"Auf der Zielgeraden", titelt La Libre Belgique. "Frankreich geht zu den Urnen", schreibt nüchtern De Morgen. Le Soir nimmt seinerseits einen Satz aus der Marseillaise und dichtet den für den Anlass um: Statt "Zu den Waffen" lautet die Schlagzeile "Zu den Urnen, Bürgerinnen und Bürger!".
Frankreich: Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Macron und Le Pen
Morgen findet in Frankreich die erste Runde der Präsidentschaftswahlen statt. Insgesamt zwölf Kandidatinnen und Kandidaten treten an. "Und es ist ein Wahlgang unter Hochspannung", schreibt La Dernière Heure auf Seite eins. Im Endeffekt dürfte es auf ein Duell zwischen Amtsinhaber Emmanuel Macron und Marine Le Pen vom rechtsextremen Rassemblement National hinauslaufen. "Macron gegen Le Pen: Wie Wut, Apathie und Kaufkraft die Wahl entscheiden", schreibt dazu De Standaard. L'Avenir hat mal in Belgien nachgefragt: "Für wen würden unsere Parteipräsidenten stimmen?", fragt sich das Blatt. Keine Überraschung: Drei der sechs frankophonen Parteichefs stimmen für Emmanuel Macron.
"Es ist die Wahl aller Gefahren", warnt Le Soir in seinem Leitartikel. Der rechtsextreme Rassemblement National von Marine Le Pen hat den Wind in den Segeln. Und daran ist Präsident Emmanuel Macron nicht unschuldig. Er hat zu lange gewartet, bevor er in den Wahlkampf eintrat. Während Marine Le Pen schon seit Wochen und Monaten durch die Provinz tingelte, um den Unzufriedenen das Blaue vom Himmel zu versprechen, ist der allzu siegessichere Macron zu spät aufgewacht. Diese Arroganz könnte ihm zum Verhängnis werden.
L'Avenir sieht das ähnlich. Emmanuel Macron ist viel zu spät in die Arena gestiegen. Im Moment befindet er sich auf dem absteigenden Ast, während Marine Le Pen zunehmend Rückenwind bekommt. Da kann einem angst und bange werden.
Le Pen wäre eine Bedrohung für die Demokratie
Langsam, aber sicher hat sich ein Anti-Macron-Klima etabliert, glaubt auch La Libre Belgique. Dabei ist die Bilanz, die er nach fünf Jahren vorlegen kann, gar nicht so übel. Das Einzige, was ihm nicht gelungen ist, ist die Extreme Rechte zu schwächen. Im Gegenteil: Rechtsextreme Kandidaten geben in der politischen Diskussion oft den Ton an. Man kann nur hoffen, dass der Wille, Macron loszuwerden, nicht so groß ist, dass der Wähler statt seiner am Ende gleich welchen Kandidaten bevorzugt.
Man sollte die Extreme Rechte nie banalisieren, mahnt L'Echo. Klar: Macron bleibt der Favorit, aber Marine Le Pen ist ihm auf den Fersen. Ein Sieg der Rechtsextremisten ist keine Chimäre mehr... Das hat unter anderem damit zu tun, dass Le Pen seit Jahren versucht, ihre Partei zu entdiabolisieren, sie nach außen hin salonfähig zu machen. Und plötzlich wirkt der Rassemblement National in den Augen vieler Bürger fast schon "sympathisch". Aber nein! Marine Le Pen ist keine "normale" Kandidatin. Sie hat allenfalls Kreide gefressen. Hinter dem schönen, neuen Anstrich befinden sich immer noch dieselben rechtsextremen Ideen. Ein möglicher Wahlsieg von Marine Le Pen würde nicht nur die französische Demokratie in ihren Grundfesten erschüttern, sondern auch die Europäische Union in ihrer Existenz bedrohen.
