"Die Revanche", so die Schlagzeile von La Dernière Heure. "So sieht man sich wieder", titelt auch Le Soir. "Wieder ein Duell zwischen Macron und Le Pen", schreibt auch sinngemäß das GrenzEcho auf Seite eins.
Bei den französischen Präsidentschaftswahlen hat Amtsinhaber Emmanuel Macron gestern das beste Ergebnis erzielen können. Auf Platz zwei landete Marine Le Pen vom rechtsextremen Rassemblement National. Diese beiden werden sich also bei der Stichwahl in zwei Wochen gegenüberstehen.
Dieses Duell gab es schonmal, nämlich vor fünf Jahren, bei der letzten Wahl. Nur: "Diesmal ist Le Pen Macron auf den Fersen", schreibt De Morgen auf Seite eins. "Das zweite Duell zwischen Macron und Le Pen wird spannender als 2017", so auch die Schlagzeile von De Standaard. Laut Umfragen kann Macron mit einem Ergebnis zwischen 51 und 54 Prozent rechnen. Zuletzt hatte Marine Le Pen aber mächtig Rückenwind, das könnte also noch eng werden. "Blau, weiß, braun", titelt denn auch L'Avenir. La Libre Belgique ist diplomatischer: "Frankreich ist so gespalten wie nie", schreibt das Blatt.
"Der Verlierer ist zuallererst Frankreich"
"Frankreich war noch nie so rechtsextrem", kann denn auch Le Soir in seinem Leitartikel nur feststellen. Gut, Emmanuel Macron hat ein überraschend gutes Ergebnis erzielen können: Rund 28 Prozent, das ist sogar besser als 2017. Der amtierende Präsident steht aber quasi alleine gegen all diese Populisten, die da sonst so kreuchen und fleuchen. Allen voran Marine Le Pen, die immerhin rund 23 Prozent erreichte, ihr bislang bestes Ergebnis. Da gibt es aber auch noch einen Eric Zemmour, der mit klar rechtsextremistischen Slogans immerhin auch nochmal sieben Prozent der Wähler überzeugen konnte. Frankreich stand noch nie so weit rechts: Das ist die wichtigste Lektion dieser Wahl.
"Von Erleichterung kann keine Rede sein", findet auch Het Nieuwsblad. Klar, Emmanuel Macron hat einen komfortablen Vorsprung, der größer ist, als es die Umfragen vorhergesagt hatten. Hinter diesem Erfolg verbirgt sich aber ein enormes Misstrauensvotum der französischen Wähler. Zählt man die Stimmen der Extremisten zusammen, also von Marine Le Pen, Eric Zemmour und auch des Linksextremen Jean-Luc Mélenchon, kommt man auf 50 Prozent. Rund die Hälfte der Franzosen haben also einen elektoralen Mittelfinger gezeigt. Die beiden einst großen traditionellen Parteien, also die Sozialisten und die Gaulisten, sind demgegenüber in der Versenkung verschwunden. Wie ein bisschen überall auf der Welt durchbricht der Populismus auch in Frankreich die Deiche.
"Der Verlierer, das ist zuallererst Frankreich", meint denn auch La Libre Belgique. Dass so viele Wähler extremistischen Kandidaten ihre Stimme gegeben haben, zeigt, wie weit auch hier in Europa die Trumpisierung der Gesellschaften fortgeschritten ist. Wie die USA ist auch Frankreich ein Land geworden, das politisch wiedervereinigt werden muss.
Desillusionierte Wähler und Geld aus Russland
Und nicht vergessen, so scheint Gazet van Antwerpen einzuhaken: Parallel dazu war die Wahlbeteiligung auch noch historisch niedrig. Nur etwas mehr als 70 Prozent der Wähler haben ihre Stimme abgegeben. Ausgerechnet in einer Zeit, in der ein Diktator wie Putin einen extrem brutalen Krieg anzettelt, halten es viele Bürger nicht für nötig, am demokratischen Prozess teilzunehmen. Dass so viele Menschen so enttäuscht, desillusioniert oder wütend sind, dass sie keinen Wert mehr darauf legen, ihre Stimme abzugeben, darüber müssen wir uns ernste Sorgen machen. Ganz davon abgesehen, apropos Wladimir Putin: Die Nähe von Marine Le Pen zum russischen Präsidenten war offensichtlich auch kein Problem für ihre Wähler.
Genau das hebt auch De Morgen in seinem Kommentar hervor. Bis vor Kurzem rühmte sich Marine Le Pen noch für ihre Freundschaft mit Wladimir Putin. Naja, immerhin bekam der Rassemblement National ja auch rund neun Millionen Euro aus Russland zugesteckt. Von dem Regime also, dem jetzt Kriegsverbrechen in der Ukraine vorgeworfen werden. Wie heißt es so schön: "Wes Brot ich ess', des Lied ich sing'". Wollen die Franzosen allen Ernstes jemanden in den Elysee-Palast wählen, der lieber das autokratische Kreml-Modell umarmt als demokratische Institutionen wie die EU oder Nato? In Belgien unterhielt der rechtsextreme Vlaams Belang bis vor Kurzem noch beste Beziehungen zum Regime in Moskau. Reichlich spät hat sich Parteichef Tom Van Grieken jetzt davon distanziert. Es wird höchste Zeit, dass die Parlamente Klarheit darüber schaffen, welche Parteien mit autokratischen Regimen paktieren.
Wie Le Pen links und rechts punkten könnte
Allerdings: "Man gewinnt keine Wahl mit außenpolitischen Themen", gibt Het Laatste Nieuws zu bedenken. Natürlich muss es Marine Le Pen peinlich gewesen sein, dass sie so lange mit ihren guten Beziehungen zu Moskau kokettierte. Die rechtsextreme Politikerin bekam aber die Kurve, indem sie den Menschen plötzlich linksextreme Luftschlösser vorgaukelte: Alles soll billiger werden. Und all denjenigen, die von Macron enttäuscht sind, dürfte so etwas wie Musik in ihren Ohren klingen. Macron hat wohl gedacht, dass seine demonstrativ aktive Rolle im Ukraine-Konflikt die chauvinistischen Franzosen schon um den Präsidenten scharen würde. Die Wahl gewinnen kann er aber nur auf den Märkten in der französischen Provinz.
Und genau da kann Macron eigentlichen einen idealen Gegner abgeben, warnt L'Avenir. In diesen Krisenzeiten kann Marine Le Pen den Menschen das Blaue vom Himmel versprechen und so der Arbeiterklasse - rechts wie links - schöne Augen machen. Der Zentrist Macron, der vielen Franzosen zudem entrückt erscheint, hat dem nicht viel entgegenzustellen. Als gute Populistin weiß Marine Le Pen das sehr genau.
Das, was bis vor Kurzem noch undenkbar war, rückt damit plötzlich in den Bereich des Möglichen, unkt De Standaard. "Marine Le Pen – Présidente de la République", das wäre ein Wendepunkt für Frankreich und auch für Europa. Sie ist und bleibt eine rechtsextreme Politikerin, deren Weltbild den europäischen Werten diametral gegenübersteht. In einer Zeit, in der Frankreich und Europa mit den größten Herausforderungen seit Jahrzehnten konfrontiert werden, ist das wirklich das letzte, was wir jetzt gebrauchen können.
Roger Pint