"Ein entscheidender europäischer Gipfel, um unsere Wirtschaften zu entlasten", titelt L'Echo auf Seite eins und fügt im Innenteil hinzu: "Europa auf der Suche nach Einigkeit, um den Energiekrieg zu gewinnen". "Energie: Warum die Europäische Union keine Einigung findet", schreibt Le Soir.
Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union beugen sich heute über Vorschläge, wie die Gaspreise in Zaum gehalten werden können. Wieder einmal, kommentiert De Standaard. Auf weißen Rauch wird man auch dieses Mal nicht zu warten brauchen. Es sieht eher danach aus, als ob die verschiedenen Vorstellungen und Wünsche in den kommenden Wochen weiter untersucht werden sollen. Auch das ist ein Satz, der einem mittlerweile zu den Ohren rauskommt. Es ist allerdings nicht überraschend, dass eine Einigung so schwer ist, der Gasmarkt ist nun einmal extrem komplex. Die Mitgliedsstaaten haben unterschiedliche Interessen, die sie verteidigen müssen – deshalb kommen sie auch mit unterschiedlichen Vorschlägen, wie in die Preismechanismen eingegriffen werden soll.
Dabei steht viel auf dem Spiel: Nicht nur die Kaufkraft der Bürger, sondern auch die Versorgungssicherheit und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie. Aber während die Politiker weiter diskutieren, gehen die Märkte ihren eigenen Gang: Auch wegen der milden Witterung ist der Gaspreis schon eine Weile am Sinken und das russische Gas wird so schnell ersetzt, dass sich die Flüssiggas-Tanker mittlerweile vor den europäischen Küsten stauen. Das sind Zeichen, die Hoffnung geben. Und Zeichen, die eine EU-Entscheidung vielleicht weniger dringlich machen, meint De Standaard.
Europa drohen unumkehrbare Folgen
L'Echo fordert, dass die 27 EU-Staaten endlich ein deutliches und klares Signal aussenden, wie die Europäer vor den Kapriolen der Energiemärkte geschützt werden sollen. Ja, es ist wahr, dass das Ganze eine höchst komplexe Angelegenheit ist. Aber das ist kein ausreichendes Argument. Seit Kriegsbeginn ist schon einige Zeit vergangen und sind auch bereits Maßnahmen ergriffen worden. Aber die reichen nicht. Wenn die Firmen keinen Sauerstoff mehr bekommen in Form bezahlbarer Energie, werden sie entweder pleitegehen oder ins Ausland abwandern. Das würde unumkehrbare Folgen für die Beschäftigung, die Wirtschaft und auch die Selbstständigkeit Europas mit sich bringen. Es ist höchste Zeit, den europäischen Solidaritätsgedanken wiederzufinden, warnt L'Echo.
Der "Globale Süden" hat wieder einmal das Nachsehen
In der EU scheint es derzeit nur ein Thema zu geben, die Energieversorgung, hält das GrenzEcho unter anderem fest. Positiv ist in dem Zusammenhang die Entwicklung der Gaspreise. Auch wenn die Gasspeicher bereits gefüllt sind und die Verträge für die kommenden Monate zu wesentlich höheren Preisen längst abgeschlossen sind. Zu allem Überfluss hat nun auch noch die Opec+ eine Verringerung der Ölfördermenge beschlossen, die Riad-Besuche des deutschen Bundeskanzlers und des US-Präsidenten haben nichts gebracht.
Derweil hat der sogenannte "Globale Süden" wieder einmal das Nachsehen. Was man in der Coronakrise erlebt hat, nämlich, dass der Westen sich zuerst bedient, hat man gerade wieder beim Flüssiggas erlebt: Mit seiner Wirtschaftskraft hat vor allem Deutschland die Weltmärkte leergefegt und die Gaspreise in astronomische Höhen getrieben. Damit dürften ärmere Länder in die sprichwörtliche und in diesem Fall effektiv leere Röhre gucken. Viele der so Geschädigten stiegen auf billigere, wenngleich weitaus schädlichere russische Kohle um, so der Vorwurf des GrenzEchos.
Die belgische Asylkrise dauert an
"In Brüssel schlafen minderjährige Asylbewerber in Karton-Zelten auf der Straße", erinnert derweil De Standaard. "Noch immer kein Plan für die Asylkrise", fasst Het Nieuwsblad zusammen. "Asylkrise: Die Vivaldi ist um Lösungen verlegen", so La Libre Belgique, nachdem sich die Föderalregierung gestern erneut nicht einigen konnte.
Man könnte jetzt natürlich große geopolitische Analysen schwingen, so Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Oder zu Recht mit dem Finger auf Europa zeigen, wo Solidarität in puncto Aufnahme und Verteilung von Flüchtlingen ein Fremdwort ist. Man könnte sich auch Sorgen um mögliche Ansaugeffekte machen und über internationale Verträge. Aber letzten Endes ist die Situation in Brüssel eine Frage der Logistik: Sorgt dafür, dass die Menschen bekommen, worauf sie ein Recht haben, bearbeitet ihre Akten und weist sie aus, wenn sie nicht bleiben dürfen. Asylstaatssekretärin Nicole de Moor hat genug Zeit gehabt, um das auf die Reihe zu bekommen, giftet Het Nieuwsblad.
De Tijd kritisiert, dass offenbar noch immer keine Lehren aus der letzten Flüchtlingskrise gezogen worden sind: Der Staat muss die Kontrolle zurückerlangen über die Asyl- und Migrationspolitik. Und er muss den Eindruck bekämpfen, dass seine Institutionen unter dem Zustrom an Flüchtlingen in die Knie gehen. Das ist der einzige Weg, um innerhalb des internationalen gesetzlichen Rahmens und der Menschenrechte Akzeptanz in der Bevölkerung zu schaffen für das, was nötig ist. Kontrolle bedeutet, dass Außengrenzen auch wirklich Grenzen sind. Grenzen mit Türen, die sich öffnen für Menschen, deren einziger Fluchtweg vor Krieg in die Europäische Union führt. Kontrolle bedeutet auch, dass Menschen, die nach Belgien kommen, hier adäquate Aufnahme finden und schnell aufgefordert werden zu arbeiten und sich zu integrieren – aber auch dazu, einen eventuellen Ausweisungsbeschluss zu respektieren, fordert De Tijd.
Boris Schmidt