"Ukraine-Krieg: Kachowka-Staudamm zerstört, Anwohner fliehen", meldet das GrenzEcho auf Seite eins. "Das Wasser bedroht eine schnelle ukrainische Gegenoffensive", so der Aufmacher bei De Standaard. "War es eine abscheuliche Sabotage der Russen? Mehr als wahrscheinlich laut den Experten", liest man bei L'Avenir. "Die Zerstörung des Staudamms von Kachowka zeigt, wieviel Angst die Russen vor der ukrainischen Gegenoffensive haben", hält La Libre Belgique fest.
Der Zeitpunkt der Zerstörung des Staudamms ist vermutlich kein Zufall, kommentiert Het Belang van Limburg. Russland hat schon lange befürchtet, dass die Ukraine den Damm nutzen könnte, um die russisch besetzte Krim zurückzuerobern. Bei ihrem Rückzug aus Cherson auf das rechte Ufer des Dnipro haben die Russen den Damm deswegen auch vermint.
Damit liegen jetzt zwei Optionen auf dem Tisch, die wahrscheinlichere davon ist, dass Russland den Damm gesprengt hat, um eine Einnahme durch die Ukraine zu verhindern. Das würde zweierlei bedeuten: Erstens, dass jegliche russische Hoffnung auf eine eigene Offensive endgültig vom Tisch ist, denn ohne den Damm von Nowa Kachowka sind Gebietsgewinne in der Südukraine ausgeschlossen, vom erträumten Vormarsch auf Odessa ganz zu schweigen. Zweitens würde eine russische Zerstörung auch zeigen, dass die Angst Moskaus vor der Gegenoffensive so groß ist, dass Putin bereit war, sich tief ins eigene Fleisch zu schneiden, denn mit dem Staudamm haben sich auch 85 Prozent der Wasserzufuhr für die besetzte Krim aufgelöst, analysiert Het Belang van Limburg.
Warum würde Russland den Staudamm sabotieren?, fragt L'Avenir in seinem Leitartikel. Seine Truppen hatten den Damm besetzt, jetzt droht Wasserknappheit auf der Krim und die Fluten bringen die eigenen Einheiten in Bedrängnis, die die russisch besetzten und beanspruchten Teile von Cherson verteidigen sollen. Die Antwort darauf könnte lauten, dass bestimmte russische Stellungen in der Südukraine unter immer größeren Druck geraten sind und eine neue Niederlage sowohl für die russische Armee als auch für den Kreml untragbar gewesen wäre. In diesem Fall muss man sich aber auch eine andere Frage stellen: Wie weit ist Russland bereit zu gehen mit seiner "Nach uns die Sintflut"-Politik?, so L'Avenir.
Vorsicht vor einem Teufelskreis der Geiselpolitik
Das GrenzEcho kommt auf den Deal zurück, durch den Belgien Olivier Vandecasteele und drei weitere Europäer aus iranischen Gefängnissen befreien konnte: Das zentrale Anliegen, europäische Bürger aus willkürlicher Haft zu befreien und sie vor Tod und Folter zu schützen, ist ehrenwert und zwingend notwendig. Es ist jedoch von größter Wichtigkeit, dass dies auf eine Weise geschieht, die das Rechtssystem stärkt und nicht zu dessen Untergrabung beiträgt.
Es braucht stille Diplomatie, massiven politischen und wirtschaftlichen Druck sowie eine entschiedene europäische Vorgehensweise, die Iran und anderen Ländern, die solche Taktiken anwenden, deutlich macht, dass "Geiseldiplomatie" inakzeptabel ist und nicht zum Erfolg führt. Andernfalls droht ein Teufelskreis aus willkürlichen Inhaftierungen und willkürlichen Gefangenenaustauschen, warnt das GrenzEcho.
Gekaperte Proteste und Profilierungssucht
Derweil sorgen die Urteile im Prozess um den Tod des Studenten Sanda Dia bei einer Studententaufe weiter für Proteste und Verwerfungen. Die Akte bleibt weiter hoch kontrovers, stellt auch De Standaard fest. Manchen scheint es, als ob hier weiße Jungs aus reichen Familien einen finanziell schwächer gestellten schwarzen Jungen wenn auch versehentlich umgebracht haben und auch noch straflos davonkommen. Dieser Eindruck führt zu Fassungslosigkeit, die in Empörung und Proteste umgeschlagen ist gegen die angebliche Klassenjustiz. Selbst Politiker machen ihrem Unmut über die als zu mild empfundenen Urteile Luft.
Die öffentliche Äußerung von Unmut ist zwar ein Zeichen für eine gesunde demokratische Gesellschaft, aber dennoch muss Vorsicht geboten bleiben. Verdienen die Mitglieder der Reuzegom-Studentenvereinigung etwa keine zweite Chance? Müssen sie wirklich für den Rest ihres Lebens kaltgestellt werden? Außerdem gibt es nicht den geringsten Hinweis, dass Sanda Dia wegen seiner Hautfarbe härter rangenommen wurde bei der Studententaufe als die zwei weißen Überlebenden des Rituals. Die Aufgabe der Politik kann nicht sein, Misstrauen gegen die Justiz zu schüren und Politiker, die jetzt aus vollen Rohren gegen Arbeitsstrafen schießen, haben entweder nichts begriffen oder wollen sich einfach auf Kosten eines toten Studenten profilieren, so die beißende Kritik von De Standaard.
Het Nieuwsblad beklagt, dass die Empörung gegen die Urteile mittlerweile von anderen Gruppen gekapert worden ist: Wirklich alles wird jetzt auf einen Haufen geworfen und miteinander vermischt: vom allgemeinen Versagen der Politik und den "Fake"-Medien über Klassenjustiz und Rassismus bis hin zum Einfluss hochbezahlter Staranwälte. Das hat nichts mehr zu tun mit dem ursprünglichen, spontanen Protest junger Menschen, was wir jetzt sehen, sind vor allem verschiedene Gruppen und professionelle Aktivisten mit ganz eigener Agenda und Politiker, die sich profilieren wollen, ärgert sich Het Nieuwsblad.
Studententaufen: einfach "Nein" sagen
Die Frage, ob in unserem Land wirklich jeder gleich ist vor dem Gesetz, muss zwar mit warmem Herzen, aber vor allem mit kühlem Kopf gründlich und nüchtern analysiert werden, fordert De Morgen. Aber bis wir auf Argumente gestützte, mit Fakten und Zahlen untermauerte Antworten auf diese Frage bekommen, gibt es eine einfache Art, Sanda Dia die Ehre zu erweisen. Eine Ehrerweisung, für die wir keine Politiker, Richter, Aktivisten oder Youtuber brauchen. Diese Ehrerweisung liegt in den Händen der jungen Menschen, die dieses Jahr ihr Studium an einer Universität oder Hochschule beginnen werden. Sie können eine Revolution in Gang setzen, die ganz Flandern verändern kann, mit einem einzigen Wort, wenn sie gefragt werden, ob sie bei einer Studententaufe mitmachen wollen: "Nein", wünscht sich De Morgen.
Boris Schmidt