"Alarmstufe Orange", titelt Le Soir. "Jeder wappnet sich gegen die Hitze", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws. "Auch in Ostbelgien bleibt es vorerst heiß und trocken", schreibt das GrenzEcho auf Seite eins.
Die Hitzewelle ist im Anmarsch. Von jetzt an wird es nur noch wärmer. Ab Mittwoch gilt Hitzealarmstufe Orange. Der Höhepunkt wird wohl am Wochenende erreicht mit Temperaturen, die stellenweise 35 Grad erreichen können.
Das Ganze hat natürlich Schattenseiten. "Die Trockenheit trifft belgische Lebensmittelhersteller", schreibt zum Beispiel De Tijd auf Seite eins. Für die Landwirte entwickelt sich die Dürre zu einer regelrechten Katastrophe. Andere Zeitungen blicken auf Europa insgesamt. "Historische Trockenheit – in Frankreich sind die Pegel der Loire so niedrig, dass man durch das Flussbett wandern kann", schreibt De Standaard. "Der Rhein steht so niedrig wie lange nicht, auch belgische Binnenschiffer sind betroffen", so die Schlagzeile von L'Echo.
Erschöpfte Eichhörnchen und enttäuschte Experten
Und auch die Natur leidet unter der anhaltenden Trockenheit: "Noch nie waren so viele geschwächte Wildtiere in Auffangstationen in Pflege", so die Aufmachergeschichte von Gazet van Antwerpen. Zu sehen ist ein Eichhörnchen, das sichtbar am Ende ist und dem man zu trinken gibt...
Trotz der anhaltenden Trockenheit hat die zuständige Arbeitsgruppe in Flandern zunächst keine neuen Einschränkungen oder Maßnahmen zur Rationierung von Trinkwasser beschlossen. Die Entscheidung fällt in den Leitartikeln auf ein geteiltes Echo.
Die Situation sei ernst, gab das Beratergremium "Trockenheit" nach seiner Sitzung zu Protokoll. "Na, das ist doch mal eine Neuigkeit", giftet sarkastisch Het Nieuwsblad. Ernst ist die Situation nämlich schon seit Mitte Juli. Und doch werden keine neuen Maßnahmen getroffen. Heißt also: Wir können weiter nach Herzenslust den Rasen sprengen, den Pool befüllen oder das Auto waschen. Das alles mit Trinkwasser, versteht sich. Und das, obwohl die Situation doch angeblich "ernst" ist. Und zudem am Vorabend einer neuen Hitzewelle, die zwangsläufig zu einem erhöhten Verbrauch von Trinkwasser führen wird. Ungeachtet all dessen ist es also weiterhin nicht verboten, Wasser zu verschwenden. Nee, stattdessen gab's wieder einen Appell an den Bürgersinn. Was das bringt, wissen wir seit der Corona-Krise. Wenn das mal gutgeht! Die Natur herauszufordern, ist nie eine gute Idee!
Das kommt uns doch alles irgendwie bekannt vor, meint Gazet van Antwerpen. Ein Expertengremium, das die Politik berät. Und einige Mitglieder, die am Ende des Tages enttäuscht sind, dass keine strengeren Maßnahmen erlassen wurden. Klingelt es? Ja! Das ist genau dasselbe Muster, das wir noch von der Corona-Krise kennen. Und auch hier ist es ein Spiel mit dem Feuer. Wenn der Regen bis September ausbleibt, was einige Modelle vorhersagen, dann werden wir unser blaues Wunder erleben. Bei alledem gibt es aber einen Lichtblick: Es fällt auf, dass die Bürger auf mysteriöse Weise weniger Wasser verbrauchen. Vielleicht um Kosten zu sparen? Vielleicht aber auch, weil die Botschaft bei ihnen angekommen ist. Aber auch das wäre letztlich eine Parallele zur Corona-Krise: Die Einsicht, dass letztlich vieles nur von unserem individuellen Verhalten abhängt...
