"Eine schlappe Übereinkunft: Prämie von 100 Euro und vier Monate lang weniger Mehrwertsteuer auf Elektrizität", fasst Gazet van Antwerpen die neuen Maßnahmen der Föderalregierung zur Senkung der Energierechnungen der Bürger zusammen. "Die Energiemaßnahmen werden die Durchschnittsrechnung eines Haushalts nur sehr schwach entlasten", titelt La Libre Belgique. "Energiepaket der Regierung in der Kritik", liest man beim GrenzEcho auf Seite eins.
Die Maßnahmen ernten vor allem Kritik, resümiert De Standaard. Und die ist zum Teil berechtigt: Eine Prämie in Höhe von 100 Euro ist zu wenig, um sich auszuwirken. Außerdem ist es schwer zu verteidigen, dass diese Unterstützung auch Familien zugutekommt, die sie gar nicht wirklich brauchen. Sehr solidarisch ist das also nicht. Die Mehrwertsteuersenkung auf Elektrizität wird auch keinen Schönheitspreis gewinnen. Allein die Verlängerung des ausgeweiteten Sozialtarifs ist eine gute Entscheidung. Hier handelt es sich um eine gezielte Maßnahme nur für die niedrigen Einkommen. Kritik ist also wie gesagt angebracht. Aber auch zumindest etwas Empathie für die Regierungsmitglieder. Denn so etwas wie eine ideale Lösung gibt es hier nicht: Energie ist teuer, irgendjemand wird die Rechnung bezahlen müssen. Wenn das nicht der Verbraucher ist, dann ist es der Steuerzahler. In vielen Fällen ist das ein und dieselbe Person. Es sei denn, wir würden die Schulden in die Zukunft schieben. Was auch nicht sehr solidarisch wäre, gibt De Standaard zu bedenken.
Da muss schon mehr kommen
Die Vivaldi-Koalition hat sich auf eine Mini-Übereinkunft geeinigt, konstatiert La Libre Belgique. Mit einer Mini-Auswirkung auf den Geldbeutel der belgischen Haushalte. Und mit Maxi-Enttäuschung bei vielen. Wenn man sich die langen Diskussionen ansieht, die hierzu notwendig waren, dann fragt man sich schon, was die Regierung bei den noch größeren Baustellen erreichen will, also etwa bei der Reform der Renten, der Arbeit und der Steuern. Bei dieser Frage muss man seit gestern für den Rest der Legislatur noch deutlich beunruhigter sein, seufzt La Libre Belgique.
Das größte Verdienst der Maßnahmen ist, dass sie existieren, frotzelt Le Soir. Allerdings haben sie nichts von einer strukturellen Reform, wir reden hier vielmehr von einer Abdichtung in höchster Not. Keine klare Linie, keine starke Vision. Diese Übereinkunft ähnelt sehr anderen Dossiers der Vivaldi-Regierung: Man macht das, was man gerade so hinbekommt und kickt den Ball dann ins Aus. Wenn man echte Reformen will, dann muss da schon mehr kommen, wettert Le Soir.
Pflaster statt Booster
Die Launen des Energiemarktes hat niemand im Griff, erinnert Het Nieuwsblad, außer vielleicht den Produzenten. Das ist schon lange bekannt. Dennoch kommt die jetzige Einigung viel zu spät. Es ist ein politischer Kompromiss der hässlichen Art, bei dem jede Partei der Koalition ihr Gesicht gewahrt hat. Woran allerdings nicht gedacht worden ist, das ist, dass die Regierung als Ganzes nach dem endlosen Gekabbel sehr wohl einen schweren Gesichtsverlust erlitten hat, so Het Nieuwsblad.
L'Echo ist am meisten davon beunruhigt, dass die Einigung einmal mehr eine riskante Wette zu sein scheint: Denn sie erweckt den fatalen Eindruck, dass ein Teil der schmerzhaften Entscheidungen einfach auf die lange Bank geschoben wird. Nicht zum ersten Mal scheint die Vivaldi-Koalition Probleme unter den Teppich kehren zu wollen. In einer geopolitisch instabilen Lage beziehungsweise in einer Situation, in der wir mehr denn je in Sachen Energie vom Ausland abhängig sein könnten, reicht eine kurzfristige Vision nicht mehr! Wo zum Teufel sind die strukturellen Maßnahmen, die sicherstellen sollen, dass die Energierechnungen dauerhaft unter Kontrolle bleiben?, fragt L'Echo.
Worüber sich alle Betroffenen die meisten Sorgen machen, ist, dass die Maßnahmen der Föderalregierung nur für eine kurze Zeit gelten werden, kommentiert Gazet van Antwerpen. Es gibt eigentlich keinen Plan, um so einen Anstieg der Energiepreise in Zukunft zu kontern. De Croo hat zwar auch eine Reform der Energierechnungen angekündigt, aber die besteht vor allem aus dem Hin- und Herschieben von Steuern und Akzisen. Mit einer echten Energiepolitik hat das jedenfalls nichts zu tun. Wir können nur glücklich sein, dass zumindest bis zum Sommer etwas geregelt worden ist. Viel weiter scheint der Ehrgeiz der Vivaldi-Koalition nicht zu reichen, so die beißende Kritik von Gazet van Antwerpen.
Unter den gegebenen Umständen wie Premierminister Alexander De Croo die Maßnahmen als "Dreifach-Booster" zu bezeichnen, ist schon ziemlich surreal, schreibt L'Avenir. Das Ziel eines Boosters ist, zu stimulieren, zu verstärken oder etwas voranzutreiben. Im vorliegenden Fall die Kaufkraft. Nur, dass die Maßnahmen das überhaupt nicht tun. Hier handelt es sich einfach um ein temporäres Pflaster für ein Problem, das wieder auftauchen wird. Um dem Schlimmsten vorzubeugen, muss eine strukturelle Antwort gefunden werden auf diese Fluktuationen der Energiepreise, fordert L'Avenir.
Das Geld von morgen
Het Laatste Nieuws stellt fest, dass den Politikern eigentlich teilweise die Hände gebunden sind, zumindest solange es keine anderen Reformen gibt. Denn der finanzielle Spielraum, um sich sehr großzügig zu zeigen, ist sehr begrenzt in diesen Krisenzeiten. Daran sind die Verantwortlichen mit ihrer laxen Haushaltspolitik selbst schuld, sie geben strukturell zu viel aus und rechnen sich reich. Das sollte allen eine Lehre sein, die keine Lust oder keinen Mut haben, den Haushalt auf gesündere Beine zu stellen. Also eine Lehre für alle Parteien, giftet Het Laatste Nieuws.
De Tijd findet, dass zwar hart über das Geld von heute debattiert wird, aber viel zu wenig über das von morgen. Niemand in der Opposition beschwert sich darüber, wie einfach wieder Geld geliehen wird, um es den Bürgern zu geben. Stattdessen geht es immer nur um das "Bekommen". Das ist keine gute Entwicklung, Belgien hat keine wirklichen Puffer mehr, um Rückschlägen wie Energiepreisspitzen etwas entgegenzusetzen. Und in der Rue de Loi scheint man nicht einmal zu wissen, wie man laut an Einsparungen denken soll, ohne Wahlen zu verlieren, analysiert De Tijd.
Boris Schmidt