"Ciao!", titelt lapidar L'Echo. "Addio Silvio!", schreibt Gazet van Antwerpen auf Seite eins. "Er glaubte, er würde ewig leben", so die Schlagzeile von L'Avenir. "Aber am Ende war er doch nicht unsterblich", stellt Le Soir auf seiner Titelseite fest.
Silvio Berlusconi ist gestern im Alter von 86 Jahren gestorben. Unternehmer, Medienmogul, Milliardär und seit knapp 30 Jahren auch eine Schlüsselfigur in der italienischen Politik: Der Cavaliere war eine schillernde Figur. In der Politik ging es ihm eigentlich in erster Linie um die eigenen Interessen. "Berlusconi war der Erfinder des modernen Populismus", schreibt De Tijd auf Seite eins. La Libre Belgique wird konkreter: "Der Cavaliere war ein Vorläufer von Donald Trump", so die Schlagzeile.
Berlusconi, der Name steht zuallererst für einen außergewöhnlichen Lebensweg, mein Le Soir in seinem Leitartikel. Ein Junge aus der kleinen Mailänder Bourgeoisie, der es vom Schnulzensänger zu einem der reichsten Männer Europas gebracht hat, der ganze Städte gebaut hat, der am Ende an der Spitze eines beispiellosen Medienimperiums saß, der als Präsident des AC Mailand aus dem Verein einen europäischen Spitzenclub machte und der es eben auch zum Ministerpräsidenten brachte. Es ist die unglaubliche Karriere eine Ausnahmeopportunisten. Berlusconi war aber auch zu schlimmsten Entgleisungen imstande. Im EU-Parlament bezeichnete er den deutschen Abgeordneten Martin Schulz einmal indirekt als KZ-Kapo, ganz zu schweigen von seinen Sexskandalen und Korruptionsaffären. Sein wohl sichtbarstes Erbe, das ist aber der politische Populismus, den er in seiner heutigen Form quasi erfunden hat. Viele sind in diese Fußstapfen getreten. Allen voran Donald Trump.
Ein mächtiger Clown
De Standaard zeichnet ein ähnliches Porträt. Unternehmer, Fußball-Boss, Politiker: Auf den ersten Blick hat Berlusconi eine beeindruckende Karriere hingelegt. Doch das Erste, woran viele denken, wenn sie den Namen Berlusconi hören, das sind zwei Wörtchen: "Bunga bunga!" So nannte er die Partys in seinen sündhaft teuren Anwesen, Partys, die nichts anderes waren als Sexorgien, an denen mindestens eine Minderjährige teilnahm. Der Unternehmer Berlusconi ließ sich zudem häufig mit windigen Partnern ein. Und sein Managementstil vergiftete auch die italienische Politik. Leute wie Muammar al-Gaddafi oder Wladimir Putin zählte er zu seinen Freunden. Jetzt, wo er weg ist, bleibt die Frage, wie es möglich ist, dass so viele Italiener auf diesen mächtigen Clown hereingefallen sind und ihn insgesamt 3.340 Tage als Premier toleriert haben. Aber Berlusconi steht nicht nur für ein politisches und moralisches Fiasko, er war zugleich eine der inspirierendsten Figuren der letzten Jahrzehnte. Seine Erben heißen Donald Trump, Jair Bolsonaro, Victor Orbán oder Giorgia Meloni.
König der Populisten
Silvio Berlusconi war der Erfinder des Neopopulismus, analysiert auch De Morgen. Für Italien ist sein politisches Erbe, sagen wir mal, "überschaubar". Er konnte zwar wie kein Zweiter Wählerherzen für sich erobern, mit seinem Amt als Ministerpräsident konnte er allerdings wenig anfangen. Nur dann, wenn es um seine eigenen Interessen ging. Aber wenn es wirklich ernst für das Land wurde, dann wurde er unsichtbar. Nicht umsonst war die für Italien katastrophale Euro-Krise sein politischer Schwanengesang. Und doch hinterlässt Berlusconi ein nicht zu unterschätzendes politisches Erbe. Er hat den modernen Populisten die Bedienungsanleitung geliefert. Die Quintessenz: Das Volk ist bereit, seinen Führern so ungefähr alles zu verzeihen, wenn diese nur dem etablierten politischen System einen gehörigen Tritt ins Schienbein verpassen und das im Namen des Vaterlandes.
Berlusconi war der König der Populisten, meint auch Het Belang van Limburg. Er lieferte die Blaupausen für alle seine Nachfolger im Geiste. Die unzähligen Prozesse, die gegen ihn angestrengt wurden, die tat er etwa ab als "Kreuzzug von linken Magistraten und Richtern". In Italien sorgte denn auch der Wahlsieg von Donald Trump in den USA nicht wirklich für Befremden. Den Film kannte man bereits. Sexaffären, eine angebliche Hexenjagd der Justiz und der klassischen Medien, Ermittlungen wegen Steuerbetrugs und auch die Flirterei mit Autokraten wie Wladimir Putin, das war in Italien längst politischer Alltag. Und der politische Rechtsruck, den Berlusconi in 1990er-Jahren in Italien durchsetzen wollte, der ist gelungen. Diese Ära ist nicht zu Ende. Im Gegenteil: Sie hat gerade erst wirklich angefangen.
Der Jesus mit Zahnpastalächeln
Und die trägt einen Namen, hakt L'Avenir ein. Es ist die Ära der Giorgia Meloni, einer Neofaschistin, die Berlusconi im Übrigen viel zu verdanken hat, war sie doch von 2008 bis 2011 dessen Jugendministerin. Berlusconi hatte nie Berührungsängste mit Rechtsextremisten, sofern es in seinem Interesse war. Und natürlich sieht die heutige Regierung in Rom nicht in Berlusconi den Schuldigen für die aktuellen Probleme ihres Landes. Nein, es sind die angeblichen Eliten: Journalisten, Minderheiten, Homosexuelle. Und Berlusconi? Der bekommt natürlich ein Staatsbegräbnis.
Über Tote nur Gutes, so lautet doch eigentlich das Sprichwort, gibt Gazet van Antwerpen zu bedenken, allerdings sollte man es damit auch nicht übertreiben. Denn Berlusconis Leben war gespickt mit Skandalen, Lügen, Sexorgien und Aussagen, die eines Politikers schlicht und einfach unwürdig waren. Eigeninteresse war den Interessen des Landes übergeordnet. Und mit seinem Zahnpastalächeln konnte er buchstäblich alles weggrinsen. Klar, wenn der ehemalige Ministerpräsident eines Landes stirbt, dann gehört es zum guten Ton, seine Anteilnahme zu bekunden. Im Fall Berlusconi darf das aber nicht in Lobhudelei ausarten. Dass ein Mann, der seine Mafiaverbindungen nie wirklich gekappt hat, jetzt sogar im Mailänder Dom ein Staatsbegräbnis bekommt, das ist schlichtweg daneben. Am Ende steht er noch von den Toten wieder auf, der selbsternannte Jesus Christus der Politik.
Roger Pint