Die Trockenheit ist eine Warnung
Wobei: Wir haben auch flagrante strukturelle Probleme, gibt Het Laatste Nieuws zu bedenken. Wir haben uns viel zu lang darauf verlassen, dass wir in diesem Land genug Regen und Flussläufe haben. Wir lagen falsch. Wasser ist in kaum einem OECD-Land so schwer verfügbar wie hier. Selbst Spanien und Portugal stehen besser da. Und das haben wir uns selbst zuzuschreiben. Flandern ist buchstäblich zubetoniert. Hinzu kommt: Unser Leitungssystem ist marode: Pro Jahr tropft ein Volumen von 25.000 olympischen Schwimmbädern aus den Rohren. Wie soll man das den Bauern oder der Industrie erklären, die sich wegen Wassermangels einschränken müssen? Aber, davon abgesehen: Trinkwasser verschwendet man nicht mit Autowaschen und auch nicht in der Toilettenspülung. Wir können es uns nicht mehr erlauben, den Hahn einfach aufzudrehen und Trinkwasser nach Belieben laufen zu lassen.
Aber, apropos Bebauung: Eigentlich haben wir doch immer noch nichts kapiert, schimpft De Morgen. Beispiel Antwerpen: Dort wird derzeit der neue Medienplatz gestaltet. Die zuständige Schöffin sprach von einer neuen "grünen Lunge" für das dicht besiedelte Viertel. Und was ist diese "grüne Lunge"? Zehn armselige Bäumchen. Zehn! Ansonsten ist der Platz wieder mal eine einzige Steinwüste. Das ist symptomatisch. Trotz des angekündigten Betonstopps nimmt die Bebauung nur noch weiter zu.
Wir müssen aufpassen, dass wir nicht bald buchstäblich "in der Wüste" predigen, mahnt Le Soir. Die aktuelle Trockenheit sollte uns eine Warnung sein. Experten sagen voraus, dass Europas Böden im Zuge der Klimaerwärmung mehr und mehr und mehr verarmen werden. Im Kampf gegen zunehmende Trockenheit darf man nichts mehr dem Zufall überlassen. Europa braucht dringend eine wirkliche Strategie.
Nachrichten, die gestern noch undenkbar schienen
Einige Zeitungen beschäftigen sich auch mit dem Klima- und Gesundheitspaket, das der US-Senat jetzt beschlossen hat. Das ist eine historische Wende in der US-Politik, meint L'Echo. Historisch, aber leider unzureichend. Wenn auch immerhin knapp 400 Milliarden Euro in die Förderung nachhaltiger Energien und Transportmittel fließen sollen, so werden fossile Energieträger doch weiter allzu sehr geschont. Und es wird auch nicht reichen, damit die USA ihre Klimaschutzziele einhalten können.
Frage ist, ob die jüngsten innenpolitischen Erfolge von Präsident Joe Biden den Demokraten bei den anstehenden Wahlen im November helfen werden, analysiert De Tijd. Biden ist einer der unpopulärsten US-Präsidenten aller Zeiten, selbst Donald Trump war zum gleichen Zeitpunkt seiner Amtszeit beliebter. Ob Biden jetzt das Ruder herumreißen konnte, muss sich erst noch zeigen.
Ganz andere Geschichte auf Seite eins von De Morgen: "Die Vereinten Nationen verlangen Zugang zum beschädigten Atomkraftwerk von Saporischschja", schreibt das Blatt. Das größte Kernkraftwerk Europas ist in den letzten Tagen mehrmals beschossen worden. Die Ukraine und Russland geben sich gegenseitig die Schuld. Experten warnen vor einer möglichen Atomkatastrophe.
Es vergeht inzwischen kein Tag mehr, an dem nicht Nachrichten die Runde machen, die gestern noch undenkbar schienen, meint nachdenklich De Standaard. Jetzt scheint Russland sogar ein Atomkraftwerk als Waffe einsetzen zu wollen. Dieser Sommer 2022 übertrifft alle noch so überdrehten Filmdrehbücher. Statt gemeinsam die Jahrhundertherausforderung Klimawandel anzugehen, sehen wir jetzt eine geopolitische Lage, in der drei Machtblöcke sich zunehmend aggressiv begegnen, mit kriegerischer Gewalt und Säbelrasseln, wie wir es seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen haben. In diesen Hundstagen sehnt sich jeder nach einer kühlen Brise. Uns droht aber ein stürmisch frostiger Gegenwind...
Roger Pint