"Die Gräuel von Butscha", titeln lapidar Het Nieuwsblad und Het Belang van Limburg. "Nach dem Abzug der Russen liegen die Leichen auf der Straße", so die Schlagzeile von De Morgen". "Die Märtyrer von Butscha", so formuliert es Le Soir.
Neue Bilder aus der Ukraine dokumentieren einmal mehr die Schrecken des Krieges. In Butscha, einem Vorort der ukrainischen Hauptstadt Kiew, hat man ja nach dem Abzug der russischen Truppen mehr als 400 tote Zivilisten gefunden. "Die Welt reagiert geschockt auf die Gräuel von Butscha", schreibt Gazet van Antwerpen. "Die russischen Kriegsverbrechen schocken die Welt", schreibt auch Het Laatste Nieuws. La Libre Belgique ist ausführlicher: "Die internationale Gemeinschaft verurteilt die schrecklichen Gräueltaten, die die russische Armee in Butscha begangen hat".
"Die Gräueltaten von Butscha zwingen die EU zu neuen Sanktionen", notiert aber De Standaard. EU-Ratspräsident Charles Michel hat schon angekündigt, dass man an neuen Sanktionen gegen Russland und auch an neuen Hilfen für die Ukraine arbeite. Auch einige EU-Staats- und Regierungschefs haben sich schon in diese Richtung geäußert, wie z.B. der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz.
Das Ende des Anfangs…
"Angesichts der Bilder aus Butscha läuft es einem kalt den Rücken runter", meint De Morgen in seinem Leitartikel. Straßen voller Leichen, Zivilisten, die kaltblütig von russischen Soldaten getötet wurden, Ukrainer, die in Massengräber geworfen wurden wie Abfall... Das ist ein neuer Tiefpunkt in diesem Krieg. Und die Gräuel von Butscha sind wohl kein Einzelfall. Menschenrechtsorganisationen berichten von Gräueltaten russischer Soldaten auch anderenorts in der Ukraine: Plünderungen, Vergewaltigungen und Exekutionen. Das Ganze hat offensichtlich System. Das, was wir hier sehen, das ist ganz klar Teil der Strategie des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Putin ist ein Kriegsverbrecher, nicht mehr und nicht weniger. "Wie viele Rote Linien müssen noch überschritten werden, bis der Westen endlich einen allgemeinen Handelsboykott gegen Russland verhängt?", fragt sich De Morgen.
"Putin muss definitiv gestoppt werden!", fordert auch De Standaard. Mit der Entdeckung der Massengräber von Butscha ist der Ukraine-Konflikt in eine neue Phase eingetreten. Der Westen reagiert mit Entsetzen auf die neuen Bilder, aber allein mit Bestürzung wird man diesen Krieg nicht beenden. Vielmehr steht zu befürchten, dass die Auseinandersetzung jetzt noch grimmiger wird. Die EU muss jetzt dringend die Sanktionen verschärfen, die bisherigen Strafmaßnahmen scheinen den Russen nämlich noch nicht ausreichend wehzutun. Parallel dazu braucht die Ukraine noch entschlossenere militärische Unterstützung. Man kann nämlich davon ausgehen, dass das, was wir jetzt gesehen haben, erst das Ende des Anfangs ist...
Schmerzliche Erinnerungen an Srebrenica
"Das Blutbad von Butscha muss lückenlos aufgeklärt werden!", so das Plädoyer von Le Soir. Kaltblütig getötete Zivilisten, ein Opfer hatte sogar die Hände hinter dem Rücken gefesselt... Diese Bilder erinnern an Massaker wie das von Srebrenica im Jahr 1995. Die internationalen Menschenrechte sollen Zivilisten eigentlich vor genau solchen Übergriffen schützen. Russland zögert nicht, diese Prinzipien, die Moskau einst selbst mitgetragen hat, jetzt mit Panzerketten zu zermalmen.
Auch Het Belang van Limburg fühlt sich an Srebrenica erinnert. Die Bilder aus Butscha wecken schmerzliche Erinnerungen an den Bosnienkrieg Mitte der 1990er Jahre. Dort wurden tausende junge Moslemmänner von bosnisch-serbischen Truppen systematisch ermordet. Ob man in der Ukraine schon von einem Völkermord oder gezielten ethnischen Säuberungen sprechen kann, das ist noch nicht abschließend zu sagen. Aber ohne Zweifel hat die russische Armee grobe Kriegsverbrechen begangen. Die Schuldigen müssen dafür zur Verantwortung gezogen werden, auch Präsident Wladimir Putin. Worauf wartet der internationale Strafgerichtshof noch, um einen Haftbefehl gegen Putin zu erlassen? Der würde zwar dafür natürlich noch nicht gleich im Gefängnis landen. Wer aber seine Truppen zu derartigen Kriegsverbrechen anstachelt, sollte zumindest wissen, dass er außerhalb seines Landes nirgendwo mehr sicher ist.
Auf Verhandlungen mit Moskau setzen
"Butscha ist vielleicht nur der Anfang", befürchtet Het Nieuwsblad. Vieles deutet darauf hin, dass der Kreml mindestens von den Kriegsgräueln weiß, wenn er nicht gar seinen Segen dafür erteilt hat. Je mehr sich Präsident Wladimir Putin in die Enge gedrängt fühlt, desto brutaler droht der Krieg zu werden. Er hat ja schon mit nuklearer Gewalt gedroht, falls er Russland existentiell bedroht sieht. Nun, in Putins Kopf kann das schnell der Fall sein. Internationale Strafermittlungen oder neue Sanktionen werden den Kremlchef wohl kaum zum Einlenken bewegen. Wenn es angesichts der jüngsten Bilder auch schwerfällt, so sollte man dennoch mehr denn je auf Verhandlungen mit Moskau setzen. Auf die Gefahr hin, dass diese Invasion ansonsten noch in eine viel größere Katastrophe ausartet.
Roger Pint