"Auch Familien mit Kindern bleiben jetzt auf der Straße", titelt De Morgen. "Neuer Tiefpunkt in Asylkrise: Auch Familien bekommen keinen Platz mehr", so die Schlagzeile von De Standaard. "Asylantragsteller mit Kindern kommen jetzt ins Hotel", heißt es bei De Tijd auf Seite eins. Die Folgen der fehlenden Aufnahmekapazitäten für Asylsuchende greifen einige Zeitungen auch in ihren Leitartikeln auf.
De Standaard erinnert: Zunächst waren es alleinstehende Männer, die auf der Straße bleiben mussten, weil es keinen Platz mehr in Asylauffangzentren gab. Anfang dieser Woche waren es dann alleinstehende Minderjährige – wobei nicht ganz klar ist, ob sie doch noch nicht über 18 Jahre alt waren. Jetzt sind es sogar Familien mit kleinen Kindern, denen Belgien nachts kein Dach über dem Kopf bieten kann. Dass diese Menschen überhaupt zu uns kommen, liegt oft daran, dass viele andere EU-Staaten sich nicht an die Regeln halten. Viele der Menschen haben gar keine Chance, bei uns bleiben zu können. Sie müssen dann auch schnell wieder abgeschoben werden. Aber das Recht auf Menschenwürde haben auch sie. Und dazu gehört, ein Dach über dem Kopf zu haben. Wenn wir als Gesellschaft das nicht mehr leisten können, steht es schlecht um uns, urteilt De Standaard.
Hotelzimmer für Asylsuchende – eine gute Lösung?
Het Nieuwsblad findet: Was gestern passiert ist, ist ein Schlag ins Gesicht all derjenigen, die sich um Flüchtlinge kümmern. Eine Unterkunft ist das Mindeste, was Asylsuchenden zusteht. Dass es keine Plätze mehr gibt, ist die Folge davon, dass in den vergangenen Jahren zu viele Asylzentren geschlossen wurden. Das galt als populär, weil damit gezeigt werden sollte: Wir holen nicht unendlich viele Flüchtlinge in unser Land. Jetzt zeigt sich, dass diese Schließungen falsch waren. Man kann eine harte Asylpolitik betreiben, aber menschlich muss sie bleiben, betont Het Nieuwsblad.
Le Soir weiß: Rund 50 Ideen haben Hilfsorganisationen und die Grünen der föderalen Staatssekretärin für Asyl am Ende des Sommers präsentiert, um etwas gegen die Überfüllung der Asylaufnahmezentren zu tun. Öffentlich hat die Staatssekretärin all diese Vorschläge verworfen. Sie baut auf eine europäische Lösung. Dort wird man ein Wunder brauchen, um eine Lösung zu finden. Fast schon ironisch ist es da, zu erleben, dass gestern die föderale Agentur für Flüchtlinge Fedasil Geld in die Hand genommen hat, um den Familien ein Hotel zu bezahlen, damit sie nicht auf der Straße bleiben mussten. Das war genau eine der 50 Ideen, die die Asylstaatssekretärin nicht umsetzen wollte, ätzt Le Soir.
AKWs sind auch keine Lösung – oder doch?
La Dernière Heure berichtet: Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg hat jetzt wieder einmal auf sich aufmerksam gemacht. In einem Interview mit dem deutschen TV-Sender ARD hat sie gesagt, dass es ein Fehler wäre, Atomkraftwerke zu schließen, wenn sie nun schon mal da seien. Diese Meinung erstaunt. Diese Umweltaktivistin, Gründerin der Protestbewegung "Fridays for future", jetzt eine Verteidigerin der Atomenergie? Keine Panik, so ist das nicht. Vielmehr spricht aus den Worten der mittlerweile 19-jährigen Studentin, dass sie reifer geworden ist. Sie weiß, dass es nichts bringt, Menschen einfach vor den Kopf zu stoßen. Manchmal ist es auch gut, die Realität nicht ganz außen vor zu lassen. Ihre Ideale hat sie dennoch behalten, ist sich La Dernière Heure sicher.
De Morgen warnt: Man sollte sich davor hüten, in der Atomenergie die rettende Lösung in der aktuellen Energiekrise zu sehen. Das beste Beispiel dafür ist Frankreich: Dort wird Dreiviertel des Strombedarfs mit Atomstrom gedeckt – in der Theorie. Denn oft sind die französischen Atommeiler gar nicht alle am Netz, weil irgendetwas repariert werden muss. Dann muss Frankreich schauen, woher der Strom sonst kommt. Aktuell bezieht Frankreich zum Beispiel massiv Strom aus belgischen Gaskraftwerken. Ein Wundermittel mit einfachem Rezept sind Atomkraftwerke nicht, unterstreicht De Morgen.
Het Laatste Nieuws bemerkt: Langsam geht die Angst vor Covid wieder um. Langsam steigen die Infektionszahlen wieder. Noch weiß niemand, ob es zu neuen Einschränkungen oder einer Maskenpflicht kommen wird. Niemand will das, aber vielleicht werden wir dazu gezwungen. Da wäre es schön zu wissen, welche Maßnahmen die richtigen wären, welche in der Vergangenheit etwas gebracht haben. Aber eine solche Bilanz gibt es in Belgien nicht. In den Niederlanden ist das anders. Dort hat eine unabhängige Untersuchung die Corona-Maßnahmen analysiert. Das bietet die Chance, bei einer neuen Welle die richtigen Maßnahmen zu treffen. Schade, dass es eine solche Untersuchung in Belgien nicht gibt, bedauert Het Laatste Nieuws.
Der Kunde ist König – auch bei Banken?
La Libre Belgique notiert zu den in letzter Zeit wieder gestiegenen Zinsen: Bei Sparbüchern sind die Zinsen noch nicht gestiegen. Diese Entscheidung der Banken ist unhaltbar. Es schadet dem sowieso schon schlechten Image der Banken. Es bestärkt den Eindruck vieler, dass es den Banken, anders als sie vorgeben, nicht um die Zufriedenheit der Kunden geht, sondern nur um ihren eigenen Profit, wettert La Libre Belgique.
Kay Wagner