"Heute ist der Tag der Wahrheit für Ministerin Petra De Sutter", schreibt Gazet van Antwerpen auf Seite eins. "Man hat noch längst nicht alles gehört über die Missstände bei der Post", titelt Het Laatste Nieuws und zitiert dabei einen Oppositionspolitiker. Und ein Vorgeschmack steht wohl schon auf Seite eins von L'Echo und De Tijd: "Bpost hat Millionen an McKinsey gezahlt ohne Ausschreibung", so die Aufmacher-Geschichte beider Wirtschaftszeitungen.
Die Liste der Unregelmäßigkeiten bei Bpost wird offensichtlich immer länger. Erst wurden illegale Preisabsprachen im Zusammenhang mit der Zeitungszustellung bekannt. Dann kam ans Licht, dass zwei Kabinettsmitarbeiter der zuständigen Ministerin Petra De Sutter auf der Gehaltsliste von Bpost standen. Und nun soll also Bpost Millionen für Dienstleistungen des Consulting-Unternehmens McKinsey bezahlt haben, ohne dass dafür die erforderlichen Ausschreibungen getätigt wurden. Über all das wird Petra De Sutter heute im Ausschuss Rede und Antwort stehen müssen. In Het Laatste Nieuws versprechen Oppositionspolitiker ein "Feuerwerk an Fragen".
Für Petra De Sutter wird es unbequem
Petra De Sutter wird sich im Ausschuss eine Reihe von sehr unbequemen Fragen anhören müssen, orakelt De Tijd in ihrem Leitartikel. Vor allem aber dürften wir Zeuge eines scheinheiligen Schauspiels gespielter Empörung werden. Denn fast alle Parteien, auch die, die jetzt in der Opposition sitzen, haben auf vergleichbare Praktiken zurückgegriffen. Niemand ist da ohne Sünde. Entsprechend dürfte denn auch nicht mit allzu dicken Steinen auf Ministerin De Sutter geworfen werden. Dies, zumal sie ihre Fehler ja längst eingeräumt und die fraglichen Missstände aus der Welt geschafft hat.
Die verstecke Bezuschussung von Bpost gibt es im Übrigen nicht erst seit gestern. Und De Sutter hat schon sehr klar gemacht, dass sie jetzt nicht zur alleinigen Buhfrau werden und den Kopf für die Fehler der Vergangenheit hinhalten wolle. Was zu ihrem Vorteil spielen kann: Innerhalb der Politik gibt es keine einheitliche Zukunftsvision für die Post. Wieviel beziehungsweise wie wenig Einfluss die Politik auf die Entscheidungen bei Bpost haben sollte, ist nach wie vor sehr umstritten.
Für die Groen-Politikerin und Vize-Premierministerin Petra De Sutter dürfte es wohl tatsächlich der wichtigste Tag in ihrer politischen Karriere werden, glaubt De Morgen. Denn insbesondere im Zusammenhang mit ihren von Bpost bezahlten Mitarbeitern wirkt sie doch angreifbar. Wobei sich da seit einigen Tagen ein neuer Eindruck aufzwingt: Das Ganze wirkt inzwischen wie eine klassische Abrechnung. Geschasste Bpost-Manager wollen offensichtlich die Regierung mit in den Abgrund ziehen. Der Krieg wird mittels geleakter E-Mails und Textnachrichten, die in regelmäßigen Abständen an Journalisten weitergegeben werden, ausgefochten. Bei alledem sollte man aber vielleicht mal die richtigen Fragen stellen. Sind die großen Mitarbeiterstäbe, die sogenannten Kabinette wirklich noch zeitgemäß?
Undurchsichtige Besetzung der Kabinette
Genau diese Frage stellt sich auch Gazet van Antwerpen. Diese Regierung beschäftigt insgesamt stolze 800 Kabinettsmitarbeiter. Ungefähr die Hälfte davon wurde entsandt, meist aus der Verwaltung, aber auch von der Armee, der Justiz oder dem Gefängniswesen. Diese entsandten Mitarbeiter dienen quasi als Schnittstelle zwischen den politisch Verantwortlichen und ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen. Das ist aber ein typisch belgisches Phänomen. In anderen Ländern wendet sich der Minister direkt an sein Ministerium. Die Polemik um die Mitarbeiter von Petra De Sutter steht im Grunde nur beispielhaft für die in aller Regel undurchsichtige Besetzung von Mitarbeiterstäben. Es wäre denn auch schön, wenn sich die Debatte heute im Ausschuss auch mal mit den Kabinetten insgesamt auseinandersetzen würde. Das ist aber leider eher unwahrscheinlich.
La Libre Belgique sieht das ähnlich: Auf den ersten Blick mag das ja alles noch legitim sein: Ein Minister stellt sich ein Team von Vertrauensleuten zusammen, die sehr spezifische Kompetenzen und eine unbestrittene technische Expertise mitbringen und die auch über ein volles Adressbuch verfügen. So weit, so gut. Nur müssen da zwei Grundbedingungen erfüllt sein: Transparenz und Unabhängigkeit in Gehaltsfragen. Es darf kein Zweifel darüber bestehen, dass diese Berater wirklich unabhängig sind. Und ein erster wichtiger Schritt ist dann tatsächlich, dass der Minister auch im wahrsten Sinne des Wortes der Arbeitgeber seiner Experten ist. In anderen Ländern hat man dieses Problem längst gelöst. Dort sind die Verwaltungen so schlagkräftig und zudem politisch unabhängig, dass keine parallelen Beraterstäbe nötig sind. Das macht eigentlich einen modernen Staat aus.
Der Stall lässt sich nur schwer ausmisten
Auch Het Laatste Nieuws fordert ein Großreinemachen. Das Fazit ist doch längst offensichtlich: Schlechte Betriebs- beziehungsweise Regierungsführung macht ärmer. Beispiel Bpost: Infolge der Misswirtschaft ist der Aktienkurs in den Keller gerauscht. 28 Euro war die Postaktie mal wert, jetzt sind es noch 4,50 Euro. Anderes Beispiel: Insbesondere die PS hat die Post immer als Jobmaschine missbraucht. Koste es, was es wolle. Das Unternehmen war nie wirklich autonom; PS-Schwergewichte verhandelten in den Hinterzimmern mit dem Management. Heute geht es vordergründig um Petra De Sutter. Aber viel zu viele Parteien haben die inzestuöse Beziehung zwischen dem Unternehmen und dem Staat unterhalten.
De Standaard hat da vor allem eine Partei im Sinn: Man wird den Eindruck nicht los, dass der Stall nur ausgemistet werden kann, wenn auch die PS das will. PS-Spitzenleute gingen bei Bpost ein und aus. Und das Consulting-Büro McKinsey organisierte für das Unternehmen die versteckte Subventionierung durch den Staat. Diese unheimliche Allianz symbolisieren einige Spitzenleute der Post, wie etwa die Bpost-Aufsichtsratsvorsitzende Audrey Hanard, die von McKinsey kommt und nebenbei auch beste Beziehungen zur Parti Socialiste unterhält. De Sutter dürfte längst gemerkt haben, auf welch vermintes Terrain sie sich begeben hat. Bei der Post aufräumen zu wollen, das wird mit jedem Tag gefährlicher.
Roger Pint