen die Sommerferien wirklich los. Allerdings nicht für alle. Besonders nicht für Alexander De Croo. Er hat gleich zwei große Aufgaben noch vor sich. Erstens muss er mit seiner Vivaldi-Regierung eine Steuerreform klarkriegen. Bis zum 21. Juli soll das klappen. Mehr als ein fader, durch viel Marketing aufgeblähter Kompromiss ist nicht zu erwarten. Zweitens muss er noch einen neuen Vorsitzenden für seine Partei finden. Die freiwilligen Kandidaten drängeln sich nicht unbedingt. Keine leichten Aufgaben also, von deren Erfolg aber De Croos Ausgangsposition für die Wahlen nächstes Jahr abhängen wird, prophezeit Het Belang van Limburg.
Ferien haben begonnen – aber nicht für alle
Mit Blick auf die geplante Steuerreform betont De Morgen: Die Streitigkeiten innerhalb der beiden liberalen Parteien sind wenig hilfreich. Dass De Croo gleichzeitig einen Nachfolger für Egbert Lachaert in seiner OpenVLD suchen und die vielen Vorstellungen seiner Vivaldi-Partner unter einen Hut bringen muss, ist eine unnötige Doppelbelastung. Dass es in der MR brodelt und die Partei nur noch an Georges-Louis Bouchez als Vorsitzenden festhält, weil es keinen besseren Ersatz gibt, behindert ebenfalls ein konzentriertes Arbeiten an einer guten Reform. Dem Wohl des Landes dient das nicht, ärgert sich De Morgen.
Het Nieuwsblad bemerkt: Die vielen Einzelinteressen, die alle sieben Koalitionspartner der Vivaldi-Regierung bei der Steuerreform berücksichtigt sehen wollen, machen eine Einigung schwer. Sie sind aber nur der Spiegel unserer modernen Gesellschaft. In ihr will jeder Einzelne seine Wünsche erfüllt sehen. Der Sinn für das Gemeinwohl ist weitgehend verloren gegangen. Kein Wunder, dass es auf politischer Ebene nicht anders ist. Zumindest bei uns in Belgien. Und dass die Regierung zurzeit aus sieben, also vielen Parteien mit ihren jeweiligen Interessen besteht, macht alles zusätzlich schwer. Leider, bedauert Het Nieuwsblad.
Kay Wagner