"Günstigeres Gas dank gemeinsamen Ankaufs durch die EU", titelt Het Nieuwsblad. "Gemeinsamer Kauf von Gas, um loszukommen von Russland", so die Schlagzeile von Het Belang Van Limburg. "Die 27 wollen alle Möglichkeiten ausloten, um die Explosion der Energiepreise zu beenden", schreibt La Libre Belgique auf Seite eins.
Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich gestern auf ihrem Gipfeltreffen in Brüssel darauf geeinigt, dass die EU-Kommission künftig im Namen aller EU-Staaten Gas einkaufen kann. Dadurch erhofft sich die EU niedrigere Preise und eine größere Unabhängigkeit vom russischen Gas.
Wirkliche Unabhängigkeit nur durch erneuerbare Energien möglich
Dazu kommentiert Het Nieuwsblad: Alle Anstrengungen, die die EU jetzt unternimmt, um weniger Gas aus Russland einführen zu müssen, sind lobenswert. Daher war es auch eine gute Nachricht, dass US-Präsident Joe Biden noch gestern angekündigt hat, der EU mit Gaslieferungen aus den USA zu helfen. Bis 2030 soll ein Drittel des Gases, das jetzt aus Russland kommt, aus den USA geliefert werden. Das ist zweifelsfrei eine Verbesserung der aktuellen Lage. Aber wirkliche Unabhängigkeit in Sachen Energie wird nur durch erneuerbare Energien erreicht werden, weiß Het Nieuwsblad.
Die Wirtschaftszeitung L’Echo bedauert: Die wirkungsvollste aller Sanktionen gegen die russische Aggression in der Ukraine bleibt Europa versagt: Die Öl- und Gaslieferungen aus Russland sofort zu stoppen, will sich ein Teil Europas – allen voran Deutschland und Italien – nicht zumuten. Durchaus zu Recht. Denn das würde unsere Wirtschaft mit voller Wucht treffen. Doch Europa sollte diese Waffe gegen Putin nicht aus dem Auge verlieren. Sechs Monate bleiben, bevor der Bedarf an Öl und Gas mit dem bevorstehenden Winter wieder deutlich steigen wird. Dann sollte Europa bereit sein, um die Öl- und Gashähne aus Russland zuzudrehen, wünscht sich L’Echo.
Waffenlieferungen sind eine ethische Frage
De Standaard analysiert: Europa und die Nato müssen erkennen, dass ihre bisherigen Maßnahmen nicht dazu geführt haben, dass Putin seinen Krieg in der Ukraine beendet. Deshalb müssen jetzt Entscheidungen getroffen werden. Sanktionen verschärfen, zum Beispiel jeglichen Handel mit Russland sofort einstellen? Mehr Waffen, auch schwere, an die Ukraine liefern? Gerade letzteres wäre zwar ein Mittel, um der Ukraine vordergründig zu helfen. Aber es würde auch bedeuten, dass der Krieg und damit auch das Leid der Menschen länger dauern würden. Diese Entscheidung bezüglich der Waffenlieferung ist also sehr schwer. Und da geht es auch nicht darum, sich Putins Willen zu ergeben. Das ist eine ethische Frage, behauptet De Standaard.
La Libre Belgique berichtet: Die Vereinten Nationen haben die russische Invasion in die Ukraine zum zweiten Mal verurteilt und Russland dazu aufgerufen, den Krieg sofort zu beenden. Diese Verurteilung wurde von 140 der 193 UN-Mitglieder angenommen. Einige freuen sich über diese große Zahl. Doch man muss sich auch fragen, warum die anderen Staaten den russischen Angriff nicht verurteilen. Was muss noch geschehen, damit auch Länder wie Südafrika, Indien und China nicht ihr Heil in der Enthaltung suchen, sondern klar Position beziehen?, fragt verärgert La Libre Belgique.
Politbarometer: die Gewinner, die Verlierer
Le Soir kommentiert sein neuestes Politbarometer und schränkt selbst ein: Das alles ist nur eine Momentaufnahme in sehr unruhigen Zeiten. Aber tendenziell kann man feststellen: Die PTB schafft es immer besser, die wirtschaftlichen und sozialen Ängste der Menschen aufzugreifen und auch diejenigen für sich zu gewinnen, die sich von den herkömmlichen Parteien abwenden. Die PS muss sich weiter Sorgen machen. Die Grünen von Ecolo können aufatmen: Ihr Pragmatismus in Sachen Kernenergie hat ihnen nicht geschadet, und die MR konnte von all ihrem Aktivismus in dieser Frage nicht wirklich profitieren. Der Krieg in der Ukraine hat in Flandern dazu geführt, dass der Vlaams Belang von Platz eins der Beliebtheitsskala gefallen ist, hält Le Soir fest.
Het Laatste Nieuws meint zum gleichen Politbarometer: Bemerkenswert ist, dass die Popularität einzelner Politiker aus den Reihen der traditionellen Parteien nicht auf diese Parteien abfärbt. Die große Zufriedenheit mit Premierminister Alexander De Croo zum Beispiel nutzt seiner Partei nichts. Die OpenVLD ist sogar unter zehn Prozent der Beliebtheitsskala gerutscht. Die traditionellen Parteien täten gut daran, ihre inhaltlichen Profile wieder zu stärken, rät Het Laatste Nieuws.
Klima: "Mehr Pragmatismus, weniger Dogma!"
La Dernière Heure notiert zur Klima-Demonstration gestern in Brüssel: Vor zwei Jahren waren es deutlich mehr Teilnehmer, die für eine bessere Klimapolitik auf die Straße gegangen sind. Zunächst die Covid-Krise und jetzt die Energie-Krise und der Krieg in der Ukraine haben die Sorge um das Klima in den Hintergrund gerückt. Das ist verständlich. Aber die Sorge um die Erderwärmung sollte tatsächlich wieder höher rutschen auf der politischen Agenda. Dabei könnte die Art und Weise, wie die jüngste Entscheidung zur Kernenergie in Belgien getroffen wurde, helfen, die Sache voranzubringen: Mehr Pragmatismus und weniger Dogma – so könnte es gehen, rät La Dernière Heure.
Kay Wagner
Guter Artikel.
Mit Begriffen wie Ethik und Moral sollte man vorsichtig sein im Ukrainekrieg.Das führt schnell zu Heuchelei und Doppelmoral und vermindert die Glaubwürdigkeit des Westens.
Das Prinzip des Notwendigen und Zweckdienlichen ist eher geeignet. Wenn die Ukraine Waffen braucht, sollte man liefern.Wenn die Sanktionen sich als nutzlos erweisen, sollten sie abgeschafft werden.Im Endeffekt kommt es darauf an, dass man gewinnt bzw den russischen Bären in seine Schranken verweist.
Bei der Energiefrage muss pragmatisch vorgegangen werden.Zum Beispiel kann Biogas einen Teil der russischen Gaslieferungen ausgleichen.Nur darf die Nahrungsmittelproduktion nicht darunter leiden.
Zusammenfassend kann man feststellen, daß zur Zeit Gas wichtiger als Greta ist.Sogar für die Deutschen Grünen.Habeck katzbuckelt vor arabischen Potentaten um Gaslieferungen.Nicht unbedingt schön, aber notwendig, um weniger abhängig zu sein von Russland.