"Russland dreht an der Eskalationsschraube – Präsident Wladimir Putin verkündet Teilmobilmachung", schreibt das GrenzEcho auf Seite eins. "Putin mobilisiert 300.000 Mann", präzisiert L'Avenir. "Putin schwenkt erneut die nukleare Bedrohung: 'Das ist kein Bluff'", zitiert La Libre Belgique aus der gestrigen Brandrede des Kremlherrschers. "Ein verzweifelter Putin droht mit Eskalation", so Gazet van Antwerpen. "Der Widerstand in Russland wächst nach der Ankündigung der Teilmobilmachung", berichtet L'Echo zu Demonstrationen in Russland.
Das Schlimmste des Kriegs steht uns vielleicht noch bevor, befürchtet La Dernière Heure in ihrem Leitartikel angesichts der neuen Drohungen Putins. Einmal mehr hat sich der russische Machthaber in der üblichen und verachtenswerten Opferrolle inszeniert. Der Westen bedrohe Russland, wolle es zerstören, so Putin. Dieser Westen also, dem er schon wieder mit nuklearem Feuer gedroht hat. Manche meinen, sein Auftritt sei ein Zeichen der Schwäche gewesen. Wir glauben, dass es vor allem der x-te Beweis ist, dass er ein Mann ist, der zu allem entschlossen ist, ein Mann, der nicht nachgeben wird, ein Mann, der nicht davor zurückschrecken wird, zum Hauptarchitekten einer kommenden Apokalypse zu werden, befürchtet La Dernière Heure.
Wir befinden uns im Krieg
Die martialischen Worte gestern haben uns wieder an den Größenwahn dieses kleinen Mannes erinnert, der im Moskauer Bunker an seinen Plänen zur Wiederherstellung der Welt von früher bastelt, giftet Le Soir. Putins Rede erinnert uns auch daran, warum sich die Europäische Union, die Vereinigten Staaten, Frankreich, Belgien und so viele andere in dieses schmerzhafte Armdrücken gestürzt haben. Durchhalten ist mehr denn je die einzige Option, die wir angesichts dieser Flucht nach vorne des russischen Machthabers haben. Frieden, Demokratie und unsere Werte, das ist es, worum es bei diesem Krieg Putins geht, unterstreicht Le Soir.
Das sieht auch L'Echo so: Der russische Verteidigungsminister hat es gestern selbst gesagt: Russland bekämpft nicht so sehr die Ukraine als vielmehr den Westen. Es ist also nicht nur die Ukraine, die das Ziel der russischen Aggressionen ist, sondern ganz Europa. Und damit auch unsere demokratischen Werte. Falls also noch eine Erinnerung nötig war: Wir befinden uns im Krieg, so L'Echo.
Vor allem in Europa stehen uns wichtige Wochen und Monate bevor, meint Het Laatste Nieuws. Putin hofft, dass sich die Mitgliedsstaaten gegenseitig zerfleischen, dass die politisch Verantwortlichen verzweifelt Entscheidungen vor sich herschieben werden und dass die Bürger wütend werden angesichts der wirtschaftlichen Probleme. Die einzige Antwort darauf kann nur lauten: Solidarität, Kaltblütigkeit und Geduld. Auf allen Ebenen, fordert Het Laatste Nieuws.
Russland setzt voll darauf, dass die Aussicht auf einen harten Winter, gepaart mit der Möglichkeit einer weiteren Eskalation des Krieges, Verzweiflung in den demokratischen Ländern auslösen wird, analysiert De Morgen. Diesen Vorteil dürfen wir dem Aggressor nicht gönnen. Die westlichen Länder haben nach wie vor keine andere Wahl, als zu versuchen, Putin an den Verhandlungstisch zu zwingen. Aber nur für einen Frieden zu den Bedingungen der angegriffenen Ukraine, nicht zu denen des Angreifers, stellt De Morgen klar.
Es wird ein kalter und ernster Winter werden, schlägt Gazet van Antwerpen in die gleiche Kerbe. Aber Europa kann nicht anders, als durchzuhalten. Russland muss weiter bekämpft werden, die Ukraine muss weiter unterstützt werden, die Einigkeit muss bewahrt werden. Die Führer Europas müssen dafür unverzüglich eine eigene Energiepolitik auf die Schienen setzen und dafür sorgen, dass die Union nie wieder so abhängig wird von Imperialisten wie Putin. Wenn sie nicht diese Lehre ziehen, dann werden sie als die unfähigste Politikergeneration aller Zeiten in die Geschichte eingehen, warnt Gazet van Antwerpen.
Vorsicht vor in die Enge getriebenen Tieren
Im Kreml herrscht Verzweiflung, schreibt Het Belang van Limburg. So viel ist klar nach der Ansprache Putins im russischen Staatsfernsehen. Militärisch läuft es ganz und gar nicht für Putin in der Ukraine, während die Sanktionen beginnen zu wirken. Der russischen Wirtschaft droht eine Rezession, die noch viel schlimmer ist als die, die uns erwartet. Durch seine Annexionspläne und nuklearen Drohungen hofft Putin vielleicht, den Westen, namentlich Europa, von weiteren Waffenlieferungen an die Ukraine abzuhalten. Dadurch könnte sich die militärische Lage erneut zu seinen Gunsten wenden. Diesen nuklearen Erpressungsversuchen dürfen wir nicht nachgeben. Aber angesichts eines in die Enge getriebenen Diktators ist Vorsicht angebracht, empfiehlt Het Belang van Limburg.
Die nuklearen Drohungen führen zusammen mit den Folgen der Energiekrise nach und nach zu einer Erosion der Bereitschaft, die Ukraine bedingungslos zu unterstützen, liest man bei De Standaard. Putin bleibt derweil ein blutrünstiger Kriegsverbrecher. Dennoch muss darüber nachgedacht werden, wie ihm ein "goldener Ausweg" geboten werden kann, der ihm die Wahrung seines Gesichts ermöglicht. Wenn Friedensverhandlungen diplomatisch unmöglich bleiben, steht das Schlimmste zu befürchten, kommentiert De Standaard.
"Keep calm and carry on"
Die neuen Provokationen und Drohungen Putins sind so durchsichtig wie sie vorhersagbar waren, findet Het Nieuwsblad. Und vorläufig werden sie wenig bewirken. Die ukrainische Armee rückt an der Front weiter vor, der Gaspreis war zuletzt am Sinken. Die Reaktionen auf die Rede Putins fallen also so aus, wie es sein muss. Wie schon das Kriegsmotto Winston Churchills lautete: "Keep calm and carry on", Ruhigbleiben und Weitermachen, wünscht sich Het Nieuwsblad.
Die Drohungen Putins werden weder die Ukraine noch den Westen zum Umdenken bewegen, ist La Libre Belgique überzeugt. Denn man sieht es ja: Gemeinsam gelingt es, einen Diktator einknicken zu lassen, der sich vorgenommen hatte, ein unabhängiges Land und unsere Werte zu vernichten, unsere Demokratien und unsere Hoffnungen. Putins Rede zeigt einmal mehr, dass er nicht bereit ist, diesen Konflikt verloren zu geben. Wahrscheinlich wird er nie dazu bereit sein. Egal, was militärisch in der Ukraine geschehen wird: Dieser Krieg wird wohl erst dann wirklich zu Ende sein, wenn zumindest die Herrschaft dieses Ex-KGB-Oberstleutnants zu Ende ist, mahnt La Libre Belgique.
Boris Schmidt