"Macron für weitere fünf Jahre Präsident (eines gespaltenen Landes)", fasst Gazet van Antwerpen den Ausgang der Stichwahl in Frankreich zusammen. "Die Erleichterung", titelt Le Soir. Und stellt direkt daneben die Überschrift "Die Beunruhigung" angesichts des starken Abschneidens von Emmanuel Macrons rechtsextremer Herausforderin Marine Le Pen. "De Croo: Ein Zeichen gegen Extremismus", greift das GrenzEcho auf Seite eins die Gratulation des belgischen Premiers an seinen französischen Amtskollegen auf.
Das Horrorszenario bleibt uns (zunächst) erspart
Ein Sieg Le Pens hätte ein schauriges Szenario in Gang gesetzt, kommentiert De Standaard: explosive Spannungen zwischen den Gemeinschaften in Frankreich, Einschüchterung von Journalisten und Richtern, Blockaden innerhalb der EU und ein Wladimir Putin, der ein breites Grinsen nicht hätte unterdrücken können mit einer seiner größten Bewunderinnen im Elysée-Palast. Dieser Albtraum ist uns zum Glück erspart geblieben, seufzt De Standaard auf.
Das Horrorszenario bleibt zumindest für fünf weitere Jahre im Kühlschrank, meint auch Het Belang van Limburg. Im Gegensatz zu Le Pens russischem Diktator-Freund haben deshalb die Führer Europas auch hörbar aufgeatmet. Von Charles Michel und Ursula von der Leyen über Boris Johnson bis hin zum belgischen Premier Alexander De Croo. Aber sie alle wissen, vor welch großen Herausforderungen der wiedergewählte französische Präsident jetzt steht, merkt Het Belang van Limburg an.
Fünf Jahre
Das Schlimmste ist verhindert worden, schreibt auch Le Soir: Ein Sieg Le Pens hätte eine Bombe platziert unter den Werten der Demokratie und hätte potenziell ein Erdbeben bedeutet für Europa und eine schwere Hypothek für die geopolitischen Gleichgewichte. Die extreme Rechte hat am Sonntag nicht triumphiert, aber die 41,2 Prozent der Franzosen, die für sie gestimmt haben, zeigen, wie groß und potenziell unbegrenzt ihre Anziehungskraft ist. Dieser Wahrheit muss man ins Gesicht blicken. Der französische Präsident darf die existierenden klaffenden Wunden nicht ignorieren.
Aber diese große Herausforderung betrifft alle demokratischen Kräfte, sowohl auf der linken als auch der rechten Seite des politischen Spektrums. Für sie alle wird es in den kommenden fünf Jahren vor allem darum gehen müssen, das allgemeine Desinteresse und die Ablehnung der Politik an sich zu bekämpfen – und weniger darum, die Macht zu erringen. Fünf Jahre sind eine sehr kurze Zeitspanne, um ein Land zu reformieren, erinnert Le Soir.
1.825 Tage bleiben Macron, um die Risse im gespaltenen Frankreich zu kitten, schreibt auch La Dernière Heure, um die taumelnden Franzosen wieder zu versöhnen. Denn auch wenn Macron besser abgeschnitten hat als erwartet, so ändert das nichts daran, dass die 42 Prozent von Marine Le Pen ein historischer Erfolg für eine rechtsextreme Kandidatin sind. Und dass auch die Zahl der Franzosen, die nicht zur Wahl gegangen sind oder ungültig gestimmt haben, so hoch war wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Macron muss seine Politik auf die größten Sorgen der Franzosen ausrichten: die Kaufkraft, die Preissteigerungen, den Zugang zu den Mitteln der Grundversorgung. Versagt er dabei, dann könnte das der Rechtsextremen beim nächsten Mal wirklich den Erfolg bescheren, warnt La Dernière Heure.
Überlebensnotwendig, die Zeit zu nutzen
Es ist überlebensnotwendig, dass sich Macron diesbezüglich an die Arbeit macht, scheint Het Nieuwsblad einzuhaken. Macron muss sich jetzt keine Gedanken mehr machen über seine Wiederwahl, in fünf Jahren ist für ihn definitiv Schluss. Das kann befreiend wirken. Aber es entlässt den französischen Präsidenten nicht aus der Verantwortung, die während des Wahlkampfs gemachten Versprechen auch zu erfüllen. Tut er das nicht, dann droht die populistische Welle wieder an Kraft zu gewinnen. So komfortabel war sein Vorsprung auch wieder nicht, mahnt Het Nieuwsblad.
Ob nun die Enthaltungen oder das starke Abschneiden der extremen Rechten – alle Indikatoren weisen darauf hin, dass Frankreich erschöpft ist, dass es nicht mehr kann, glaubt L'Avenir. Das Land wird eine weitere Krise wie die der Gelbwesten nicht überstehen. Macron muss jetzt seiner Verantwortung gerecht werden, nicht nur für die nächsten fünf Jahre, sondern auch für die fünf, zehn oder 15 Jahre danach. Er muss jetzt beweisen, dass seine Wiederwahl mehr ist als ein Pyrrhussieg. Denn andernfalls wird Frankreich untergehen. Langsam, aber unweigerlich, befürchtet L'Avenir.
Het Laatste Nieuws fragt sich, warum eigentlich überall in Europa extreme Parteien immer populärer werden und populäre Parteien immer extremistischer. Eine Rolle spielt sicherlich, dass die historischen Auswüchse von sowohl Links- als auch Rechtsextremismus immer mehr in Vergessenheit geraten. Die Globalisierung und Verstädterung sorgen ihrerseits dafür, dass sich immer mehr Bürger unwohl und bedrängt fühlen in einer Gesellschaft, die sie nostalgisch mit einer Vergangenheit vergleichen, die so nie existiert hat. Die Chance ist reell, dass kommende Generationen es im alten Europa erstmals schlechter haben werden als ihre Eltern. Dagegen muss auch die nationale Politik etwas tun, zumindest, soweit sie das kann, fordert Het Laatste Nieuws.
Boris Schmidt