"Frankreich: Massive Proteste gegen Rentenreform dauern an", schreibt das GrenzEcho auf Seite eins. "Frankreich fürchtet einen Flächenbrand", titelt Le Soir.
Die anhaltenden Proteste in Frankreich gegen die Rentenreform sind zwar kein beherrschendes Thema auf den Titelseiten der Zeitungen, werden aber von gleich mehreren Leitartiklern aufgegriffen.
Das GrenzEcho analysiert: Die Entscheidung von Emmanuel Macron, das Parlament zu umgehen und seine zutiefst unpopuläre Rentenreform brachial durchzusetzen, offenbart ein grundlegendes Problem des französischen Präsidenten.
Die französische Politik ist – im Gegensatz etwa zu der belgischen – systembedingt nicht auf Kompromisse ausgelegt. Der Regelfall sieht das Durchregieren des Staatspräsidenten vor. Doch hat Macron mit seiner Rentenreform weder eine (gefühlte) Mehrheit in der Bevölkerung, noch eine (faktische) Mehrheit im Parlament.
Um die Rentenreform dennoch durchzudrücken, profiliert sich Macron als Macher, der mit höchstem persönlichem Einsatz seine Vision umsetzt. Signale, die auch in Brüssel ankommen werden. Welche Spielräume dem "großen Europäer", als der er sich gerne inszeniert, während seiner restlichen Amtszeit jedoch noch bleiben werden, ist ungewisser denn je, glaubt das GrenzEcho.
Wütende Franzosen, brave Belgier?
La Dernière Heure beobachtet: Die massiven Proteste der französischen Bevölkerung gegen die Rentenreform rufen in Belgien bei den einen Erstaunen hervor, bei anderen Bewunderung.
Erstaunen deshalb, weil sich die Franzosen über eine Anhebung des Renteneintrittsalters um zwei Jahre auf 64 Jahre aufregen. Wobei man in Belgien schon jetzt erst mit 67 Jahren in Rente gehen kann. Die Anhebung in Frankreich scheint logisch angesichts der immer weiter steigenden Lebenserwartung. Bewunderung anderseits für die Kraft und den unbändigen Willen der Franzosen, für ihre Anliegen auf die Straße zu gehen, massiv gegen Pläne zu demonstrieren, mit denen sie nicht einverstanden sind. Im Vergleich zur französischen Wut erscheint der Belgier ziemlich brav - oder auch vernünftig. Das kann man sehen, wie man will, wägt La Dernière Heure ab.
La Libre Belgique sieht die Proteste in Frankreich in einem weiteren Zusammenhang und bemerkt: Die beiden großen gesellschaftlichen Herausforderungen sind zurzeit in vielen Ländern der Kampf gegen den Klimawandel und die immer älter werdende Gesellschaft. Dass hier etwas getan werden muss, darin sind sich alle einig. Doch wenn politische Maßnahmen getroffen werden, regt sich großer Widerstand.
Das Allgemeininteresse stößt dann auf Widerstand von Einzelinteressen. Das ist der Fall in Frankreich in Bezug auf die Rente, in den Niederlanden und in Flandern bei der Eindämmung von Stickstoff in der Landwirtschaft in Europa beim geplanten Aus für den Verbrennungsmotor. Klar ist jedoch: Es muss etwas getan werden. Die Politik muss nach Lösungen suchen, damit akzeptable Entscheidungen schnell getroffen werden können, mahnt La Libre Belgique.
Regierung De Croo am Scheideweg
Het Laatste Nieuws sieht dabei konkret auch Belgien vor einer großen Aufgabe und führt aus: Gerade hat die Regierung festgestellt, dass das Haushaltsdefizit um sechs Milliarden Euro niedriger ausfällt als geplant. Die Politiker freuen sich darüber.
Aber um es klar zu sagen: Der Staat macht trotzdem noch 27 Milliarden Euro Minus. Die Staatsschuld von Belgien wächst weiter in schwindelerregende Höhen. Es ist klar, dass dagegen nur unpopuläre Maßnahmen helfen. Um die Bevölkerung da mitzunehmen, müssen die Politiker selbst mit gutem Beispiel vorangehen, fordert Het Laatste Nieuws.
Auch die Wirtschaftszeitung De Tijd meint: Die sechs Milliarden Euro dürfen jetzt nicht dazu führen, dass die Regierung sich selbstzufrieden zurücklehnt. Vielmehr sollten die sechs Milliarden Euro ein Ansporn sein, Reformen tatkräftig anzupacken. Trotz der anstehenden Wahlen im kommenden Jahr.
Die Regierung De Croo steht am Scheideweg: Entweder lässt sie sich weiter von den Sozialisten zur Untätigkeit zwingen oder sie macht mutige Politik für die Zukunft des Landes, weiß De Tijd.
Was Tiktok mit Corona zu tun hat
L'Echo notiert zur Bankenkrise in den USA: Einer der Hauptgründe für die Pleite der Banken Silvergate und Signature Bank ist, dass beide Banken ihre Geschäftsmodelle zu großen Teilen auf Kryptowährung aufgebaut hatten. Kryptowährung ist großen Schwankungen unterworfen. Europäische Banken lassen die Finger von diesem hochspekulativen Zahlungsmittel.
Die Silicon Valley Bank ihrerseits war stark in der Tech-Start-Up-Szene tätig, wo auch viele Risiken lauern. Kryptowährung und Start-Up-Unternehmen der IT-Szene müssen künftig als Gefahren für Banken gezählt werden, resümiert L'Echo.
Gazet van Antwerpen berichtet: Das Verbot der chinesischen Social Media-App Tiktok hat mittlerweile auch die lokale Verwaltungsebene erreicht: In Antwerpen wird Tiktok bereits von der Hälfte aller Gemeindeverwaltungen verboten. Kritiker sagen, dass diese Vorsicht übertrieben sei. Ein bisschen erinnert das an den Beginn der Corona-Pandemie. Damals minimalisierten wir auch die Gefahr, die aus China kam. Große Wachsamkeit bleibt geboten, behauptet Gazet van Antwerpen.
Kay Wagner