"WM 2022: Wer sichert sich die Weltkrone?", fragt das GrenzEcho auf Seite eins. "Clash der Titanen: Messi gegen Mbappé", lautet die große Überschrift bei Het Nieuwsblad. "Argentinien-Frankreich: Der Drei-Sterne-Clash", so der Aufmacher bei La Dernière Heure. "Der Kleinste kann der Größte werden: Tritt Messi in die Fußstapfen von Maradona?", schreibt De Standaard.
Fast alle Zeitungen blicken auf ihren Titelseiten voraus auf das Finale der Fußball-Weltmeisterschaft am Sonntag. Ihre Leitartikel befassen sich allerdings mit ganz anderen und vor allem sehr diversen Themen. L'Echo beispielsweise greift den Korruptionsskandal im Europäischen Parlament auf: Eine positive Sache kann man dieser widerlichen Affäre abgewinnen, schreibt die Zeitung, nämlich dass sie unterstreicht, welche Bedeutung diese Institution hatte und haben wird für unser Alltagsleben. Im Gegensatz zu den nationalen Parlamenten verfügt das Europäische Parlament über eine echte Verhandlungsmacht gegenüber Staaten. Oft genug hat das EU-Parlament auch der Kommission im Nacken gesessen. Beispielsweise, als es für ehrgeizigere Ziele in puncto Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen gesorgt hat. Die Bestecher haben sich in der Wahl ihres Ziels nicht geirrt. Das belegt auch die lange Liste in Brüssel registrierter Lobbyisten, denn es sind noch mehr als etwa in Washington. Umso mehr Grund durchzugreifen also. Aber vielleicht sollten auch wir Bürger, die Zivilgesellschaft und die Parteien endlich anfangen, uns wirklich für diese Institution zu interessieren, schlägt L'Echo vor.
Unpopuläre Wahrheiten
De Standaard beschäftigt sich anlässlich der aktuellen Kälteperiode mit dem Heizverhalten: Der russische Überfall auf die Ukraine bewirkt diametral entgegengesetzte Energieentwicklungen. Zum einen schreitet die erneuerbare Energie schneller voran, als es sich selbst die größten Optimisten hätten ausmalen können. Außerdem sparen wir in Europa auch kollektiv immer mehr Energie ein und isolieren besser. Gleichzeitig explodiert aber auch der Verbrauch übelster fossiler Brennstoffe wie Steinkohle. Sämtliche Klimaversprechen werden über Bord geworfen aus Angst vor möglichen Blackouts und noch höheren Rechnungen. Die Auswirkungen spüren auch wir: 20 Prozent der Haushalte hierzulande heizen mit Holz. In diesen eisigen Tagen merkt man das besonders – an der stinkenden Luft und an der Feinstaubkonzentration. Öfen sorgen für mehr Umweltbelastung als Autos. Nichts gegen sie zu unternehmen ist also keine Option. So unpopulär das gerade auch sein mag, so De Standaard.
Gegen die hohen Energierechnungen und für höhere Löhne haben gestern in Brüssel auch wieder die Gewerkschaften demonstriert. Gazet van Antwerpen hat dafür aber wenig Verständnis: Bei allem Respekt vor den Menschen, die gerade Probleme haben, und auch vor dem Recht zu demonstrieren – aber Gewerkschaftsaktionen wie diese sind gerade jetzt nicht angebracht. Denn das ist eine Kriegserklärung an die Arbeitgeber und an die Regierung. Und auch an alle Menschen, die unter Streiks leiden. Und das in einer Zeit, in der wir doch eigentlich schon genug Krieg haben – und zu wenig Solidarität. Die wahre Ursache der Energiekrise liegt 2.000 Kilometer weit entfernt. Die Ukrainer haben auch keine Probleme mit hohen Energiepreisen – sie haben nämlich meistens gar keine mehr. Sie stehen vor einem Winter, den wir uns hier kaum ausmalen können. Die unmöglichen Forderungen der Gewerkschaften klingen denn auch im Licht der Situation in der Ukraine besonders schrill. Statt die Gesellschaft weiter zu spalten, sollten Gewerkschaften und Arbeitgeber lieber gemeinsam gegen die Krise kämpfen, fordert Gazet van Antwerpen.
Ein Statut für das Parlament der DG
Das GrenzEcho kommentiert die Arbeitsweise des Parlaments der Deutschsprachigen Gemeinschaft, Hintergrund ist die gerade zu Ende gegangene Haushaltsdebatte: Die Arbeit im Parlament der DG ist reformbedürftig. Die Schieflage zwischen einer Regierung mit Berufspolitikern und Mitarbeiterstab auf der einen und einem Parlament mit Teilzeitpolitikern auf der anderen Seite wird immer offensichtlicher. Eine Lösung ist nicht unbedingt ein kostspieliges Berufsparlament, aber doch zumindest die Einführung eines Statutes, das den Parlamentariern eine gewisse finanzielle Sicherheit bieten würde. Als Oppositionspolitiker "kämpft" man unter den aktuellen Voraussetzungen mit ungleichen Waffen gegen Regierung und Mehrheit. Mit einem eigenen Statut könnte sich das Parlament emanzipieren und eine neue Dynamik entwickeln, meint das GrenzEcho.
"Dr. Elon und Mr. Musk"
La Dernière Heure kommt zurück auf die jüngste Kontroverse um Elon Musk, seines Zeichens neuer Besitzer des Kurznachrichtendienstes "Twitter". Twitter hatte zunächst ein Benutzerkonto sperren lassen, das in Echtzeit über die Flüge von Privatjets von Milliardären informiert hatte, darunter auch Elon Musk. Kurz darauf sperrte Twitter die Accounts zahlreicher Journalisten, darunter auch renommierter Medien wie der Zeitungen "New York Times" und "Washington Post" und des Fernsehsenders CNN. Sie hatten zuvor über die Sperrung des Privatjet-Trackers berichtet. Es gibt aber auch Meldungen, dass Benutzerkonten von Journalisten gesperrt worden sind, die nicht darüber geschrieben hatten, sich in der Vergangenheit aber kritisch über Musks Verhalten geäußert hatten, etwa im Zusammenhang mit seiner Autofirma "Tesla".
Dr. Elon und Mr. Musk, giftet La Dernière Heure in Anspielung auf den Klassiker von Robert Louis Stevenson, "Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde". Der Mantel der Demokratie dieses selbsternannten "libertären" Herolds der Meinungsfreiheit ist ja schnell im Matsch gelandet. Er werde den kleinen blauen Vogel befreien, hatte Musk bei der Übernahme versprochen, stattdessen hat er ihn ganz schnell im Käfig verschwinden lassen. Noch am 6. November hatte Musk behauptet, keine Zensur zulassen zu wollen. Er werde sich für die Meinungsfreiheit einsetzen, so Musk damals. Das gehe so weit, dass er selbst den Privatjet-Tracker nicht verbieten werde, selbst wenn der eine direkte Gefahr für seine persönliche Sicherheit darstelle. Ein nun gebrochenes Versprechen. Musk hat sein wahres Gesicht gezeigt: das eines genialen Unternehmers, sicher, er ist auch ein medienwirksamer Störenfried, gar keine Frage. Aber er ist eben auch vor allem ein arroganter Mensch, dem seine eigene Egokratie viel wichtiger ist als die "Demokratie", die er angeblich verteidigen will, so das vernichtende Urteil von La Dernière Heure.
Boris Schmidt