Für die Franzosen ist die eigene Kaufkraft offensichtlich wichtiger als der Krieg in der Ukraine, analysiert De Tijd. Macron hatte wohl geglaubt, die Franzosen vor dem Hintergrund des Konflikts in Osteuropa quasi "um die Fahne" scharen zu können. Doch beherrschen vielmehr Themen wie die galoppierende Inflation den Wahlkampf. Und das ist ein Segen für Kandidaten wie Marine Le Pen oder auch den linksextremen Jean-Luc Mélenchon. Die können den Wählern allerlei angeblich ganz einfache Patentrezepte in die Augen streuen. Hinzu kommt das offensichtlich doch geringe Interesse: Rund ein Drittel der Wahlberechtigten wird wohl gar nicht erst den Weg zur Wahlurne finden. Resultat von alledem: Die extremistischen Parteien sind stärker denn je. Und das beweist, wie geschwächt die Demokratien im Herzen Europas sind und wie tief die Unzufriedenheit über das politische Establishment sitzt.
Die Wahlbeteiligung wird einen Tiefpunkt erreichen
Die Frage ist nicht allein, wer die Präsidentschaftswahl in Frankreich gewinnen wird, sondern auch, wer überhaupt zur Wahl gehen wird, meint nachdenklich Het Laatste Nieuws. Das ist die große Unbekannte. Und davon wird letztlich auch abhängen, wer das Rennen machen wird. In unseren Demokratien locken die Wahlen immer weniger Menschen hinter dem Ofenrohr hervor. Selbst in Belgien blieben 2019 trotz Wahlpflicht eine Million Menschen am Wahltag zu Hause - ein Rekord. In Frankreich gibt es aber Gründe genug, zur Wahl zu gehen. Marine Le Pen will schließlich die Nato verlassen - und wohl auch die EU. Es darf doch nicht sein, dass der nächste französische Präsident seine absolute Mehrheit einer absoluten Minderheit von Wählern zu verdanken haben könnte.
Der Leitartikel von La Dernière Heure liest sich wie ein Fazit: Frankreich ist gespaltener denn je. Die Wahlbeteiligung wird einen neuen Tiefpunkt erreichen, was wohl ein Zeichen dafür ist, wie enttäuscht die Bürgerinnen und Bürger von ihren Politikern sind, weil die sich allen voran nicht um die Kaufkraft kümmern. Emmanuel Macron wollte über der Melée bleiben. Da kann man nur hoffen, dass er nicht von seinem hohen Ross herunterfällt.
Ukraine: immer brutalere Angriffe
Einige Blätter blicken auch in die Ukraine. "Selbst Flüchten wird unmöglich", so etwa die Schlagzeile auf Seite eins von Het Nieuwsblad. Im Osten der Ukraine ist ja der Bahnhof von Kramatorsk bombardiert worden. Bei dem Angriff waren 50 Menschen getötet worden, darunter fünf Kinder. Von dort aus versuchen viele Zivilisten, in den Westen des Landes zu fliehen. "Aussichtslose Brutalität", titelt ernüchtert Het Belang van Limburg. Beobachter gehen davon aus, dass Russland im Osten und auch im Süden der Ukraine in Kürze eine neue Offensive starten wird.
Der Angriff von Kramatorsk war ein trauriger Vorbote, meint denn auch Het Belang van Limburg. Jetzt droht eine totale Eskalation des Konflikts. Und da kann der Kreml noch so laut dementieren: Es besteht kein Zweifel daran, wer hinter dem Raketenangriff steckt. Mit solchen Attacken soll der Widerstand der Ukrainer gebrochen werden. Und hier wirft ein Gedenktag seine Schatten woraus: Am 9. Mai begeht man in Russland traditionell den Sieg über Nazi-Deutschland. Am kommenden 9. Mai wird Präsident Wladimir Putin wohl seinem Volk eine Trophäe präsentieren wollen: Die endgültige Annexion der Donbass-Region. Um sich und sein Volk davon zu überzeugen, dass dieser Krieg nicht sinnlos (gewesen) ist...
Roger Pint