"Erste Frau mit Affenpocken infiziert", schreibt Het Nieuwsblad zur Ausbreitung der Krankheit in Belgien. "Affenpocken: Impfung nur schleppend", beklagt das GrenzEcho auf Seite eins. "Die Politik will die Impfung beschleunigen", liest man bei Le Soir.
Während der Kampf gegen die Viruserkrankung auf den Titelseiten und auch in den Innenteilen der Zeitungen gefühlt immer mehr Platz einnimmt, beschäftigen sich die Leitartikel mit ganz anderen Themen. In Flandern sorgt nämlich die Verkürzung einer Wanderung dafür, dass die Emotionen bei vielen hochkochen. Es geht um den sogenannten "Dodentocht" bei Bornem in der Provinz Antwerpen, auch "Totenkopfmarsch" genannt nach der makaber anmutenden Praxis, vorneweg eine Gruppe mit einem Sarg und Totenkopf-Symbolik marschieren zu lassen.
Diese 100 Kilometer lange Wanderung gibt es seit Beginn der 1970er Jahre. Aufgrund der aktuellen Hitzewelle soll diese Tradition jetzt erstmals in der mehr als 50-jährigen Geschichte der Veranstaltung eingeschränkt werden. Zum Schutz der Gesundheit der Teilnehmer soll die Länge der Wanderung diesen Samstag von 100 auf 65 Kilometer verkürzt werden. Das hat zu empörten Reaktionen und scharfen Vorwürfen geführt, dass hier freie Bürger unzulässig bevormundet würden.
13.000 Teilnehmer werden erwartet, der Veranstalter kämpft gleichzeitig mit einem Mangel an freiwilligen Helfern, kommentiert De Morgen. Die Wanderung selbst ist derweil zum Symbol dafür geworden, wie unsere Freiheiten angeblich auf dem Altar der Behördeneinmischung, der Regulierungswut und der Nullrisikogesellschaft geopfert werden. Manche schreien schon, dass sich Belgien wegen der geplanten Einschränkung "in Richtung Diktatur" bewege. Allein schon die Hitzigkeit der Debatte ist dabei doch der beste Beweis dafür, dass wir sicher nicht in einer Diktatur leben. Wenn sich alle, die jetzt so scharfe Kritik üben, am Samstag mit Eis und Wasser an die Strecke stellen würden, dann würde es ja auch kein Problem geben, stichelt De Morgen.
Normalerweise würde kein Hahn danach krähen
Die Bürger und auch die Medien sollten sich mal an die eigene Nase fassen, empfiehlt unter anderem Het Laatste Nieuws. Denn auf wen wird denn mit dem Finger gezeigt, wenn etwas schief läuft? Zeigen wir etwa auf die Wanderer oder Läufer, die das Risiko eingegangen sind? Oder zeigen wir dann auf den FÖD Volksgesundheit, der sich sicher aus der Verantwortung gestohlen hat? Erst über die Einmischung von oben meckern, um dann hinterher den Vorwurf zu erheben, dass die Behörden nicht streng genug waren?, fragt Het Laatste Nieuws.
2006 sind beim Nimwegenmarsch zwei Wanderer während einer Hitzewelle gestorben, erinnert Gazet van Antwerpen. 34 Grad gab es damals am ersten Tag des insgesamt viertägigen Marsches. So heiß soll es am Samstag auch in Bornem werden. Neben den zwei Toten mussten auch noch 69 Menschen ins Krankenhaus. 250 weitere fühlten sich so unwohl, dass sie behandelt werden mussten. Laut Gesundheitsexperten kann so ein Hitzestress oder Überhitzung selbst zu bleibenden Schäden führen, unterstreicht Gazet van Antwerpen.
Diese Art Eingriffe ist doch nichts anderes als das, was wir im Alltag so oft sehen und wonach normalerweise kein Hahn kräht, relativiert Het Nieuwsblad. So ist es etwa verboten, in der Schelde bei Antwerpen zu schwimmen, weil Schifffahrt und starke Strömung eine Gefahr darstellen. Am Meer akzeptieren wir auch, dass man nur dort ein erfrischendes Bad nehmen soll, wo auch Rettungsschwimmer über uns wachen. Zählt das dann auch als übertriebene Kontrollwut? Und so etwas wie ein Nullrisiko wird es beim Dodentocht trotz Verkürzung nicht geben. Auch so werden die Hilfsdienste alle Hände voll zu tun bekommen. Dass die Organisatoren sich angesichts der Umstände jetzt verantwortungsvoll verhalten wollen, kann ihnen schwerlich zum Vorwurf gemacht werden. Im Gegenteil: Täten sie das nicht, dann wäre das viel schlimmer, findet Het Nieuwsblad.
Nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen
Mit einer anderen Folge der Hitze befasst sich La Dernière Heure: Die extreme Trockenheit, die den Süden Europas schon seit Monaten plagt, wird auch in Belgien immer spürbarer. Ihre Auswirkungen öffnen uns die Augen für ein Problem, von dem wir nie gedacht hätten, es in unseren Breiten zu erleben: ein drohender Mangel an Wasser. Die aktuell für 16 wallonische Gemeinden geltenden Einschränkungen könnten schon bald auf weitere Gebiete ausgedehnt werden. Und sie könnten sich Jahr für Jahr wiederholen, wenn wir unser Verhalten nicht ändern. Jedes Jahr werden Millionen Liter Trinkwasser verschwendet, durch Lecks in den Leitungen, aber auch durch unseren alltäglichen Umgang mit dieser Ressource. Wir dürfen jetzt nicht die Fehler wiederholen, die wir mit anderen Ressourcen gemacht haben, die wir früher auch für unerschöpflich gehalten haben. Denn die Quellen für das blaue Gold sind nicht unerschöpflich, warnt La Dernière Heure.
Mussolinis Erben
Het Belang van Limburg blickt ins Ausland, nach Italien: Am 25. September wird der Block rechter und rechtsextremer Parteien einen überwältigenden Sieg bei den Wahlen einfahren. Laut den letzten Umfragen werden die Postfaschisten der Fratelli d'Italia, die Forza Italia von Silvio Berlusconi und die Lega von Matteo Salvini 45 Prozent der Stimmen holen und 60 Prozent der Sitze im Parlament. Fast zwei Drittel. Und mit einer Zweidrittelmehrheit könnten sie die Verfassung ändern. Das ist also alles andere als eine Wahl wie so viele andere auch in Italien. Im Oktober jährt sich übrigens auch Mussolinis Marsch auf Rom zum hundertsten Mal, also die Machtübernahme der Faschisten in Italien. Die Rechtsextremen rücken überall in Europa vor, Italien bildet also keine Ausnahme. Aber dass eine Partei, die ihren Stammbaum direkt zu den Faschisten zurückverfolgen kann, demnächst wohl den Premierminister stellen wird, das ist trotzdem ein Schock, so Het Belang van Limburg.
Boris Schmidt