"Lachaert überlässt das sinkende Schiff De Croo", titelt Het Belang van Limburg. "Der Abgang von Lachaert stürzt die Open VLD in eine tiefe Krise", so der große Aufmacher von De Standaard. "Durch seinen Rücktritt legt der Vorsitzende der Open VLD seine Differenzen mit Premier De Croo bloß", liest man auf Seite eins von De Tijd. "Ein Jahr vor den Wahlen ist die Open VLD steuerlos", stellt Het Nieuwsblad fest.
Egbert Lachaert war ein Vegetarier, der jeden Tag früh aufgestanden ist, um sich als Handlanger in der Metzgerei De Croo die Beschwerden über die zubereiteten Fleischwaren anzuhören, kommentiert De Standaard. Als Open-VLD-Vorsitzender ist Lachaert in den vergangenen Monaten immer stärker auf Distanz gegangen zur Vivaldi-Regierung, die schlechten Umfragewerte haben ihn ins Wanken gebracht. Die überstürzte Art und Weise, mit der der Premier seine taumelnde Außenministerin Hadja Lahbib in Schutz genommen hat, ist Lachaert auch gegen den Strich gegangen, denn schließlich hatte De Croo Eva De Bleeker, eine persönliche Freundin von Lachaert, für viel weniger geopfert.
Lachaert hat sich auch nie mit seiner Rolle abgefunden: Er war Vorsitzender einer Partei in einer Regierung, die von einem Parteigenossen geleitet wird. Während andere Parteipräsidenten sich gnadenlos auf Kosten der Regierungskoalition profilieren konnten, waren ihm die Hände gebunden. Lachaert hat auch ganz offensichtlich keine Verbesserung des Vivaldi-Zirkus mehr erwartet. Deshalb hat er sich nun seiner Verantwortung entledigt und dadurch seine Partei nur ein Jahr vor den Wahlen in eine surrealistische Krise gestürzt, fasst De Standaard zusammen.
"Kaputtregiert"
Lachaert hat schon seit Monaten mit seiner Position gehadert, schreibt auch Het Laatste Nieuws, er geriet wegen der schlechten Umfragewerte immer stärker unter Druck. Partei und Premier haben es nicht geschafft, ein Gleichgewicht zu finden, das ewige Hin und Her konnte die Wähler nicht überzeugen. Am Ende schaffte es Lachaert auch einfach nicht mehr, die Vivaldi als Produkt erfolgreich zu verkaufen. Er wollte mit einer dunkelblauen Agenda in den Wahlkampf gehen, was aber zu Konflikten mit Premier De Croo geführt und Lachaert somit ausgebremst hat. Aber wenn man es nur schafft, im Wahlkampf das blaue Fähnchen zu schwenken, dann illustriert das vor allem die eigene Ohnmacht. So regiert man sich schlicht und einfach kaputt, warnt Het Laatste Nieuws.
Kaputtregiert – das ist das Wort, das die Probleme der flämischen Liberalen seit Jahrzehnten am besten beschreibt, findet auch De Tijd. Die Partei ist seit 1999 ununterbrochen auf föderaler Ebene mit an der Macht. Und im Kern sind die Probleme der flämischen Liberalen immer auf das Gleiche zurückzuführen: auf den nie gelösten Konflikt zwischen Regierungsinteressen und Parteiinteressen. Das Überleben der Partei wird aber auch noch von einer weiteren Frage abhängen: Wieviel Platz gibt es in der belgischen Politik überhaupt noch für eine Zentrumspartei?, meint De Tijd.
Die Open VLD zu retten, wird kein einfacher Job
Die Umfragewerte der Open VLD sind schon so lange schlecht, dass sie akut eigentlich keinen Grund darstellen für einen Abgang des Parteivorsitzenden, so Het Nieuwsblad. Noch vor zwei Wochen klang es auch so, als ob Lachaert so lange wie möglich am Steuer bleiben wollte. Irgendetwas muss in der Zwischenzeit also definitiv zerbrochen sein in seiner Partei. Lachaert war zwar nie ein Kommunikator, der sich durch besondere Klarheit ausgezeichnet hat, aber gestern musste man sich nicht groß anstrengen, um zwischen den Linien zu lesen, wo der Haussegen schief hängt: Lachaert hat versucht, der liberalen Partei neuen Elan und ein schärferes Profil zu geben. Aber dabei sind ihm gewisse persönliche Ambitionen in die Quere gekommen, die wichtiger waren als die Interessen der Partei.
Er übernehme seinen Teil der Verantwortung, so Lachaert gestern. Womit er impliziert, dass es noch andere gibt, die verantwortlich sind für den Niedergang der Partei. Allen voran Premierminister Alexander De Croo, auch wenn er ihn nicht explizit genannt hat. Der wird es nun also richten müssen, resümiert Het Nieuwsblad.
Seine Außenministerin hat der Premier retten können, hält Gazet van Antwerpen fest, seine Regierung zumindest vorläufig auch. Jetzt muss er das Gleiche noch mit seiner Partei hinbekommen – allerdings eben ohne die Hilfe seines Parteipräsidenten. Wer auch immer die Nachfolge Lachaerts übernehmen wird, wird vor einer sehr schweren Aufgabe stehen. Aber andererseits wird er oder sie auch kaum noch etwas zu verlieren haben: Die Open VLD ist nämlich bereits am Boden, giftet Gazet van Antwerpen.
Nach Sonneberg: die Angst vor weiteren Dammbrüchen
Das GrenzEcho greift in seinem Leitartikel erneut den AfD-Erfolg im thüringischen Sonneberg auf: Die Befürchtung zwischen Erfurt, Berlin, Brüssel, Namur und selbst Eupen ist nun groß, dass weitere Dammbrüche folgen könnten. Die Sorgen sind nicht aus der Luft gegriffen. Umgekehrt wurden sie auch nicht vom Boden aufgelesen, auf dem viele Menschen, die meisten von ihnen aufrichtige, wenn auch unzufriedene Demokraten, mit beiden Füßen stehen.
Ihr Gefühl ist nicht selten, dass "die da oben" eben diese Bodenhaftung verloren haben und in einer Welt leben, die mit der, an der sich der Normalbürger Tag für Tag abarbeiten muss, nur noch wenig gemein hat. Man beschäftigt sich, leicht überspitzt formuliert, lieber mit sich selbst und dem Erhalt der eigenen Interessen und Jobs als mit den Problemen, die den Menschen unter den Nägeln brennen, kritisiert das GrenzEcho.
Boris Schmidt