"Brüssel brüllt für Remco", titelt Het Nieuwsblad. "Sie sind alle verrückt nach Remco; und er selbst kann's kaum glauben", schreibt Het Laatste Nieuws auf Seite eins. "Remco Evenepoel, der Nationalheld", so die Schlagzeile von Le Soir.
Der belgische Radprofi Remco Evenepoel hat sich gestern feiern lassen. Dafür gab's gleich zwei Anlässe. Im September hat der 22-Jährige zwei große Siege eingefahren: Erst die Spanienrundfahrt und dann wurde er auch noch Straßenweltmeister. Für diese Erfolge machte ihn seine Heimatgemeinde Dilbeek zum Ehrenbürger. Im Anschluss ging's auf die Brüsseler Grand-Place, wo ihm tausende Fans zujubelten und wo dann eine große Party stieg. Weltmeister, Ehrenbürger und Stimmungsmacher, so fasst es denn auch Gazet van Antwerpen zusammen. "Remco ist der neue König der Belgier", schreibt sogar La Dernière Heure.
Daneben prangt auf den Titelseiten heute vor allem eine Zahl: 4,7 Milliarden. "Van der Straeten will 4,7 Milliarden Euro bei den Energieproduzenten abschöpfen", titelt Het Laatste Nieuws. "Eine Übergewinnsteuer in Höhe von 4,7 Milliarden Euro", präzisiert Le Soir; De Standaard spricht von einer "Krisenabgabe für den Energie- und Ölsektor". 4,7 Milliarden Euro, das wäre also der erhoffte Erlös in diesem und im kommenden Jahr zusammen. Den Löwenanteil macht eine Übergewinnsteuer für Stromhersteller aus.
Bröckelige Bausubstanz
Le Soir befasst sich in seinem Leitartikel mit den Folgen der Energiekrise für die Schulen. Die bekommen durch die hohen Energiepreise eine volle Breitseite, beklagt das Blatt sinngemäß. Die Bausubstanz in der Französischen Gemeinschaft ist hoffnungslos veraltet. Es zieht an allen Ecken und Enden. Für viele Schulen ist es schlichtweg unmöglich, ihren Energieverbrauch substanziell zu senken. Das ist umso unverständlicher, als der Klimawandel ja nicht erst seit gestern bekannt ist. Wie ist es möglich, dass vor dem Hintergrund der bekannten klimapolitischen Herausforderungen unsere Schulen in Sachen Dämmung immer noch einem Schweizer Käse gleichen? Die chronische Unterfinanzierung des Unterrichtswesens fordert jetzt ihren Tribut. Und angesichts des stetig wachsenden Schuldenbergs der Gemeinschaft ist da wohl leider auch keine Besserung in Sicht.
Einige Zeitungen blicken auch heute wieder in die Ukraine. "Die ukrainische Armee kann die strategisch wichtige Stadt Lyman wiedererobern", bemerkt De Morgen auf seiner Titelseite. "Russland verliert in den frisch annektierten Gebieten gleich wieder eine wichtige Stadt", so formuliert es Het Nieuwsblad. Die russischen Truppen haben die strategisch wichtige Kleinstadt Lyman gestern geräumt; die ukrainischen Truppen haben jetzt wieder die Kontrolle.
Putins Lügen
Wieder eine schwere Niederlage für die russische Armee, stellt De Standaard in seinem Leitartikel fest. Putins Soldaten mussten sich einmal mehr Hals über Kopf zurückziehen und ließen dabei Unmengen an militärischem Material zurück. Hörbar wächst der Unmut. Vor allem bei den russischen Hardlinern. Erstaunlicherweise suchen die aber auch immer mehr den Fehler in den eigenen Reihen. Russische TV-Kommentatoren und Blogger stellen inzwischen sogar die richtigen kritischen Fragen. Leider zieht aber niemand die daraus resultierende Schlussfolgerung, nämlich dass der Angriff auf die Ukraine von Anfang an eine schlechte Idee war und dass man sich am besten aus dem Land zurückziehen sollte. Die Niederlage zuzugeben, ist aber offensichtlich keine Option. Stattdessen entscheiden sich Putin und seine getreuen Falken zunehmend für die Eskalation.
Bester Beweis ist Putins Rede vom vergangenen Freitag, hakt De Morgen ein. Da beschwor der russische Führer plötzlich einen "Clash der Zivilisationen": das brave, rechtschaffene Russland gegen den "satanischen Westen". Frappierend war vor allem, wie sehr Putin inzwischen selbst an die Lügen zu glauben scheint, die sein Regime seit Monaten der russischen Bevölkerung auftischt. Die Frage ist, wie weit er gehen wird, um seine eigene Legende als moderner russischer Zar am Leben zu halten. Einige einflussreiche Lakaien drängen ihn dazu, auf den roten Knopf zu drücken. Militärexperten halten die Gefahr eines Atomschlags nach wie vor für gering. Uns bleibt nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass diese Einschätzung richtig ist.
Vor dem Hintergrund der neuerlichen Bedrohung durch Russland denkt der Generalstabschef der belgischen Streitkräfte, Michel Hofman, über eine Wiedereinführung der Wehrpflicht nach. Einige Zeitungen halten das aber für keine gute Idee.
Wiedereinführung der Wehrpflicht? Schlechte Idee!
Hofman hat da offenbar an Schweden gedacht, konstatiert Het Belang van Limburg. 2017 hatte das skandinavische Land eine sogenannte "intelligente Wehrpflicht" wiedereingeführt. Grund war da auch schon die russische Bedrohung. Davon abgesehen hätte eine Wehrpflicht auch gesellschaftlich betrachtet positive Seiten: Es gibt wohl kaum einen besseren Weg, um jungen Menschen Werte wie Disziplin, Respekt, Verantwortungsbewusstsein und Zusammenarbeit näherzubringen. Alles schön und gut, aber eine Wehrpflicht, wie wir sie früher gekannt haben, ist und bleibt komplette Geldverschwendung. Wichtigstes Argument: Mit einem Heer von kaum geschulten Rekruten gewinnt man heutzutage keinen Krieg mehr.
"Alle zurück auf den Appell-Hof? Schlechte Idee!", meint auch Het Nieuwsblad. Das fängt schon damit an, dass die Infrastruktur gar nicht mehr besteht. Es gibt nicht genügend Kasernen. Insgesamt würde die Wiedereinführung der Wehrpflicht wohl bis zu 10 Milliarden Euro kosten. Dieses Geld sollte man besser in eine schlagkräftige, moderne Berufsarmee investieren.
Gazet van Antwerpen sieht das genauso. Für junge Menschen war die Wehrpflicht in aller Regel gleichbedeutend mit Zeitverschwendung. Angesichts der Nöte auf dem Arbeitsmarkt wäre das umso absurder. Davon abgesehen, mal eine ketzerisch anmutende Frage: Stellt Russland wirklich eine Gefahr für den Westen dar? Putins Armeen schaffen es doch noch nicht einmal, die Ukraine niederzuringen. Man muss die Diskussion über einen Wehrdienst zwar nicht grundsätzlich abwürgen. Eine Verpflichtung wäre aber wohl der falsche Weg.
Roger Pint