"Migration: Föderalregierung einigt sich auf Maßnahmenpaket – Belgien will Migranten schneller abschieben", titelt das GrenzEcho "Eine historische Einigung, aber kein Ausgang aus der Krise", schreibt Le Soir. "Eine Einigung, die noch konkretisiert werden muss", liest man bei La Libre Belgique. " 700 Auffangplätze kommen dazu, aber das reicht nicht", ergänzt Gazet van Antwerpen.
Insbesondere die Rückführungspolitik, das eigentliche Rückgrat des "Migrations-Deals", geht von naiven Prämissen aus, kommentiert De Standaard. Denn das Ziel soll nun sein, alle Asylbewerber in die europäischen Länder zurückzuschicken, in denen sie zuerst angekommen sind, so wie es die sogenannten "Dublin-Regeln" vorsehen. Das Problem: Italien hat nicht vor, diese Regeln anzuwenden, aus Furcht, dass Abertausende Flüchtlinge zurück nach Rom geschickt werden könnten. Genauso illusorisch ist die Vorstellung, dass die Zahl der Migranten in absehbarer Zeit einseitig begrenzt werden kann, wir sehen doch quasi täglich, dass diese Menschen verzweifelt genug sind, um alles zu tun, um nach Europa zu kommen.
Der neue belgische Deal kann also höchstens als sehr bescheidener Anfang bezeichnet werden. Wer hingegen versucht, den Kompromiss stolz als wirksames Instrument zu verkaufen, das die Flüchtlings- und Migrationsproblematik in Belgien und Europa lösen wird, der wird nur noch mehr Frust und Polarisierung bewirken, giftet De Standaard.
Ehrgeiz? Fehlanzeige!
Wie immer bei Asyl-Einigungen durfte auch dieses Mal das unvermeidliche Allheilmittel nicht fehlen, eine strengere Umsetzung der Dublin-Regeln, stichelt De Morgen. Wer glaubt denn bitte, dass Syrer und Afghanen über die Nordsee nach Belgien kommen? Diese Menschen kommen über das Mittelmeer und durch die südlichen Länder Europas. Wer "Dublin" schreit, wendet sich also vor allem mit einer klaren Botschaft an Griechenland, Spanien und Italien: Hier habt ihr eure Asylbewerber zurück, kümmert ihr euch um das Problem. Das ist keine Politik, sondern schlicht Mutlosigkeit, wettert De Morgen.
Eines ist klar, stellt Le Soir fest: Diese Einigung wird die Unterbringungskrise nicht lösen, sondern höchstens eindämmen. Ehrgeiz sucht man hier vergeblich, die Regierungsparteien haben sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt. Hinzu kommt, dass das Beschlossene auch tatsächlich ausgeführt werden muss, bisher sprechen wir lediglich von zugesagten zusätzlichen Plätzen. Die Bürgervereinigungen, Gerichte und Medien werden wachsam bleiben müssen, dass diese Versprechen auch eingehalten werden, meint Le Soir.
Auch La Libre Belgique zeigt sich skeptisch: bezüglich der zugesagten personellen und materiellen Ressourcen, der geplanten neuen Unterkünfte und natürlich der tatsächlichen Rückführung abgelehnter Asylbewerber. Wenn den getroffenen Entscheidungen nicht schnell auch Taten folgen, könnten wir schon bald wieder mit besetzten Häusern konfrontiert werden. Wir warten weiter auf eine Lösung der strukturellen Probleme und auf eine Reform der Migrationsgesetzgebung – die ja schließlich schon in die Regierungsvereinbarung hineingeschrieben wurde, erinnert La Libre Belgique.
Das Problem kann nur europäisch gelöst werden
Auch wenn die Reform der Migrationsgesetzgebung stimmen- beziehungsweise wahltechnisch wohl wenig rentabel ist, ist sie von größter Bedeutung, scheint L'Echo einzuhaken. Angesichts mehrerer internationaler Konflikte, der Klimakrise und den durch sie bedingten Naturkatastrophen und natürlich nicht zuletzt auch angesichts des hartnäckigen Wohlstandsgefälles wird der Migrationsdruck in absehbarer Zeit nicht abnehmen. Deshalb führt kein Weg daran vorbei, dass Belgien und Europa sich ihrer diesbezüglichen Verantwortung stellen müssen, ist L'Echo überzeugt.
Klar ist, dass kein Nationalstaat allein für eine geregelte Zuwanderung auf dem europäischen Territorium sorgen kann, hält das GrenzEcho fest. Dies muss im Konsens auf Ebene der 27 Mitgliedsstaaten geschehen. Wenn sich jedoch die Länder in Nord- und Mitteleuropa zusammenschließen, um das Problem auf Südeuropa abzuwälzen, dann steht es schlecht um die europäische Integration – und die Menschenrechte, warnt das GrenzEcho.
Im Gegensatz zu früheren föderalen Regierungen hat sich die jetzige dagegen entschieden, abgelehnte Familien ohne gültige Papiere in geschlossenen Abschiebezentren unterzubringen, hebt Het Laatste Nieuws hervor. Mehr noch, sie verankert ein entsprechendes Verbot nun sogar gesetzlich. Damit gehört die belgische zu den mildesten Regierungen in Westeuropa. Das Ziel an sich ist ja auch durchaus nobel, nichts ist schlimmer, als Familien und damit Kinder wegzusperren. Aber egal wie hehr die Absichten auch sind, dieses Gesetz wird Folgen haben für die Asylpolitik: Es wird noch schwieriger werden, abgelehnte Flüchtlingsfamilien auszuweisen. Mit dem neuen "Migrations-Deal" mögen ja andere Hintertüren geschlossen werden – aber hier wird eben auch eine neue geschaffen, kritisiert Het Laatste Nieuws.
Die Gewerkschaften untergraben sich selbst
Het Nieuwsblad schließlich greift den heutigen Streik auf: Pendler werden sich wieder in Geduld üben müssen, die Mülleimer werden nicht geleert werden und die Schalter werden geschlossen bleiben. Manchmal scheint es fast, als ob die Streiks mittlerweile zu monatlichen Events geworden sind, mit wechselnden Themen. Welches ist heute dran? Ach ja, mehr Unterstützung für den öffentlichen Dienst. Denn schließlich kann man ja nicht immer nur für mehr Kaufkraft demonstrieren.
Die Gewerkschaften scheinen nicht zu begreifen, dass sie gerade dabei sind, sich tot zu demonstrieren, dass sie ihr ultimatives Druckmittel wertlos machen, weil sie es alle naselang einsetzen. Wir haben uns mittlerweile so an die andauernden Streiks gewöhnt, dass wir einfach unsere Pläne kurzfristig anpassen – im Wissen, dass danach alles wieder seinen gewohnten Gang gehen wird, seufzt Het Nieuwsblad.
Boris Schmidt