"Energiemaßnahmen ermöglichen Einsparungen von 300 Euro im Jahr", titelt Het Laatste Nieuws. "Tankfüllung zehn Euro billiger", so die Schlagzeile beim GrenzEcho. "Kommen nach den Kurzzeitmaßnahmen jetzt auch strukturelle Reformen?", fragt La Libre Belgique auf ihrer Seite eins.
Das Maßnahmenpaket der Föderalregierung, mit dem die zurzeit hohen Energierechnungen für Bürger und Unternehmen sinken sollen, stößt auch in den Leitartikeln auf ein großes Echo. Le Soir bemerkt: Bei weitem nicht genug – das haben viele schnell geschrien, nachdem die Maßnahmen bekannt wurden. Doch diese Debatte ist falsch. Zu kritisieren ist vielmehr, dass mal wieder das Gießkannensystem benutzt wird. Will heißen: Alle profitieren von den meisten Maßnahmen. Auch die reichsten Menschen in unserem Land werden einen Scheck über 100 Euro für Strom erhalten, 200 Euro für ihr Heizöl, werden von der Senkung der Mehrwertsteuer auf Strom und Gas profitieren. Dass gleichzeitig der Sozialtarif für die ärmsten Haushalte verlängert wurde, rettet die Verfehlung nicht. Das alles kann geschehen, weil die Regierung unfähig ist, sich auf eine Definition dessen zu einigen, was als "Mittelstand" gelten soll, und ebenfalls unfähig ist, die Senkung der Mehrwertsteuer stufenweise zu gestalten und am Einkommen der Haushalte zu orientieren, kritisiert Le Soir.
Auch unsere Politiker stecken in der Realität fest
De Morgen wertet: Das größte Problem der Maßnahmen ist, dass sie nur sechs Monate lang gelten sollen. Denkt die Regierung wirklich, dass die russische Frage nach sechs Monaten gelöst sein wird? Die Wahrheit ist, dass die Regierung es nicht wagt, weiter vorauszudenken und zu kalkulieren. Dafür wiegt die Milliarden-Rechnung, die es dabei aufzustellen gilt, viel zu schwer, weiß De Morgen.
De Standaard hält fest: Zu Recht kann man mit den Maßnahmen aus vielen Gründen nicht zufrieden sein. Doch leider sind unsere Politiker auch in der Realität gefangen. Um gerechtere Schnellmaßnahmen mit Anreizen zur Förderung alternativer Energien zu beschließen, fehlte einfach die Zeit. Solche Grundsatzdiskussionen wollte jetzt keiner führen und wollten auch die Bürger nicht. Sie wollten schnelle Hilfen. Die haben sie jetzt. Aus rein politischer Sicht ist an den Maßnahmen nichts zu bemängeln, meint De Standaard.
Ähnlich analysiert De Tijd: Was in dem Paket fehlt, sind kurzfristige Maßnahmen, um den Energieverbrauch zu senken. Zum Beispiel durch Rationierung. Aber an dieses Thema durften die Politiker nicht heran. Das sind Eingriffe in die Gesellschaft, mit denen man sich unbeliebt macht, unterstreicht De Tijd.
Die Grünen haben jetzt Wind in den Segeln
Het Laatste Nieuws beschäftig sich mit den Grünen und stellt fest: Die Grünen waren gestern immerhin ehrlich und haben sich nicht auf die Schulter geklopft. Als "Schmerzmittel" haben sie die Maßnahmen bezeichnet und konnten sicher auch nicht anders. Denn die Nutzung fossiler Brennstoffe mit viel Geld zu unterstützen, ist alles andere als grüne Politik. Die Grünen sehen jetzt in den Verhandlungen über die längerfristige Energiepolitik ihre Chance. Ihr Ja zur Verlängerung der Atomenergie werden sie an viele und kostspielige Forderungen koppeln, um erneuerbare Energien zu fördern. In diesem Punkt haben sie gerade Wind in den Segeln. Alle scheinen zu erkennen, dass dieser Weg jetzt beschritten werden muss. Dabei sollte es die Grünen nachdenklich stimmen, dass sie diesen Sinneswandel der Gesellschaft nicht durch ihre Politik erreicht haben. Sondern dass es ein Krieg ist, der das Umdenken beschleunigt, notiert Het Laatste Nieuws.
Wenn weitere Opfer den Mund aufmachen, fällt Putin
In Russland ist die Journalistin Marina Ovsyannikova vorgestern Abend in der Hauptnachrichtensendung des russischen Staatsfernsehens hinter die Nachrichtensprecherin gelaufen mit einem Plakat, mit dem sie gegen den russischen Krieg in der Ukraine protestierte. La Dernière Heure schreibt dazu bewundernd: Das waren starke Bilder, das war mutig. Im Namen der freien Meinungsäußerung hat Marina Ovsyannikova viel riskiert. Ihr drohen 15 Jahre Gefängnishaft. Der Westen zeigt sich empört über diese Strafandrohung und hat versprochen, das Schicksal der Journalistin weiter zu verfolgen. Doch letztlich hat der Westen gar keinen Einfluss auf das, was mit der Journalistin passieren wird. Der Autokrat im Kreml hat schon viele Menschen, die gegen ihn waren, aus dem Weg geräumt. Erinnern wir uns also an den Namen, denn er droht, zu verschwinden: Marina Ovsyannikowa, bittet La Dernière Heure.
L'Avenir berichtet: Bei ihrer Anhörung vor Gericht hat Marina Ovsyannikowa auf nicht schuldig plädiert. Sie habe nichts falsch gemacht, sagte sie. Sie sei nun einmal davon überzeugt, dass Russland ein Verbrechen begeht, indem es die Ukraine angreift. Dieser Widerstand ist wichtig. Er zeigt, dass die Journalistin sich nicht der Logik ihrer Henker unterwirft. Die Opfer sind nicht schuldig. Es ist zu hoffen, dass dieses Beispiel Schule macht. Denn es gibt viele Opfer. Ihr Henker ist wohl bekannt. Und dieser Henker hat Angst. Wenn weitere Opfer den Mund aufmachen, wird er fallen, glaubt L’Avenir.
Kay Wagner