"Entscheidende Präsidentschafts- und Parlamentswahl in der Türkei", schreibt Le Soir auf Seite eins. Für L'Echo ist es "eine Wahl in Form einer Volksabstimmung über Erdogan". "'Diese Wahlen werden für die ganze Welt wichtig'", liest man bei De Tijd. "Die wichtigsten Wahlen für Europa – 'Erdogan wird alles dafür tun, um an der Macht zu bleiben'", so De Morgen.
60 Millionen wahlberechtigte Türken stehen vor einer Entscheidung über die Zukunft ihrer Gesellschaft, kommentiert La Libre Belgique: Wollen sie eine friedliche, Europa zugewandte Gesellschaft? Oder wollen sie dem autoritären Erdogan ein drittes Mandat geben, der in seinen Ansprachen nicht müde wird, ihnen eine starke, unabhängige und anti-westliche Türkei zu versprechen? Fast alle Umfragen sehen den Präsidentschaftskandidaten der Opposition vorn. Die Panik in den Reihen der Regierungskoalition ist in den letzten Tagen immer offensichtlicher geworden, Erdogan hat höhere Gehälter und kostenloses Gas versprochen, Russland und die Golfmonarchien haben versucht, ihm Rettungsringe zuzuwerfen. In den 20 Jahren, die er an der Macht ist, hat Erdogan zwar Ordnung, beeindruckende öffentliche Projekte und eine Wiederbelebung der Wirtschaft gebracht. Gleichzeitig hat er aber auch die Demokratie untergraben, ist er verantwortlich für die zunehmende Polarisierung in der Gesellschaft, die rasende Inflation und die wuchernde Korruption, die beim letzten Erdbeben so viele Menschenleben gekostet hat. Außerdem hat sich Erdogan auch in viele militärische Alleingänge gestürzt. All das wird eine Rolle spielen bei den Wahlen morgen, deren Ausgang weit über die Grenzen der Türkei hinaus wichtig sein wird, so La Libre Belgique.
Zusammenarbeit ist die einzige Option
Die Wahlen sind vor allem aus zwei Gründen wichtig, sowohl für die Türken als auch für den Westen, schreibt De Morgen: Erstens, weil sie eine Hoffnung auf eine Rückkehr der Demokratie bieten nach Jahren der Autokratisierung. Zweitens aus geostrategischen Gründen: Die Türkei ist als Bindeglied zwischen dem Westen und dem Nahen Osten wichtiger denn je. Und die Türkei kontrolliert den strategisch wichtigen Zugang zum Schwarzen Meer. Ein Land, das offen gen Europa blicken würde und ein loyaler Nato-Alliierter wäre, wäre ein zuverlässigerer Gesprächspartner als die Türkei Erdogans der letzten Jahre. Eines sollte man aber nicht ausblenden: Sollte die Türkei tatsächlich Europa wieder die Hand reichen wollen, dann würde das die Europäische Union zu einer klaren Antwort zwingen. Eine neue Zusammenarbeit wäre zwar keine Selbstverständlichkeit, schon gar nicht unter den aktuellen Umständen, aber es ist die einzige Option, wenn man Schlimmeres verhindern will, mahnt De Morgen.
Die kommenden Tage werden entscheidend für die Zukunft der Demokratie, betont auch L'Avenir. Denn wenn Erdogan gewinnt, wird er ihr weiter hart zusetzen. Aber wenn er nicht wiedergewählt werden sollte, wird er dieses Ergebnis dann anerkennen?
Keine Einzelfälle
L'Echo greift in seinem Leitartikel den Wirbel um entsandte Kabinettsmitarbeiter auf: Es ist schlicht ungesund, wenn sich Minister in ihren oft üppig besetzten Kabinetten mit zahlreichen Menschen umgeben, die von anderen Stellen dorthin abgeordnet worden sind. Diese zum Beispiel aus Verwaltungen und öffentlichen Unternehmen stammenden Personen werden dann auch noch oft von ihrem ursprünglichen Arbeitgeber weiterbezahlt. Die offizielle Begründung ist dabei stets dieselbe: Um ihre Aufgaben gut erfüllen zu können, brauchen die Minister eben Expertenwissen, gerade in sehr technischen Dossiers. Die inoffizielle Begründung ist weit weniger glorreich: Viele Posten in Verwaltungen werden politisch besetzt, wenn ein neuer Minister kommt, misstraut er diesen Menschen, die von Vorgängerregierungen auf ihre Posten gesetzt wurden. Deswegen wäre es am besten, wenn sich jeder wirklich auf seinen Job konzentrieren würde und die Politik sich aus Verwaltungen und öffentlichen Unternehmen raushalten würde, fordert sinngemäß L'Echo.
Le Soir hat sich derweil die Mühe einer Bestandsaufnahme gemacht. Das vielsagende Ergebnis: Fast die Hälfte der Kabinettsmitarbeiter aller Ebenen sind von anderen Stellen abgeordnet, zwei Drittel davon aus öffentlichen Verwaltungen. Fast 80 Prozent der entsandten Mitarbeiter werden weiter von ihrem ursprünglichen Arbeitgeber bezahlt, eine Ausnahme bildet nur Flandern, wo das seit 2016 nicht mehr erlaubt ist. Wir reden also nicht von Einzelfällen, sondern von einem massiven Phänomen. Damit wird übrigens auch ein anderes Argument der frankophonen und föderalen Politik ab absurdum geführt, nämlich dass die Kabinette kleiner und günstiger geworden seien. Sind sie nicht, die Mitarbeiter werden einfach nur von außen geholt und bezahlt, giftet Le Soir.
Irreführende Werbung und Abwärtsspirale
Het Laatste Nieuws befasst sich mit den Preisen in den Supermärkten: Fast alle Ketten haben in den letzten Wochen große Werbe-Offensiven gestartet. Angeblich um unsere Kaufkraft zu retten, haben sie Preissenkungen für hunderte Produkte angekündigt. Aber wie Untersuchungen zeigen, erhöhen sie gleichzeitig die Preise für rund drei Mal so viele Produkte. Die Supermärkte sollten wirklich aufpassen, dass sie jetzt nicht auch noch ihre Glaubwürdigkeit mit solchen irreführenden Kampagnen verramschen. Gerade in Zeiten, in denen Ehrlichkeit und Transparenz für Kunden immer wichtiger geworden sind. Sonst haben die Supermärkte bald noch ganz andere Probleme als schrumpfende Gewinnmargen, warnt Het Laatste Nieuws.
Von Preiskampf im Sinne des Portemonnaies der Kunden ist also kaum eine Spur, schreibt das GrenzEcho dazu. In der Zwischenzeit dauert der unerbittliche Konkurrenzkampf im Einzelhandel an, weil die Gewinnmargen – zumindest nach eigenen Angaben – weiter sinken. Hinzu kommt, dass die Anzahl der Geschäfte innerhalb eines Jahrzehnts in Belgien um die Hälfte gestiegen ist, sodass die Supermärkte wie nie zuvor um Kunden buhlen müssen. Am Ende geht es schlicht und ergreifend darum, die Kosten zu drücken – zum Leidwesen der Beschäftigten. Der jüngste Sozialkonflikt bei Delhaize könnte hier ein Vorgeschmack für weitere Arbeitskämpfe sein. Wo liegt das Ende der Abwärtsspirale?, fragt das GrenzEcho.
Boris Schmidt