"Wirtschaftskrise: Kosten-Tsunami walzt auf unsere Unternehmen zu", schreibt das GrenzEcho auf Seite eins. "Die Mehrkosten für Löhne und Energie belaufen sich auf 33 Milliarden, ein 'Tsunami' für die Unternehmen, sagt FEB", titelt La Libre Belgique. "FEB warnt vor 'Kosten-Tsunami'", liest man auch in De Tijd. Denn genau diese drastischen Worte hat der Belgische Unternehmerverband gestern bei der Vorstellung seiner Konjunkturdaten und -prognosen gewählt.
Schon 2020 und 2021 haben uns die Kassandrarufer einen Pleiten-Tsunami versprochen, kommentiert La Libre Belgique. Der ausgeblieben ist. Seit 2022 beschwören die Arbeitgeberverbände regelmäßig einen Kosten-Tsunami, der der Wettbewerbsfähigkeit und der Wirtschaftlichkeit der Unternehmen schade. Aber dennoch haben die Betriebe das Jahr ziemlich gut überstanden. Das ist aber sicher kein Grund, den gestrigen Aufruf des FEB für einen "Wettbewerbspakt" mit Herablassung zu strafen. Denn angesichts der Unsicherheiten, mit der die wirtschaftlichen Aussichten für 2023 behaftet sind, hätte ein solcher Pakt durchaus Vorteile: Er könnte dabei helfen, den Druck auf die Unternehmen zu verringern, die Umstellung der Wirtschaft voranzutreiben, den sozialen Frieden zu garantieren und das Vertrauen wieder zu festigen. Vielleicht es ja genau das, was wir 2023 am dringendsten brauchen, meint La Libre Belgique.
Keine Einigung wäre noch schlimmer
De Tijd blickt auf die noch immer andauernden Verhandlungen zwischen der Föderalregierung und dem französischen Energiekonzern Engie über die Laufzeitverlängerung für die beiden jüngsten belgischen Atomreaktoren: Was im Raum steht, ist aus gleich mehreren Gründen schlecht. Zum einen geht es noch immer um eine grundsätzliche Einigung, die endgültige Höhe der Kosten bleibt also offen. Deutlich ist aber, dass es so oder so eine sehr teure Einigung für Belgien werden wird. Und schließlich wird sie auch nicht verhindern können, dass die Versorgungssicherheit für mindestens einen Winter sehr problematisch werden könnte, weil die Atomzentralen trotzdem zumindest zeitweilig geschlossen werden müssen für die notwendigen Modernisierungsmaßnahmen. Aber nach zwei Jahrzehnten ohne langfristige Energie-Vision stehen wir eben nun da, wo wir stehen.
Premier De Croo wird also alles daransetzen müssen, eine Einigung zu erzielen, die nie einen Schönheitspreis gewinnen wird. Denn keine Einigung wäre noch schlimmer, ohne Atomenergie würden die schon jetzt prekären Aussichten in puncto Stromausfälle noch düsterer werden, warnt De Tijd.
Wie lange wollen wir noch wegschauen?
De Morgen greift in seinem Leitartikel den jüngsten Brennpunkt der belgischen Unterbringungskrise auf: In einem besetzten Haus in der Brüsseler Stadtgemeinde Schaerbeek hausen bis zu tausend Personen unter immer menschenunwürdigeren und gefährlicheren Bedingungen. Über ihre Identität herrscht allerdings Unklarheit. Während Asylstaatssekretärin Nicole de Moor sagt, dass darunter kaum Asylsuchende seien, erklärt unter anderem das Rote Kreuz, dass die meisten von ihnen sehr wohl einen Asylantrag gestellt hätten. Keine einzige Behörde wollte es bislang auf sich nehmen, in das Gebäude hineinzugehen, um eine Registrierung der Menschen durchzuführen, prangert die Zeitung an.
Lieber die Hände in Unschuld waschen, als sie sich dreckig zu machen – das ist schon seit Jahren die belgische Strategie beim Umgang mit Menschen ohne Papiere. Trotz aller gegenteiliger Versprechungen lässt sich die Vivaldi-Regierung absichtlich Zeit und hofft, dass sich das Problem irgendwann von selbst lösen wird. Wie lange wollen wir hier noch wegschauen? Natürlich sind Migrationsströme und die versagende europäische Flüchtlingspolitik komplexe Probleme. Aber das bedeutet nicht, dass unser Land keine eigene tatkräftige Migrationspolitik führen kann, wettert De Morgen.
Nächste Woche werden unsere Minister und Parlamentsabgeordneten nach zwei Wochen Ferien wieder an die Arbeit gehen, erinnert Het Belang van Limburg. Hoffen wir, dass sie die Pause zum Durchatmen und zum Aufladen ihrer Batterien genutzt haben. Hoffen wir, dass sie das Jahr 2023 mit frischen Ideen und einer wiederbelebten Lust auf Zusammenarbeit angehen werden. Allerdings sind die Signale, die auf den Neujahrsempfängen der Parteien zu hören sind, nicht sehr ermutigend. Selbst die großartigsten Politiker sagen nämlich, dass es auf föderaler Ebene noch nie so schwierig war, Kompromisse zu finden. Dieses Frühjahr, vor der Haushaltskontrolle im März, wird die letzte Chance sein, um sich etwa auf eine Reform des Pensions- und Steuersystems zu einigen. Allerdings sind die Chancen darauf sehr klein, seufzt Het Belang van Limburg.
Ehrgeiz und Wagemut für 2023
L'Echo seinerseits blickt auf die Herausforderungen, die das neue Jahr für ganz Europa bringen wird: Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union müssen die schwächsten Bürger und Unternehmen weiter unterstützen angesichts der Preissteigerungen. Allerdings muss das gezielter als bisher geschehen, um den Teufelskreis nicht weiter zu befeuern. Sobald die Inflation es erlaubt, müssen die Staaten dann aber gemeinsam die nicht mehr notwendigen Unterstützungsmaßnahmen wieder zurücknehmen, um den gemeinsamen Binnenmarkt und die Stabilität des Euros nicht zu gefährden.
In puncto Energie ist es natürlich wichtig, sich zuerst um die drängendsten Probleme zu kümmern, wie die Versorgungssicherheit. Aber darüber dürfen wir die Dekarbonisierung unserer Wirtschaft nicht aus den Augen verlieren. Eine weitere Aufgabe für die Europäer wird sein, sich auf eine gemeinsame Strategie zur Stärkung ihrer Wirtschaft zu einigen, insbesondere angesichts der aggressiven Strategien der Vereinigten Staaten und Chinas.
Die Zukunft vorbereiten wird aber auch heißen, die militärischen Kapazitäten Europas zu entwickeln. Ohne die finanzielle und militärische Hilfe der USA hätte die Ukraine niemals Russland standhalten können. Aber niemand weiß, wie sich die Doktrin der Amerikaner mittelfristig entwickeln wird. Die Europäer müssen sich also darauf vorbereiten, in puncto Sicherheit selbst vorzusorgen. Europa darf nicht den Sirenengesängen derjenigen erliegen, die auf die Ruhe nach dem Sturm warten wollen, um all diese Herausforderungen anzugehen. Ehrgeiz und Wagemut – das ist es, was Europa braucht. Und was wir uns für 2023 wünschen, so L'Echo.
Boris Schmidt