"Schleuderkurs und aufgetauchte E-Mails kosten Pascal Smet den Kopf", titelt De Standaard. "Ich persönlich habe keinen Fehler gemacht", zitiert La Dernière Heure den zurückgetretenen Brüsseler Staatssekretär.
Andere Zeitungen heben die möglichen Konsequenzen hervor: "Pascal Smet tritt zurück: Jetzt steht Hadja Lahbib unter Druck", bemerken etwa Le Soir und L'Avenir. "Jetzt richten sich alle Augen auf Lahbib", so auch die Schlagzeile von Het Nieuwsblad und Gazet van Antwerpen. "Zieht Pascal Smet Außenministerin Hadja Lahbib mit in den Abgrund?", fragt sich De Morgen.
Der Brüsseler Staatssekretär Pascal Smet ist gestern also doch von seinem Amt zurückgetreten. Seit Tagen stand er unter Druck, weil er insbesondere den Bürgermeister der iranischen Hauptstadt Teheran zu einer Städtekonferenz nach Brüssel eingeladen hatte. Die Anwesenheit einer iranischen Delegation in Belgien so kurz nach der Befreiung von Olivier Vandecasteele hatte für einen Sturm der Entrüstung gesorgt. Unmittelbarer Anlass für den Rücktritt war aber nach Angaben des Vooruit-Politikers die Entdeckung einer E-Mail, aus der hervorgeht, dass einer seiner Mitarbeiter die Übernahme der Aufenthaltskosten der iranischen Delegation durch die Region Brüssel bewilligt hatte.
Kein Missverständnis, sondern eine Schande!
Pascal Smet hat es hier an Feingefühl und auch an Empathie gefehlt, findet L'Avenir in seinem Leitartikel. Eine iranische Delegation in Brüssel. Und das nachdem die belgischen Behörden Himmel und Erde in Bewegung setzen mussten, um Olivier Vandecasteele aus einem iranischen Gefängnis zu befreien. Ganz zu schweigen vom brutalen Vorgehen der iranischen Behörden gegen Demonstranten, die seit zehn Monaten gegen die Regierung in Teheran protestieren. Vertreter eines solchen Regimes hatten in Brüssel nichts verloren, ebenso wenig wie eine Delegation aus Russland, die ebenfalls bei besagter Konferenz anwesend war. Hier geht es schließlich auch um den Ruf Brüssels, um nicht zu sagen des Landes. Und an die Opfer der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste im Iran hat Smet auch nicht gedacht. Das war kein Missverständnis, wie er es selbst formulierte, sondern eine Schande.
De Morgen sieht das genauso. Und Smet hat offensichtlich versucht, vom eigentlichen Skandal abzulenken. Smet hat gestern behauptet, er ziehe seine Konsequenzen aus der Tatsache, dass die Region Brüssel die Aufenthaltskosten für die Delegationen aus dem Iran und aus Russland übernommen habe. Das ist aber allenfalls ein Nebenkriegsschauplatz. Kost und Logis – das ist eine Fußnote. Im Kern geht es doch immer noch um die Frage, warum die unbequemen Gäste überhaupt in Brüssel waren. Das kann man nur als einen ernsten politischen Einschätzungsfehler bezeichnen. Smet hat versucht, die heiße Kartoffel an das Außenministerium weiterzureichen. Davon abgesehen sollte Außenministerin Hadja Lahbib aber tatsächlich mal in den Spiegel schauen.
Für Lahbib wird es schwierig
Das war ein kluger Schachzug von Pascal Smet, glaubt De Standaard. Nicht nur, dass er von der Kernfrage ablenkt, er verschiebt zudem die Aufmerksamkeit auf das Außenministerium. Und die Verteidigungslinie von Hadja Lahbib ist schwach. Ihre Verwaltung hatte eine negative Empfehlung hinsichtlich einer möglichen Visa-Vergabe an die iranische Delegation ausgesprochen. Sie habe dann aber dem Druck von Pascal Smet nachgegeben, sagte Lahbib. Das klingt nicht unbedingt nach einer konsequenten und geradlinigen Haltung. Politische Verantwortung hin oder her: Für Lahbib wird es sehr schwierig, aus dieser Geschichte unbeschadet herauszukommen.
Smet scheint in der Tat Druck auf das Außenministerium ausgeübt zu haben, analysiert Het Belang van Limburg. Das jedenfalls geht aus veröffentlichten E-Mails hervor. Bleibt die Frage, warum die Dienste von Hadja Lahbib so schnell eingeknickt sind. Als die Ministerin, die die Endverantwortung trägt, hätte sie die Visa-Vergabe eigentlich blockieren müssen. Dass sie das nicht tat, ist entweder nachlässig oder sie wollte Smet bewusst auf dünnes Eis führen.
"Wer lügt, der geht!"
Het Nieuwsblad hat für all das derweil nur Kopfschütteln übrig. Der Schritt von Pascal Smet reiht sich in eine ganze Serie von seltsamen Rücktritten ein. Man denke nur an den ehemaligen flämischen Gesundheitsminister Wouter Beke oder an die föderale Staatssekretärin Sarah Schlitz: Beide lobten zunächst ihre eigenen Leistungen über den grünen Klee, um sich dann als Opfer hinzustellen. Smet hat dem Ganzen jetzt noch die Krone aufgesetzt. Er beklagt, dass Außenministerin Lahbib ihn "vor den Bus geworfen hat", er macht aber dasselbe mit seinem Mitarbeiter, der angeblich im Alleingang entschieden habe, dass die Aufenthaltskosten der Iraner übernommen würden. Das ist einfach nur pathetisch.
Bemerkenswert ist dennoch, dass Minister inzwischen wieder von ihrem Amt zurücktreten, wenn in ihrem jeweiligen Departement etwas schiefgegangen ist, kann Le Soir nur feststellen. Seit der Episode Sarah Schlitz lautet offenbar die Maxime: "Wer lügt, der geht!"; und das gilt sogar dann, wenn der oder die Betreffende von einem mutmaßlichen Beweisstück nichts wusste. Es ist denn auch nur folgerichtig, dass sich jetzt alle Augen auf Hadja Lahbib richten. Die N-VA, die die Außenministerin offensichtlich ins Visier genommen hat, ist da aber eigentlich schlecht platziert: Als der N-VA-Staatssekretär Theo Francken wegen eines Handels mit humanitären Visa in seinem eigenen Kabinett unter Druck geriet, klammerte er sich mit Erfolg an seinem Stuhl fest. Dennoch: Es könnte eine heiße politische Woche werden.
Roger Pint