"Militärische Hilfe Belgiens für die Ukraine ist ärmlich und scheinheilig", zitiert Gazet van Antwerpen einen belgischen Militärexperten auf Seite eins. "2023 wird entscheidend für die kommenden zehn Jahre sein", zitiert La Libre Belgique den EU-Ratspräsidenten Charles Michel auf ihrer Titelseite.
Der Krieg in der Ukraine ist zwar kein dominierendes Thema für alle Zeitungen, aber zumindest Het Belang van Limburg widmet ihm auch seinen Leitartikel. Mit Blick auf die Diskussion um neue Waffenlieferungen an die Ukraine schreibt die Zeitung: Die Ukraine bekommt vom Westen genug Waffen, um sich erfolgreich gegen Russland zu verteidigen. Aber nicht genug Waffen, um den Krieg zu gewinnen. Dabei fängt vor allem das deutsche Zögern, wirkungsvolle Angriffswaffen zur Verfügung zu stellen, langsam an zu nerven. Konnte man zu Beginn des Kriegs das deutsche Zögern beim Thema Waffenlieferungen mit Blick auf die Geschichte noch verstehen, so zeigt der Verlauf des Kriegs, dass es zu massiven Waffenlieferungen keine Alternative gibt. Russland setzt alles in Bewegung, um seine Ziele zu erreichen. Darauf muss mit der gleichen Entschlossenheit vom Westen reagiert werden. Es sei denn, dass es einem nichts ausmacht, bald russische Panzer in Lviv zu sehen, oder sogar noch näher, warnt Het Belang van Limburg.
Jeder gegen jeden
Mehrere andere Zeitungen kommentieren die politischen Neujahrsempfänge. Ganz allgemein meint dazu De Standaard: Diese Neujahrsempfänge sind Doping für die einzelnen Parteien. Was dort stattfindet, ist eine Beweihräucherung. Dort geht es nicht um die Realität. Als Oppositionspartei wettert man gegen die Regierung. Als Regierungspartei klopft man sich auf die Schulter. Alle teilen gegen alle anderen aus. Auch dieses Jahr ist das nicht anders. Das ist bedauerlich. Denn eigentlich wartet noch eine gehörige Portion Arbeit auf alle Parteien, bevor im Mai 2024 wieder gewählt wird, klagt De Standaard.
L'Avenir bringt ein Beispiel, das die Analyse von De Standaard bestätigt, und berichtet: Gestern hat der Brüsseler PS-Chef Ahmed Laaouej beim Neujahrsempfang in der Hauptstadt gegen die Grünen gewettert. Sie würden mit ihrer Umweltpolitik soziale Ungleichheiten fördern. So ein Angriff nach allen Regeln der Kunst ist schon bemerkenswert, weil er sich gegen einen Koalitionspartner richtet. Mal schauen, wie die Antwort darauf von den Grünen ausfällt. In fünf Tagen werden wir es wissen, prophezeit L'Avenir.
"King Connah" ist ein Kind seiner Zeit
Gazet van Antwerpen ihrerseits analysiert den Neujahrsempfang der flämischen Sozialisten und führt aus: Vooruit-Chef Conner Rousseau hat gestern gegen die flämische Regierung und die N-VA ausgeteilt. Das steht in schrillem Kontrast zu den Plänen, die Vooruit mit der N-VA hat. Denn es ist ein offenes Geheimnis, dass beide Parteien zusammen gerne die nächste flämische Regierung stellen wollen. Und vielleicht auch, wenn der Wähler es denn erlaubt, zusammen auf föderaler Ebene regieren möchten, erinnert Gazet van Antwerpen.
Auch La Dernière Heure beschäftigt sich mit "King Connah", wie die Zeitung Rousseau nennt, und stellt fest: Ob man seinen Stil mag oder nicht – zwei, drei Dinge muss man ihm lassen: Der junge Mann, gerade einmal 30 Jahre alt, ist der erste Sozialist seit Steve Stevaert, der in der Liste der beliebtesten Politiker Flanderns ganz oben steht. Als Kind seiner Zeit hat Rousseau die flämischen Sozialisten für neue Wählergruppen geöffnet. Gleichzeitig bleibt er sozialistischen Grundwerten treu. Er nennt Dinge bei ihrem Namen. Sehr wahrscheinlich hätte er auch nichts dagegen, als jüngster Premierminister in die Geschichte des Landes einzugehen, orakelt La Dernière Heure.
Arroganz der Regierung
Le Soir kommentiert eine neue Umfrage über die belgische Gesellschaft und fasst zusammen: Die Mehrheit der Befragten wünscht sich eine autoritäre Regierung. Bereits im Februar 2020 waren es 52,1 Prozent. Im vergangenen Juli, auf dem Höhepunkt des Kriegs in der Ukraine, der Energie-Krise und der Inflation, waren es 66,2 Prozent. Das zeigt deutlich: Es ist nicht mehr ein Graben, der die Bürger von ihren demokratischen Einrichtungen trennt, sondern ein Abgrund. Eine der größten Ursachen dafür ist die Ungleichheit des Wohlstands. Ein Prozent der Belgier besitzt ein Viertel des Reichtums des Landes. Die Demokratie schafft es nicht, das zu regulieren. Niemand hat die Patentlösung, wie man das ändern könnte. Aber deshalb die Demokratie aufzugeben, wird zu Chaos und Gewalt führen, weiß Le Soir.
De Morgen beschäftigt sich mit den Zwangspfändungen bei Fedasil und meint: Damit wird die jahrelange Arroganz unserer Regierung nun endlich bestraft. Über 7.000 Mal wurde unser Land schon wegen Missachtung des geltenden Asylrechts verurteilt. Gezahlt haben weder die aktuelle Asyl-Staatssekretärin noch ihre Vorgänger. Die aktuellen Pfändungen haben natürlich nur Symbolcharakter. Aber sie bergen die Hoffnung darauf, dass sich etwas ändert. Politiker müssen sich an die Gesetze halten, die sie selbst verabschiedet haben, anders geht es nicht, unterstreicht De Morgen.
Kay Wagner