"Der Gaspreis liegt 20 Mal höher als vor einem Jahr", titelt L'Echo. "Russisches Gas: die unmögliche Abhängigkeit Europas", so der Aufmacher bei Le Soir. "Der Atomausstieg ist nicht in Stein gemeißelt: Grüne Parteien positionieren sich neu", blickt das GrenzEcho auf die belgische Energiedebatte. "Krieg verpasst dem Atomausstieg den Genickschuss", so formuliert es Het Belang van Limburg.
Auf den Titelseiten und in den Innenteilen sieht man auch heute wieder viele nur schwer erträgliche Bilder der unzähligen zivilen ukrainischen Opfer von Putins Angriffskrieg. Die Leitartikel konzentrieren sich allerdings mehrheitlich auf die Folgen für die europäischen Geldbeutel in Form der immer weiter steigenden Energiekosten.
Die Abhängigkeit von Russland muss drastisch reduziert werden
Der Westen hat es überraschend schnell geschafft, sich auf harte finanzielle Sanktionen gegen das kriegslüsterne Russland zu einigen, kommentiert De Standaard. Aber leider ist der Boykott nicht wasserdicht, jeden Tag wird deutlicher, wie halbherzig die Strategie ist und wie teuer sie uns zu stehen kommt. Russland profitiert von der Explosion der Energiepreise, die es durch seinen Überfall auf die Ukraine mitverursacht hat. Mehr Euros und Dollars als je zuvor strömen in Moskaus Kriegskasse und ermöglichen Putin die Fortsetzung seines Feldzugs, ungeachtet der menschlichen Verluste.
Ende der Woche wollen sich die europäischen Staats- und Regierungschefs in Versailles auf eine Strategie einigen, um die Abhängigkeit von Russland drastisch zu reduzieren. In der Praxis wird das Zeit erfordern, die wir nicht haben. Die große Herausforderung wird vor allem sein, die innereuropäische Energiesolidarität zu organisieren. Extrem schmerzlich getroffen werden wir sowieso werden. Es macht keinen Sinn, dieses Leiden unnötig in die Länge zu ziehen. Deswegen: Je schneller wir Putins Gashahn zudrehen können, desto schneller kommt seine Kriegsmaschinerie zum Stillstand, schreibt De Standaard.
Wollen wir mit einem Gas- und Ölboykott Russlands den Druck auf Putin erhöhen? Das ist eine schwere Entscheidung, findet De Tijd. Wie weit sind wir bereit zu gehen? Wenn wir Moskau wehtun wollen, dann müssen wir auch bereit sein, die schmerzhaften Folgen für uns zu tragen. Kurzfristig können wir denen ohnehin nicht entkommen. Wir werden lernen müssen, mit teurer Energie zu leben. Vielleicht müssen wir Energie sogar rationieren. Wir stehen vor einer kollektiven Verarmung. Der Staat kann mit finanziellen Entlastungen und Zwangsmaßnahmen zumindest dafür sorgen, dass diese Belastung verteilt und gemeinsam getragen wird. Die Lehre, die wir ziehen müssen, lautet: Die Abhängigkeit unserer Wirtschaft von Russland muss drastisch verringert werden. Das wird seine Zeit brauchen. In der Zwischenzeit werden wir die Zähne zusammenbeißen müssen, warnt De Tijd.
Handelt jetzt!
De Morgen blickt auf die auch vom Ukraine-Krieg beeinflusste Debatte um den belgischen Atomausstieg: Eine Verschiebung ist ein attraktives Symbol für eine Regierung, die Tatkraft und Einsicht zeigen will, meint die Zeitung. Aber als Versicherung gegen hohe Energierechnungen greift das viel zu kurz. Jetzt muss es um eine strukturelle Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas und Elektrizität gehen. Die Akzisen auf Kraftstoffe müssen ebenfalls runter. Das ist zwar nicht gut für den Staatshaushalt und eigentlich auch nicht für das Klima. Aber auch hier gilt: Im Krieg müssen Tabus über Bord geworfen werden dürfen. Außerdem muss die bessere Isolierung von Gebäuden schneller und stärker unterstützt werden, es muss mehr in die Windenergie investiert werden, die Energierechnung muss reformiert werden.
In einer idealen Welt würden sich jetzt alle Regierungen des Landes zusammensetzen, um die Belgier mit einer koordinierten Politik gegen den Energiesturm zu schützen. Aber um dieses politische Tabu über Bord zu werfen, wird es vielleicht mehr brauchen als einen Krieg an den Toren Europas, giftet De Morgen.
Einmal volltanken kostet jetzt über 100 Euro, konstatiert unter anderem La Dernière Heure. Das ist für die Mehrheit der belgischen Haushalte finanziell untragbar geworden. Und da helfen auch die Öffentlichen Verkehrsmittel nicht, die schlicht und ergreifend den Bedürfnissen vieler Menschen nicht gerecht werden. Die politisch Verantwortlichen müssen endlich handeln, so wie sie es auch in der Corona-Krise getan haben; sie müssen sich um unseren Alltag kümmern. Den Alltag, in dem wir regelmäßig an die Zapfsäule müssen. Nicht, um in den Urlaub zu fahren, sondern weil wir zur Arbeit müssen!, wütet La Dernière Heure.
Eine noch sehr große Aufgabe
"Die Gleichheit von Frauen und Männern ist gewährleistet". Dieser Satz steht in Artikel 10 der belgischen Verfassung, erinnert L'Avenir anlässlich des Internationalen Frauentages, der heute, am 8. März, begangen wird. 20 Jahre nachdem dieser Satz in die Verfassung aufgenommen worden ist, bleibt festzuhalten, dass der Kampf und die Wachsamkeit für die Gleichheit von Frauen und Männern keinen Augenblick nachlassen darf. Die Lebensrealität vieler Frauen zeigt noch immer, dass einige Worte in einem Gesetzestext oder gute politische Absichten nicht reichen, um die Ungleichheiten zu überwinden, die so tief in unserer Gesellschaft verankert sind: Femizide, Gewalt, Diskriminierung, Lohnungleichheiten, um nur einige zu nennen. Die Aufgabe, die uns hier noch bevorsteht, bleibt sehr groß, unterstreicht L'Avenir.
Der 8. März 2022 ist für den Leitartikler des GrenzEchos der traurigste 8. März, an den er sich erinnern kann. Daran ändert auch die grenzenlose Bewunderung für all die mutigen Frauen in der Ukraine nichts in ihrem unendlich traurigen Schicksal. Sie verkörpern Entschlossenheit und Würde und wünschen sich nichts sehnlicher als Frieden. Hatten die Vereinten Nationen nicht wohlweislich den 8. März den Frauen UND dem Weltfrieden gewidmet? Die Verbindung ist offensichtlich, so das GrenzEcho.
Boris Schmidt