"Königspaar gedenkt der Flutopfer", titelt das GrenzEcho. "Gedenken in getrübter Stimmung", schreibt La Dernière Heure. "Ein Jahr nach den Überschwemmungen", notiert L'Avenir auf Seite eins.
Die Gedenkfeierlichkeiten von Donnerstag zum ersten Jahrestag der Überschwemmungen, die vor allem Gebiete im Osten Belgiens verwüstet hatten, greifen einige Zeitungen auch in ihren Leitartikeln auf. La Dernière Heure fällt ein vernichtendes Urteil: Das war nichts. Diese Gedenkzeremonie wurde dem Anlass nicht gerecht. Ein Königspaar im Minimaldienstmodus, Politiker mit falscher Empathie in ihren oft inhaltsleeren Reden - und als Krönung des Ganzen kein einziger Name eines der 39 Todesopfer, die bei den Höllentagen vor einem Jahr ums Leben gekommen sind. Das haben die Überlebenden am Donnerstag nicht gebraucht. Sie hätten es vorgezogen, dass endlich Dampf gemacht wird bei der Lösung ihrer konkreten Sorgen und Probleme, unter denen sie ein Jahr nach der Katastrophe immer noch leiden, ärgert sich La Dernière Heure.
Offene Wunden
Ähnlich wertet Het Nieuwsblad: So sehr sich das Königspaar am Donnerstag darum bemühte, seine Betroffenheit und sein Mitgefühl mir den Opfern von damals zu zeigen - es wird nicht das Bild von König Philippe und Königin Mathilde sein, das die Erinnerung an den ersten Jahrestag der Überschwemmungen prägen wird. Prägend werden die Geschichten sein, die die überlebenden Opfer in den vergangenen Tagen erzählt haben. Dass viele von ihnen immer noch mit den Folgen der Überschwemmungen zu kämpfen haben, ist ein trauriges Zeugnis von der mangelnden Hilfe, die sie bislang erhalten haben. Der Besuch des Königs ist dabei nur ein kleines Pflaster auf eine große, immer noch offene Wunde, urteilt Het Nieuwsblad.
Het Laatste Nieuws führt aus: Aus der Flutkatastrophe von vor einem Jahr und der Art und Weise, wie damit umgegangen wurde, lassen sich viele Lehren ziehen. Dazu gehört auch die, dass es nicht sehr sinnvoll ist, Häuser in der Nähe von Wasser zu bauen. Aber wichtig ist auch festzuhalten: Ein Leben ohne Risiko gibt es nicht. Man kann sich auf das Schlimmste, das man kennt oder berechnen kann, vorbereiten. Nicht auf das Unerwartete, erinnert Het Laatste Nieuws.
Neue Hiobsbotschaft
Het Belang van Limburg schreibt zur aktuellen Lage in Belgien: In wenigen Tagen gehen unsere Politiker in Urlaub. Natürlich gönnen wir ihnen diese wohlverdiente Ruhe. Aber der Zeitpunkt für Urlaub ist alles andere als günstig. Das Land kann sich kaum retten vor Problemen und am Donnerstag gab es eine neue Hiobsbotschaft: Das Haushaltsdefizit - so haben es Experten jetzt berechnet - wird in fünf Jahren bei 33 Milliarden Euro liegen. Das sind fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Drei Prozent ist die EU-Höchstgrenze, 2,7 Prozent wollte die Föderalregierung 2025 erreichen. Das Ziel scheint nicht mehr erreichbar. Strukturelle Reformen sind unumgänglich. Es ist zu hoffen, dass unsere Politiker mit vielen guten Ideen aus dem Urlaub zurückkommen, wünscht sich Het Belang van Limburg.
Auch La Libre Belgique stellt fest: Der politische Kontext ist zurzeit extrem angespannt und das soziale Klima verspricht nach den Sommerferien explosiv zu sein. Die Liste der Probleme ist lang: Schulden, Inflation, Auseinanderdriften der sozialen Schichten, Sand im Getriebe der Regierung. Natürlich auch der Krieg in der Ukraine. Hilfe kann hier nur durch mutige Reformen kommen. Es ist Zeit, wieder Kompromisse zu schließen. Das ist eine Herausforderung für alle, weiß La Libre Belgique.
Das GrenzEcho meint zum gleichen Thema: Die Menschen rufen zurzeit verständlicherweise nach weiteren Unterstützungen angesichts einer Preisspirale, deren Ende nicht absehbar ist. Politiker überschlagen sich ihrerseits mit Vorschlägen, wie sie ihrer Klientel unter die Arme greifen können. Nun warnen führende belgische Ökonomen vor einer Explosion der Schulden. Sie mahnen Sparmaßnahmen und strukturelle Reformen an. Das sind zwar keine guten Aussichten. Aber sie reflektieren leider unsere aktuelle Situation. Man fragt sich nur, wann der erste Politiker aus der Deckung kommt, und den Bürgern eröffnet, dass der Brunnen versiegt ist, aus dem man die Gießkanne immer wieder befüllt hat. Und dass wir wohl den Gürtel enger schnallen müssen, so das GrenzEcho.
Gezieltes Blutbad
De Standaard beschäftigt sich mit dem Krieg in der Ukraine und stellt fest: Vergangene Woche hat der Krieg sein Gesicht geändert. Grund dafür sind die hochmodernen Raketenwerfer, die die USA an die Ukraine geliefert haben. Mit diesen präzisen Waffen haben die Ukrainer bereits mehrmals Waffenlager der Russen zerstört und treffen das russische Militär auch an anderer Stelle empfindlich.
Russlands Antwort darauf ist der Beschuss von Zivilisten. Gerade am Donnerstag wurde wahllos ein Haus in einer Stadt zerstört, die weit weg von der Front liegt. 20 Zivilisten starben, unzählige sind verletzt. Es ist davon auszugehen, dass dieses bewusste Blutbad weitergeht. Denn in Russland mehren sich die Stimmen von Ultranationalisten, die Putin als Verlierer darstellen. Deswegen wird der Kreml-Chef alles daran setzen, den Krieg mit allen Mitteln doch noch zu gewinnen, glaubt De Standaard.
Kay Wagner