"38,1 Grad: der zweitwärmste Tag aller Zeiten", titelt Het Nieuwsblad. 38,1 Grad wurden gestern gemessen an der Referenzstation in Uccle. Stellenweise war es aber noch wärmer geworden. La Dernière Heure nennt auf Seite eins den absoluten Höchstwert: "39,1 Grad in Kleine Brogel".
Auf der Titelseite von Het Laatste Nieuws sieht man ausgebrannte Autos und Menschen in Badekleidung, die es nicht fassen können. Das sind Bilder aus De Haan, wo gestern ein Grünstreifen abgebrannt ist. Das Feuer hatte auf die daneben parkenden Autos übergegriffen. "Naturbrände werden auch bei uns häufiger auftreten", schreibt die Zeitung. "Diese intensive Hitze haben wir uns selbst zuzuschreiben", sagt derweil ein Klimaforscher auf Seite eins von De Morgen. Das sei eindeutig eine Folge des menschengemachten Klimawandels.
Rentenreform – Magere Ernte mit einer Gewinnerin
Zweites großes Thema ist die Rentenreform, auf die sich die Regierungsspitze vergangene Montagnacht verständigt hatte. "Der Pensionsmarathon liefert nur eine magere Ernte", so die Schlagzeile von De Standaard. "Deal über Renten erntet viel Kritik", titelt das GrenzEcho. Le Soir spricht auf Seite eins von der "unfertigen Reform".
Der Berg kreißte und gebar einer Maus, meint auch Het Belang van Limburg in seinem Leitartikel. Was die Regierung da ausgebrütet hat, das ist allenfalls ein Reförmchen. Die Einzige, die sich mit einem breiten Lächeln der Presse präsentierte, das war die PS-Pensionsministerin Karine Lalieux. Sie ist die eigentliche Gewinnerin dieser Verhandlungen. Ihre Strategie als neue "Madame Non" hat sich gelohnt. Die frankophonen Sozialisten müssen sich jedenfalls keine Sorgen machen über mögliche Konkurrenz von der linken Seite. Linker als die PS-Position geht nicht. Konservativer wäre wohl treffender.
Was ist mit der Finanzierung des Rentensystems?
Auch das GrenzEcho bemüht das Bild vom Berg mit der Maus. Wochenlang hat die Regierungsspitze verhandelt; und am Ende gab's nur ein Reförmchen. Wenn's vielleicht einige positive Aspekte gibt, so fällt vor allem ein Kardinalfehler ins Auge: Die Reform geht in keiner Weise auf die Finanzierung des belgischen Rentensystems ein. Genau dort hätte sie aber ansetzen müssen: Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, haben ein Anrecht darauf, ihre letzten Lebensjahre ohne Sorgen um ihre Rente verbringen zu dürfen. Diese Sorglosigkeit darf aber nicht auf dem Rücken der nachfolgenden Generationen ausgetragen werden. Genau das tut aber diese Reform.
Die Frage nach der Überlebensfähigkeit des Systems wurde mal wieder auf die nächste Legislaturperiode verschoben, beklagt auch La Libre Belgique. Premierminister Alexander De Croo sprach von einem Schritt in die richtige Richtung. Nun ja, es ist ein kleiner Schritt, einer von zu vielen. Klar, einige Probleme werden angepackt, wie etwa die Ungleichbehandlung zwischen Frauen und Männern. Unterm Strich bleibt's aber ein Reförmchen. Oder sollte man sagen "Halbpension".
Wieder hat man die alarmierenden Simulationen der Experten einfach ignoriert, wettert auch De Tijd. Nur zur Veranschaulichung: Im Jahr 2002 beliefen sich die Kosten für die Vergreisung der Bevölkerung noch auf knapp 22 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. In zehn Jahren werden das knapp 28 Prozent sein. Das ist ein Anstieg um rund ein Viertel. Es ist schlichtweg nicht nachvollziehbar, warum sich niemand die Frage stellt, wie man das auf Dauer finanzieren soll. Zumal, wenn man sich dabei noch die belgische Staatsschuld vor Augen hält. Bei einem solchen Abkommen ist es schwer, der Politik noch zu vertrauen.
Wenn Selbstverständliches als Zugeständnis betrachtet wird
Diese Untätigkeit wird uns teuer zu stehen kommen, warnt Le Soir. Niemand kann sich ernsthaft als Gewinner betrachten. In einem Staat, der jetzt schon eine enorme Schuldenlast zu tragen hat, und indem die Defizite nur noch größer werden, ist es ein schwerer Fehler, wenn man die Frage nach der Finanzierbarkeit des Rentensystems einfach ausblendet. Die politische Diagnose ist beängstigend: Zwei Jahre vor dem Ende der Legislaturperiode kriegt die Koalition nichts mehr zustande, muss man bei jeder schwierigen Entscheidung gleich mit einer Regierungskrise rechnen. Natürlich ist die Zukunft des Rentensystems ein heikles Thema, das viel Fingerspitzengefühl erfordert. Die Fehler der 2020 Jahre werden wir aber eines Tages teuer bezahlen. Und das im wahrsten Sinne des Wortes.
Es gibt auch Positives zu vermelden, bemerkt Het Laatste Nieuws. Immerhin hat die Regierung festgehalten, dass man künftig mindestens 20 Jahre gearbeitet haben muss, um sich für eine Mindestrente zu qualifizieren. "Nur 20 Jahre?", könnte man sich jetzt fragen. Nun, man glaubt es kaum, aber bislang gab es keine Mindestvoraussetzung. Da hatte quasi jeder Zugang zu einer Mindestrente, selbst wenn man nie gearbeitet hatte. Und noch etwas: Nach 20 Jahren im Arbeitsleben bekommt man auch nicht die vollen 1.500 Euro. Traurig ist allerdings, dass die PS selbst solche Selbstverständlichkeiten schon als Zugeständnis betrachtet.
Rote Dauerblockade
Die PS für das Scheitern verantwortlich zu machen, das ist zu einfach, glaubt seinerseits De Morgen. Der Fehler wurde vor knapp zwei Jahren gemacht. Kurz und knapp: Im Koalitionsabkommen ist keine Rede von einer tiefgreifenden Rentenreform. Wenn man ein solch heikles Thema anpacken will, dann muss man vorab Vereinbarungen treffen, Eckpfosten einschlagen. Das kann eine Lehre sein für die nächste Regierung: Wenn man eine Reform will, die diesen Namen verdient, dann muss man sie im Regierungsvertrag verankern. Davon abgesehen: Die Vorgängerregierung, an der die PS bewiesenermaßen nicht beteiligt war, hat auch keine wirkliche Rentenreform zustande gebracht.
"Mit dieser PS ist nicht zu regieren", sind demgegenüber Het Nieuwsblad und Gazet van Antwerpen überzeugt. Die frankophonen Sozialisten spüren den heißen Atem der marxistischen PTB im Nacken. Beide scheinen sie nicht zu begreifen, dass das Geld aufgebraucht ist, dass wir schon seit langem auf Pump leben. Die Hoffnung, dass Vivaldi noch echte Reformen ausbrüten kann, geht angesichts der roten Dauerblockade inzwischen gegen Null. Zwei Jahre sind es noch bis zu den Wahlen. Das ist zu lang, um noch weiter herumzueiern.
Roger Pint