"Trotz besorgniserregender Signale wurden keine Fehler gemacht", titelt L'Avenir. "Das Krankenhaus hat sich nichts vorzuwerfen", schreibt La Dernière Heure auf Seite eins. "Selbst, wenn die Prozeduren eingehalten wurden, wird man sie anpassen müssen", so die Schlagzeile von De Tijd.
Das Parlament hat gestern schon mit der Aufarbeitung des Mordanschlags auf einen Polizisten in Schaerbeek begonnen. Der mutmaßliche Täter war ja noch am selben Morgen zur Polizei gegangen und hatte selbst um psychiatrische Hilfe gebeten. Die Polizei hatte ihn auch in ein Krankenhaus gebracht, das der Mann aber aus freien Stücken und ungehindert wieder verließ. Einige Stunden später tötete er den 29-jährigen Polizeibeamten Thomas Monjoie.
Innenministerin Annelies Verlinden und Justizminister Vincent Van Quickenborne mussten sich gestern vor den zuständigen Kammerausschüssen den Fragen der Abgeordneten stellen. Beide bekräftigten, dass sich alle Akteure an die geltenden Prozeduren gehalten hätten. Entsprechend müssen man wohl eben diese Prozeduren hinterfragen.
Mordanschlag auf Polizisten – Die Prozeduren sind zu ändern
La Dernière Heure will sich mit diesen Erklärungen nicht zufrieden geben. "Wer, bitte schön, kann erklären, wie es möglich ist, dass ein Mann, der sich selbst für eine Gefahr hielt, ungehindert das Krankenhaus verlassen konnte?", fragt sich das Blatt. Wer kann erklären, warum ein Mann, der von Anschlagsplänen faselt, nicht sofort in Gewahrsam genommen wird? Irgendjemand muss diese Alarmsignale nicht ernst genug genommen haben. Und aus alle dem folgt die Kernfrage: Wie kann man verhindern, dass sich ein solches Drama wiederholt? Wir brauchen schnellstens eine Antwort!
Unverständnis auch nach wie vor bei Le Soir. Dass der mutmaßliche Täter sogar selbst um Hilfe gebeten hatte, um ihn davon abzuhalten zur Tat zu schreiten, und dass er dennoch auf freiem Fuß blieb, das will einem nicht in den Kopf gehen. Warum sind nicht alle Warnleuchten angegangen, als sich herausstellte, dass der Mann auf der Gefährderliste des Antiterrorstabs OCAM stand? Und warum wusste das Krankenhaus nichts davon? In der Tat: Wenn die Prozeduren eingehalten wurden, dann muss wohl irgendetwas mit den Prozeduren nicht stimmen.
Immer noch keine reibungslose Zusammenarbeit
Het Belang van Limburg ist davon noch nicht einmal überzeugt. Dass es nicht möglich sein soll, jemanden zwangseinzuweisen, nur weil er freiwillig darum bittet, das ist allenfalls eine halbgare Erklärung. Denn hier gibt es durchaus Interpretationsspielraum. Natürlich kann jemand festgehalten werden, wenn der Verdacht besteht, dass er oder sie eine Gefahr darstellt. Und das gilt wohl erst recht, wenn der Betreffende auf der Gefährderliste steht. Schon 2019 hatte eine Arbeitsgruppe zudem bereits Empfehlungen mit Blick auf die Professionalisierung von Zwangseinweisungen ausgesprochen. Hierzulande werden Lehren einfach nicht gezogen.
Es ist ein klassisches Déjà-vu, ist auch Het Laatste Nieuws überzeugt. Wieder erhärtet sich der Verdacht, dass der Informationsfluss zwischen den Beteiligten nicht reibungslos verlaufen ist. Das Krankenhaus etwa wusste offensichtlich nicht, mit wem man es zu tun hat. "Bei der Zusammenarbeit war Sand im Getriebe", das war in den letzten Jahren nach den diversen Tragödien immer die allererste aller Feststellungen. Und diese Probleme sind offensichtlich immer noch nicht gelöst. Immer noch braucht es erst ein Drama, um auf Fehlentwicklungen hinzuweisen.
Fußballgewalt – das Versagen der Clubs
Einige Zeitungen beschäftigen sich auch mit der geplanten Gesetzesverschärfung zur Bekämpfung von Gewalt in Fußballstadien. "Regierung knöpft sich Hooligans vor", notiert etwa das GrenzEcho auf Seite eins.
In Sachen Fußballgewalt stolpern wir immer über denselben Stein, analysiert Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Die Vereine wollen schlicht und einfach so wenig wie möglich für die Sicherheit in den Stadien bezahlen. Viel lieber wälzt man die Kosten auf die Allgemeinheit ab. Das Geld steckt man allein in teure Transfers, in der Hoffnung, dass die Ballkünstler mehr Publikum in die Stadien locken. Das rächt sich jetzt. Die Atmosphäre in den Fußballarenen ist so grimmig geworden, dass die Menschen ihre Kinder nicht mehr mitbringen wollen. Dass immer mehr Sitzplätze leer bleiben. Jetzt muss die Politik die Gesetze anschärfen, es sind aber die Clubs, die auf der ganzen Linie versagt haben.
Doch wird eine Gesetzesveränderung wohl leider nicht reichen, befürchtet De Morgen. Das größte Problem ist, dass die glühende Leidenschaft für einen Verein in manchen Köpfen einhergeht mit Gewalt. Diese mentale Brücke muss abgebrochen werden. Eine Gesetzesverschärfung allein wird da wohl nicht reichen. Vielleicht sollten die Clubs ihre Fans systematischer in ihr Tagesgeschäft miteinbeziehen.
Ein "eigenes" Datum für den DG-Festtag?
Das GrenzEcho beschäftigt sich in seinem Kommentar mit dem heutigen Festtag der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Dieser 15. November wirkt nach wie vor aufgesetzt, meint das Blatt. Und er hat zudem bislang einen elitären Charakter. Mit einem wirklichen Mehrwert könnte man ihn dennoch ausstatten: Indem man ein "eigenes" Datum dafür aussucht. Die Wahl für den 15. November war damals, 1990, Ausdruck einer besonderen Verbundenheit mit dem Königshaus. 32 Jahre später brauchen die deutschsprachigen Belgier ihre unerschütterliche Treue zu Staat und König aber nicht mehr unter Beweis zu stellen. Ein "eigenes" Datum wäre ein wichtiger Beitrag für die Identitätsfindung der Ostbelgier.
Roger Pint