"Belgien an der Spitze", titelt Het Nieuwsblad neben Fotos von Torhüter Thibaut Courtois, Radrennfahrer Remco Evenepoel und Regisseur Lukas Dhont. Evenepoel hat die Norwegen-Rundfahrt gewonnen, maßgeblich auch dank Courtois kann der Real Madrid den Sieg in der Champions League feiern und Dhont ist einer der sage und schreibe drei belgischen Preisträger beim Filmfestival von Cannes. "König von Madrid (und der Welt)", schreibt zum Beispiel Het Belang van Limburg zum Torhüter aus Bilzen. "Der Triumph des schwarz-gelb-roten Kinos", feiert Le Soir das filmische Triple.
Reiseziel: Mond (von Cannes)
Wir haben von einer Goldenen Palme geträumt – aber wir haben etwas viel Besseres, jubelt Le Soir auch in seinem Leitartikel: einen Jury-Preis, einen Großen Preis und einen Sonderpreis! 100 Prozent Erfolg für die am Wettbewerb teilnehmenden Belgier, die Brüder Dardenne, Lukas Dhont, Felix Van Groeningen und Charlotte Vandermeersch – so etwas hat es noch nie gegeben. Selbst die verrücktesten Buchmacher hätten nicht auf so einen Ausgang gewettet. "Man muss immer auf den Mond zielen, denn selbst wenn man versagt, landet man in den Sternen", hat aber schon Oscar Wilde gesagt. Wenn wir uns also weiter hohe Ziele stecken, dann können wir eines Tages sogar auf dem Mond von Cannes landen, meint Le Soir.
Drei Filme im Wettbewerb – drei Preise, so etwas hat man noch nie gesehen, schreibt auch La Libre Belgique. Das schöne Familienfoto der Sieger vereint aber nicht nur drei Generationen von Regisseuren, sondern auch den Norden und den Süden des Landes. Das zeigt, dass der Austausch zwischen den Filmschaffenden konstant und stark bleibt, ungeachtet der gemeinschaftspolitischen Spannungen. Einigkeit macht stark – auch im belgischen Kino, unterstreicht La Libre Belgique.
Für L'Avenir ist Cannes aus einem ganz anderen Grund ein permanentes Wunder: Die Kultur ist nie eine der großen Prioritäten der öffentlichen Hand gewesen. Die Höhe der Zuschüsse stagniert quasi seit 2011. Vor diesem Hintergrund ist es umso erstaunlicher, was die belgische Filmindustrie immer wieder erreicht. Man kann unserem Kino ja wirklich manches vorwerfen, aber eines sicher nicht: aus dem strikten Minimum nicht das absolute Maximum zu machen, so L'Avenir.
Man kann diese Entgleisungen nicht auf sich beruhen lassen
In Flandern sorgt derweil ein Fall von Online-Lynchjustiz für Aufsehen. Ein 15-jähriger Junge aus Limburg ist in den Sozialen Medien beschuldigt worden, auf dem Jugendfestival "We R Young" in Hasselt junge Mädchen mit Nadeln gestochen zu haben. Nach Berichten über solches sogenanntes "Needle Spiking" und Unwohlsein mehrerer Mädchen war das Festival abgebrochen worden. In der Folge haben der Junge, gegen den laut Staatsanwaltschaft und Polizei nicht der allerkleinste Verdacht vorliegt, und auch seine Familie Abertausende von Hassnachrichten bis hin zu Morddrohungen erhalten.
Was für eine schöne Zukunft hatten sie uns doch versprochen, die Facebooks, Twitters und TikToks dieser Welt, kommentiert dazu Het Belang van Limburg. Denn, was mit den "alten" Medien nicht möglich war, haben die Sozialen Medien zur Realität werden lassen: Jeder hat jetzt sein eigenes Megafon. Neben einigen unbestreitbaren positiven Auswirkungen kennen wir inzwischen aber auch die dunklen Seiten dieser Entwicklung zu Genüge: Noch nie war es so einfach, Fake News und Hassnachrichten zu verbreiten. Die Sozialen Medien dienen immer öfter als Schandpfahl, als Pranger, an den Verdächtige gestellt werden, ohne dass sie sich dagegen wehren könnten. Das ist nicht nur für die Opfer gefährlich, es fügt auch der Gesellschaft Schaden zu. Im Lauf der Geschichte haben wir uns vom Prinzip Auge um Auge, Zahn um Zahn verabschiedet. Das Urteilen über mögliche Vergehen obliegt seitdem Polizei und Justiz. Damit haben wir unsere Urinstinkte mit einer dünnen Schicht Schutzlack bedeckt. Aber genau diese kostbare Schutzschicht, auf der unsere gesamte Gesellschaft ruht, wird gerade von den Sozialen Medien zerfressen. Die verantwortlichen Internetkonzerne, die einen so vernichtenden Einfluss auf unser Zusammenleben haben, müssen endlich mehr Verantwortung übernehmen, fordert Het Belang van Limburg.
Het Nieuwsblad fragt sich, ob es nicht langsam Zeit für ein paar altmodische Mittel gegen diese neue moderne Krankheit ist: Diejenigen, die das Hass-Karussell in Gang gesetzt haben, indem sie Videoaufnahmen aus dem Zusammenhang gerissen und falsche Behauptungen in die Welt gesetzt haben, müssen die Folgen ihres Verhaltens zu spüren bekommen. Das Gleiche gilt für diejenigen, die zu körperlicher Gewalt aufgerufen haben. Sie alle müssten zum Verhör geladen und weitere Schritte gegen sie geprüft werden. Die Eltern der Jugendlichen, die sich von der Massenhysterie haben mitreißen lassen und die die Geschichte weiterverbreitet haben, sollten derweil einen Telefonanruf von ihrem zuständigen Revierpolizisten erhalten. Damit sie auch mitbekommen, was ihre Söhne und Töchter da so treiben. Bei den meisten wird es reichen, wenn ihnen mal ordentlich der Kopf gewaschen wird, damit sie verstehen, dass sie einen Fehler gemacht haben. Was aber keinesfalls geht, ist, diese emotionalen Entgleisungen auf sich beruhen zu lassen, wettert Het Nieuwsblad.
Eine faule Maßnahme
Het Laatste Nieuws kommt auf die Debatte um eine dauerhafte Senkung der Mehrwertsteuer auf Energie zurück: Eine Partei nach der anderen macht sich stark für eine permanente Senkung auf sechs Prozent, kaum einer, der sich nicht mit dieser Feder schmücken will. Einer Feder, die es gerade im Ein-Euro-Laden im Abverkauf zu geben scheint. Die Maßnahme ist außerdem aus mehreren Gründen ziemlich faul. Wie soll man etwa diese Mehrwertsteuersenkung mit dem Kampf gegen den Klimawandel in Einklang bringen? Weniger verbraucht wird nur, wenn etwas teurer wird. Wenn man etwas tun will, warum dann also nicht die Mehrwertsteuer senken zum Beispiel auf die Isolierung von Gebäuden, auf sparsamere Haushaltsgeräte, auf Wärmepumpen und so weiter? Natürlich darf Energie an sich kein Luxusprodukt sein. Aber das gilt nur für den Grundbedarf. Das Heizen des eigenen Schwimmbads, sein Haus wie einen Palast erstrahlen zu lassen oder andere Formen exzessiven Energieverbrauchs sollten hingegen durchaus als eine Art Luxus betrachtet und auch so behandelt werden, wünscht sich Het Laatste Nieuws.
Boris Schmidt